Düsseldorf : Im Gefängnis ist kein Zimmer mehr frei
Düsseldorf In den NRW-Haftanstalten ist fast keine Zelle mehr frei. Nach einer internen Liste des NRW-Justizministeriums waren im Februar sogar fünf der 36 Gefängnisse überbelegt — die durchschnittliche Belegungsquote aller Haftanstalten im Erwachsenen-Vollzug betrug 96 Prozent.
Der NRW-Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Peter Brock, warnte vor einem Kollaps. „Die Überbelegung vor allem in der Untersuchungshaft ist ein Riesenproblem“, sagte Brock dieser Zeitung. Das Justizministerium verteidigte sich: „Wer einen Haftplatz braucht, der bekommt auch einen.“
Laut Liste war die JVA Dortmund am Stichtag 11. Februar mit 429 Häftlingen auf 404 Plätzen überbelegt. Auch die Haftanstalten Duisburg-Hamborn, Essen, Kleve, Kleve und Willich II hatten mehr Gefangene als reguläre Haftplätze. Weitere 20 Gefängnisse in NRW — darunter Aachen, Düsseldorf, Köln, Bochum, Hagen und Moers — stehen mit über 90 Prozent Belegungsquote vor der Kapazitätsgrenze.
Nach Angaben des Justizministeriums sind derzeit aufgrund von Sanierungsarbeiten nur 17.629 Haftplätze nutzbar. Bei aktuell 16.242 Gefangenen — einschließlich offener Vollzug (3453) und Jugendstrafvollzug (1503) — reichten die Plätze aus. Strafvollzugsexperte Brock stellte aber klar, dass für 11.286 erwachsene Gefangene gerade 11.750 Haftplätze bereitstehen. 2600 Strafgefangene lebten in Gemeinschaftszellen, obwohl sie einen Rechtsanspruch auf eine Einzelunterbringung hätten. „Das ist eine unhaltbare Situation“, sagte Brock, „sollten sie auf ihrem Recht bestehen, dann gute Nacht.“
Brock verwies darauf, dass Gefangene häufig aus Gründen der Herkunft oder Religion nicht in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden könnten. „Auch Bandidos und Hells Angels zusammen geht nicht“, mahnte Brock. Zudem beobachtet der Strafvollzugsbedienstete eine deutliche Zunahme nordafrikanischer Gefangener in den Haftanstalten. Sie brächten eine neue Form der Gewalt in die Gefängnisse. Einige von ihnen würden schon bei Banalitäten sehr schnell aggressiv und handgreiflich und zeigten wenig Respekt gegenüber Frauen.
Allein im vergangenen Monat kamen 500 neue Gefangene in die NRW-Haftanstalten. Laut Ministerium kommt es regelmäßig im Januar zu einer hohen Auslastung der Gefängnisse, weil die Staatsanwaltschaften zu Beginn des Jahres besonders viele Menschen zum Strafantritt laden. Hohe Belegungen einzelner Haftanstalten würden untereinander ausgeglichen. Auch der hohe Sanierungsbedarf der Gefängnisse sorgt aus Sicht des Ministeriums für eine hohe Auslastung.
Nachdem die Zahl der Gefangenen seit 2007 von 17.700 auf rund 16.200 gesunken ist, hat NRW die Gefängnisse in Coesfeld, Mönchengladbach und Krefeld geschlossen. Auch wurde die JVA Büren in eine Abschiebehaftanstalt umgewandelt. Bis Mitte 2016 wird die JVA Wuppertal-Vohwinkel saniert. Aus Sicht des Bundes der Strafvollzugsbediensteten sollte eine Belegungsquote von 90 Prozent nicht überschritten werden.
„Belegungsspitzen“
Die CDU-Opposition warnte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) davor, weitere Haftplätze abzubauen. Die FDP forderte eine konsequente Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs an Haftplätzen. Das Justizministerium räumte ein, dass in Belegungsspitzen einzelner Haftanstalten „vorübergehend“ auch ein Gemeinschaftsraum reichen müsse. Dass Gerichte nach den jüngsten Ereignissen in der Kölner Silvesternacht mehr Freiheitsstrafen verhängen, lässt sich nach Angaben des Justizministeriums „statistisch nicht nachhalten“.