Brandanschlag auf Stolberger Journalisten : Ein Krimi, in dem es nur Verlierer gibt
Stolberg/Eschweiler Manchmal reicht ein einziger Satz, um ein ausgesprochen kompliziertes Gerichtsverfahren auf den Punkt zu bringen. In dem Prozess am Eschweiler Amtsgericht um einen Brandanschlag auf einen Stolberger Journalisten gelingt einem der Verteidiger solch ein Satz in seinem Plädoyer. „In diesem Fall gibt es auf allen Seiten nur Verlierer“, sagt er, und man möchte ihm da spontan zustimmen.
Denn da sind die Opfer: der freiberufliche Journalist, dessen Auto ausbrannte, dessen Haus hätte in Flammen aufgehen können, und seine Ehefrau, die seit der Brandattacke schlecht schläft, beim kleinsten Geräusch hochschreckt, unter Angstzuständen leidet. Und da sind die Täter: ein 19-Jähriger ohne abgeschlossene Ausbildung, der sich als Gastronom versucht hat, und nun eine zweijährige Jugendhaftstrafe auf dem Buckel hat wegen Brandstiftung und Betrugs, immerhin noch „nur“ zur Bewährung.
Und ein 31-jähriger Mann, der bereits einige Vorstrafen aufweist und aus Geldnot gegen Bezahlung an dem Racheakt gegen den Journalisten teilnahm. Und der nun wieder für drei Jahre ins Gefängnis wandern wird, weil er „unter laufender Bewährung die vorliegende schwere Straftat begangen hat“, wie Richter Henning Wiedeholz in seiner Urteilsbegründung kopfschüttelnd sagt. Lauter Verlierer also, weil in einem bestimmten Moment in dieser Geschichte „alles außer Kontrolle gerät“, wie einer der Verteidiger sagt. Oder weil „der Wahnsinn seinen Lauf nimmt“, wie es ein anderer Anwalt formuliert.
Ein Verdächtiger tötet sich selbst
Henning Wiedeholz hat als Vorsitzender Richter des Jugendschöffengerichts am Eschweiler Amtsgericht in diesem Verfahren jedenfalls viel Gelegenheit zum Kopfschütteln. Das liegt auch daran, dass sich der Prozess über fünf lange Verhandlungstage hinzieht, obgleich man anfangs nur von einem, höchstens zwei Terminen ausging. Doch erweist es sich als ziemlich zeitaufwendig, aus den Aussagen der Zeugen und Angeklagten das Kerngeschehen herauszudestillieren – zumal die Angeklagten zwar geständig sind, aber durchaus unterschiedliche Versionen der Tat erzählen. Und dann gab es auch noch einen dritten Tatbeteiligten, der sich kurz vor seiner Festnahme selbst tötet. Er soll, wie die beiden Angeklagten es beschreiben, die treibende Kraft in Sachen Brandanschlag gewesen sein und letztlich auch sein Feuerzeug ans Benzin gehalten haben . . . Das Gericht nimmt dies letztlich als gegeben hin. Der Beweis des Gegenteils ist auch schlecht möglich.
Angezündet wurde das Fahrzeug, ein Porsche Cayenne, in der Nacht auf den 16. Oktober vorigen Jahres. Der Wagen stand zu diesem Zeitpunkt vor dem Wohnhaus des Journalisten, rund 50 Zentimeter vor dem Garagentor. In dem Haus schliefen vier Menschen, der Journalist, seine Frau und seine Schwiegereltern. Weil die Frau rechtzeitig wach wurde, konnten sich alle in Sicherheit bringen. Die Feuerwehr verhinderte ein Übergreifen der Flammen auf das Haus, der Brandsachverständige sprach vor Gericht davon, dass dazu womöglich nur noch die „sprichwörtlichen fünf Minuten“ gefehlt hätten.
Verabredet hatten die drei Männer – die beiden Angeklagten und der dritte Tatbeteiligte – die Tat bei einem Treffen am Nachmittag zuvor. Es ging darum, dem Journalisten einen Denkzettel zu verpassen, weil der 19-Jährige befürchtete, dieser würde mit seinen Recherchen seine berufliche Existenz ruinieren. Der Hintergrund: Der junge Mann hatte ein Restaurant wiedereröffnet, dafür auch Fördermittel der Stadt Stolberg in Anspruch genommen, war dann aber in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Er bezahlte Rechnungen nicht, vertröstete Gläubiger, fing an zu betrügen – in seine Verurteilung wegen Brandstiftung flossen jetzt auch drei Betrugsdelikte ein.
Fataler „Denkzettel“
Der Journalist bekam Wind von der Sache, witterte eine Betrugsgeschichte, fing an zu recherchieren – wobei er sich anfangs nicht als Journalist zu erkennen gab, weshalb der 19-Jährige ihn zunächst offenbar sogar für einen Geldeintreiber hielt. Als er dann erfuhr, dass es ein Journalist war, fürchtete er eine negative Berichterstattung und kam auf die Idee mit dem Denkzettel. Zunächst wollte man wohl ein Geschäft der Frau des Journalisten demolieren, doch dieses war zu gut gesichert. Dann kam die Idee auf, das Auto anzuzünden, und das Unheil nahm seinen Lauf. Der 19-Jährige fuhr seine Komplizen in die Nähe des Tatorts, diese setzten dann den Porsche in Brand.
Als dieser Punkt im Prozess zur Sprache kommt, ist es einer dieser Momente, in denen Richter Wiedeholz nur den Kopf schütteln kann. Er kann nicht verstehen, wie man einfach so lapidar beschließen kann, das Auto eines anderen anzuzünden – „so wie wenn andere sagen: Ich gehe einkaufen“ – also dass er fast wie ein Mafioso handelt, obwohl der 19-Jährige noch nicht einmal vorbestraft ist.
Für die Staatsanwältin ist der Brandanschlag, bei dem sie anfangs sogar wegen versuchten Mordes ermittelte, durchaus „ein Übergriff auf die Pressefreiheit“, auch wenn sie an der Seriosität der Vorgehensweise des Journalisten Zweifel hegt. Aber letztlich habe der Reporter, wie sie in ihrem Plädoyer sagt, „mundtot“ gemacht werden sollen. Für den 31-Jährigen fordert sie eine geringfügig höhere Strafe, als das Gericht letztlich verhängt, in der Bewertung seines Tatbeitrags ist man sich aber einig: Er wird auch wegen versuchter schwerer Brandstiftung verurteilt, weil er bei der Tatausführung vor Ort war und billigend in Kauf genommen habe, dass das Feuer vom Wagen auf das Haus hätte übergreifen können. Bei dem 19-Jährigen trifft dies nach Auffassung des Gerichts nicht zu – schlicht, weil er selbst nicht vor Ort war und deshalb keine Vorstellung von den Verhältnissen dort haben konnte.
Allzu sicher sollte sich der junge Mann nach diesem Urteil allerdings nicht fühlen. Das macht ihm Richter Wiedeholz in seiner Urteilsbegründung sehr eindringlich deutlich. „Sie sollten nicht denken, dass Bewährung heißt, ich bin ja gar nicht bestraft worden“, warnt der Richter. Beim Verstoß gegen die Auflagen droht Vollzug der Strafe. In diesem Fall gibt es noch mehr zu verlieren.