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Internationale Razzia gegen italienische Mafia ’Ndrangheta

Aktion „Pollino“ : Viele Festnahmen bei internationaler Razzia gegen Mafia

Harter Schlag gegen die Mafia: Mit einer großangelegten Razzia sind Ermittler in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien gegen die italienische Mafia-Organisation 'Ndrangheta vorgegangen. Auch in Aachen und Düren wird ermittelt.

Die europaweiten Schockwellen der Aktion „Pollino“ reichen bis Pulheim im Nordwesten Kölns, Polizisten durchsuchten dort am Mittwoch ein kleines italienisches Restaurant und das Einfamilienhaus eines 45-jährigen Verdächtigen. Dass dort gerade ein mutmaßlich ranghöherer Mafioso der mächtigen kalabrischen Mafiagruppe ’Ndrangheta abgeführt wurde, ließ sich nur mit Hilfe weniger Details erahnen: die schwere schwarze Harley Davidson, die beschlagnahmt und auf einen Abschlepper verladen wird, trägt ein italienisches Kennzeichen.

Hunderte Polizisten waren am Mittwoch allein in Deutschland im Einsatz, wo gegen 47 Beschuldigte ermittelt wird. 14 von ihnen wurden festgenommen. 65 Objekte wurden bundesweit untersucht, 23 davon in Nordrhein-Westfalen, beispielsweise im Ruhrgebiet im Rheinland, im Kreis Düren und Aachen. Schwerpunkte waren Nordrhein-Westfalen und Bayern. Während der Ermittlungen waren zuvor europaweit rund 4000 Kilogramm Kokain und große Mengen Ecstasy beschlagnahmt worden.

Die Europäische Justizbehörde Eurojust koordinierte die internationale Aktion unter dem Decknamen „Pollino“: So heißt der italienische Nationalpark ganz im Süden des italienischen Festlandes, in dem der Schmutzgeier heimisch ist, in dessen Nähe sich aber auch die Wiege der ’Ndrangheta befindet.

Die steht im Verdacht, einen Großteil des weltweiten Kokainhandels abzuwickeln. Vor Ort überlässt man das Geschäft gerne Clans oder Rockergruppen, sagt David Schraven, der im vergangenen Jahr ein Buch zur „Mafia in Deutschland“ veröffentlicht hat.

Geldwäscheparadies Deutschland

Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Vermögen der ’Ndrangheta sei wohl gezielt und reichlich in den deutschen Immobilienmarkt geflossen, hatte die Bundesregierung im Juni berichtet. Im vergangenen Jahr hatte der Gesetzgeber nach langem Zögern reagiert und die Möglichkeiten verbessert, illegal erworbenes Vermögen zu beschlagnahmen. Das könnte dem mutmaßlichen Mafioso aus Pulheim nun zum Verhängnis werden, sollte er sein Motorrad zurückverlangen.

Die kalabrische ’Ndrangheta gilt als die inzwischen weltweit mächtigste italienische Mafia-Organisation. Experten beziffern ihren Umsatz mit kriminellen Geschäften auf 50 bis 100 Milliarden Euro im Jahr. Nach Angaben der US-Bundespolizei FBI hat die ’Ndrangheta weltweit etwa 6000 Mitglieder in 160 miteinander verbundenen Familienclans.

Lange wurde bezweifelt, dass Deutschland mehr ist als Drogenabsatzmarkt und Rückzugsgebiet für Mafiosi, denen es in ihrer Heimat zu brenzlig geworden ist. 2007 verstummten die Zweifler, als in Duisburg vor dem Restaurant „Da Bruno“ sechs Menschen im Kugelhagel starben. Auch dahinter steckte die ’Ndrangheta, wie schnell klar wurde.

Die Fehde zweier Mafia-Familien hatte in Duisburg einen blutigen Höhepunkt erreicht. Ein Streit zwischen dem Pelle-Vottari-Clan und dem Strangio-Nirta-Clan war der Auslöser. Das Blutbad war zugleich eine Art Betriebsunfall für die Mafia, die sonst sehr darauf achtet, unsichtbar zu bleiben, weil das besser fürs Geschäft ist.

Warum Aachen? Und warum Düren?

Seit langem warnen Ermittler in Italien davor, dass die ’Ndrangheta ein außerordentlich wichtiges Standbein in Deutschland gebildet hat. Im Sommer erklärte die nationale Anti-Mafia-Behörde, dass die kalabrische Mafia in Deutschland ähnliche Strukturen aufgebaut habe wie in ihrer Heimat. Was auch bedeutet, dass Politik und Wirtschaft akut gefährdet sind, von der Mafia infiltriert zu werden.

Nicht ganz klar ist, warum die Aktion „Pollino“ sich bis nach Aachen erstreckte. Ein 58-jähriger Deutscher, der zeitweise in Aachen gelebt hat, soll zwischen 2013 und 2017 mit Hilfe eines Scheinfirmengeflechts 160 Mal betrogen haben. Wie die Aachener Staatsanwaltschaft auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, habe der Mann Baumaschinen gekauft, nicht bezahlt und trotzdem weiterverkauft, der Gesamtschaden sei höher als eine Million Euro.

Aber: Was der Mann, der im Moment in Haft ist, mit der Mafia zu tun haben könnte, ist der Aachener Staatsanwaltschaft nicht bekannt. Und die Staatsanwaltschaft Köln, die möglicherweise eine Erklärung hat, verweigerte ohne Angabe von Gründen jedwede Auskunft – ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang.

Selbst die Kölner Polizei konnte diese Auskunftsverweigerung nicht nachvollziehen und erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass im Kreis Düren drei Objekte durchsucht worden seien. Aus welchem Grund und wo genau, konnte die Kölner Polizei jedoch nicht sagen.

Der Aktion gingen aufwendige Ermittlungen der Behörden voran. Eine große Rolle hätten dabei Kokainfunde in Pferdetransportern gespielt, heißt es. Der Transporter sei vor zwei Jahren im britischen Fährhafen Harwich sichergestellt worden. Unter dem Namen „Falabella“, so heißen Miniponys aus Argentinien, hatte eine Ermittlergruppe beim Kölner Kriminalkommissariat verdeckt ermittelt.

Das Verfahren richtete sich gegen italienische und deutsche Staatsangehörige im Alter zwischen 33 und 68 Jahren. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen gegen mehrere Bedienstete unterschiedlicher Behörden.

„Die Razzien und Festnahmen heute treffen das organisierte Verbrechen schwer“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Nur gemeinsam können wir auf Dauer diesen Sumpf austrocknen. Wenn uns das nicht gelingt, wollen wir wenigstens aber den Grundwasserspiegel deutlich absenken.“

Kalibrien im Fokus

In Italien richteten sich die Augen am Mittwoch vor allem auf die Region Kalabrien. Die Operation galt Mitgliedern bekannter Clans im Herzen der Region. Aus dieser Gegend stammen auch die Mafia-Mörder von Duisburg.

Die kalabrische 'Ndrangheta gilt als mächtigste italienische Mafia-Organisation. Sie dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv. Eurojust-Vizepräsident Filippo Spiezia bezeichnete die Operation unter dem Decknamen „Pollino“ als „außerordentlichen Erfolg“. Sie sei die bisher umfangreichste ihrer Art in Europa.

Im Laufe der Ermittlungen waren zuvor europaweit fast 4000 Kilogramm Kokain und beträchtliche Mengen anderer Betäubungsmittel beschlagnahmt worden. Die 'Ndrangheta sei eine der mächtigsten verbrecherischen Vereinigungen der Welt. Sie kontrolliere den Großteil des europäischen Kokainhandels, hieß es.

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(dpa/red)