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Düsseldorf: Jäger: NRW nimmt 2015 mehr Flüchtlinge auf als Frankreich

Düsseldorf : Jäger: NRW nimmt 2015 mehr Flüchtlinge auf als Frankreich

Nordrhein-Westfalen sucht angesichts zunehmender Probleme bei der Aufnahme von Flüchtlingen händeringend nach weiteren Unterkünften. Das Land „wird in diesem Jahr mehr Flüchtlinge aufnehmen als ganz Frankreich”, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschuss am Freitag.

In den inzwischen 44 Landeseinrichtungen und zusätzlichen Notunterkünften seien derzeit 13.500 Menschen untergebracht, auf 14.000 Plätzen. Die Lage sei vergleichbar schwierig in allen Bundesländern. NRW nehme aber besonders viele Flüchtlinge auf.

Im ersten Halbjahr 2015 kamen 43.000 Menschen, für das Gesamtjahr rechnet das Land mit 100.000 Asylsuchenden - nach rund 40.000 aufgenommenen Flüchtlingen 2014 und 15.000 im Jahr 2012. „Wir sind alle gefordert, aber nicht überfordert”, betonte Jäger nach Kritik der CDU. Diese sprach von „unhaltbaren Zuständen”, nachdem die Erstaufnahme-Einrichtung in Dortmund wegen starker Überbelegung vorübergehend einen Aufnahmestopp verhängt hatte. Die rot-grüne Landesregierung handele planlos. Erforderlich seien rund 20.000 Plätze. „Die Flüchtlingsaufnahme in NRW steht vor dem Kollaps”, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Peter Biesenbach.

Dortmund sei eine Drehscheibe mit seiner zentralen Lage und daher besonders belastet, sagte Burkhard Schnieder, der vor kurzem überraschend „bis auf Weiteres” die Leitung der Arnsberger Bezirksregierung - zuständig für die Flüchtlingsunterbringung - übernommen hatte. Die Lage sei erschwert durch acht wegen Windpocken gesperrte Heime. Der Dortmunder Vorfall sei aber „kein Drama”, man habe schnell Transfers organisiert. Die Einrichtung ist massiv überbelegt, allein am Montag kamen 600 Flüchtlinge neu an.

NRW trage die Hauptlast unter den Ländern, meinte Schnieder. Laut Verteilungsschlüssel müsse das Land 21,2 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, es kämen aber viel mehr in die Erstaufnahmeheime. Sie müssten zumindest kurzzeitig versorgt und dann weitergeleitet werden. Jäger sprach von real rund 30 Prozent der Flüchtlinge, die NRW derzeit aufnehme. Ein sprunghafter Anstieg im Juni habe auch damit zu tun, dass in einigen Heimen in anderen Bundesländern wegen ansteckender Krankheiten ein Aufnahmestopp bestehe.

Jäger kündigte an, bis Jahresende werde die Zahl der Erstaufnahmeplätze von derzeit 1800 auf dann 3000 erhöht. Weitere Einrichtungen würden gesucht. „Hier kann es und darf es keine Denkverbote geben.” Für die kalte Jahreszeit ab Oktober sind laut Ministerium zudem fast 2000 Plätze mit dem Jugendherbergswerk vereinbart.

Die oppositionelle CDU war wenig einverstanden mit den Äußerungen Jägers: „Wir wären gerne heute beruhigt nach Hause gefahren”, sagte der Vize-Fraktionschef Biesenbach der dpa. „Aber nach der heutigen Sitzung sehen wir den Eindruck des totalen Organisationsversagens noch untermauert.”

Die Piraten forderten Lösungen über die bloße Unterbringung hinaus: Der Landesregierung gehe es nur darum, Obdachlosigkeit zu vermeiden, sagte der Sprecher der Piraten-Fraktion im Innenausschuss, Frank Herrmann. „Dabei fehlt es an notwendiger Versorgung, Beratung, soziale Betreuung und vor allem an medizinischer sowie psychologischer Erstversorgung.”

Viele Kommunen sehen sich überfordert. Die Kölner Bezirksregierung hatte in Linnich im Kreis Düren 200 Flüchtlinge vorübergehend in Zelten untergebracht. In Bochum sollen sogar Notunterkünfte auf einer Wiese des städtischen Friedhofs entstehen. Auch die Landeshauptstadt schließt laut „Rheinischer Post” Zelte als Notlösung nicht aus.

(dpa)