Kritik an Plänen zum Wiederaufbau : Flutopfer erhalten erste Finanzhilfen
Düsseldorf Die ersten Gelder für Private können der NRW-Bauministerin zufolge noch diese Woche ausgezahlt werden. SPD und Grüne kritisieren im Landtag unprofessionelles Krisenmanagement. Der Untersuchungsausschuss startet am Freitag.
Die ersten Hilfen für Opfer der Hochwasserkatastrophe im Juli sollen noch in dieser Woche an Privathaushalte ausgezahlt werden. Voraussetzung sei, dass die Antragsteller die Bewilligungsbescheide schnell unterzeichneten und auf den Rechtsbehelf verzichteten, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) unserer Redaktion. 4500 Anträge von Privatleuten seien insgesamt bisher eingegangen.
Die Flutkatastrophe war am Donnerstag erneut auch Gegenstand einer kontroversen Debatte im Landtag. Mitte Juli hatten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Starkregenfälle eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst, weil vor allem kleinere Flüsse über die Ufer getreten waren. Nach ersten Schätzungen entstanden allein in NRW Schäden in Höhe von etwa 13 Milliarden Euro, 49 Menschen starben.
Die SPD-Opposition warf der Landesregierung am Donnerstag vor, den Wiederaufbau nicht professionell zu organisieren. In einer von der Fraktion beantragten Aktuellen Stunde kritisierte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm, die Landesregierung bediene sich eines bürokratischen Systems, das technisch nicht ausgereift sei. Zudem seien die Behörden überlastet: „Es knirscht und ächzt bei den Bezirksregierungen gewaltig“, sagte Dahm und wertete die Kündigung eines Abteilungsleiters der Bezirksregierung Köln dafür als symptomatisch.
SPD-Fraktionskollege Stefan Kämmerling monierte, dass die finanziellen Hilfen nur online beantragt werden könnten, obwohl nicht überall in den Flutgebieten schon wieder das Internet funktioniere. Auch lösche das System die eingegebenen Daten, wenn die Antragstellung länger als 90 Minuten dauere. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Opposition: In den Kommunen sei bisher zu wenig Personal angekommen.
NRW-Innenminister Herbert Reul wies die Vorwürfe der Opposition als „bodenlose Frechheit“ zurück. Die Landesregierung habe bei den Bezirksregierungen, die für die Genehmigung der Anträge zuständig sind, hunderte Stellen zusätzlich geschaffen, davon gut 200 ab sofort. „Aber die Leute muss man auch finden“, sagte Reul. Daher sei zusätzlich auch externes Personal eingespannt worden, etwa von Zeitarbeitsfirmen und der NRW-Bank. „Ja, die Bezirksregierungen haben wirklich viel zu tun“, räumte Reul ein. Sie hätten aber schon bei den Coronahilfen „einen super Job“ gemacht. Wie die Wiederaufbauhilfe laufe, sei außerdem noch gar nicht zu beurteilen, weil die Bewilligung gerade erst angefangen habe.
Auch Scharrenbach verwahrte sich gegen die Kritik der Opposition: „Mit Ihrem Fokus auf das Negative zeichnen Sie kein Abbild, sondern ein Zerrbild.“ Die Kommunen seien dankbar, dass das Land in den betroffenen Gebieten Vor-Ort-Beratungen eingerichtet habe. Wenn es technische Probleme gebe, könne es auch am Bediener liegen, wenn es nicht funktioniere. Das Land kooperiere beim Wiederaufbau eng mit Institutionen wie Krankenhäusern oder der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege.
Das Land arbeite in engem Schulterschluss mit den Bürgermeistern und Landräten vor Ort: „Es ist alles in der Reihe“, sagte Scharrenbach. Zur Kündigung des überlasteten Abteilungsleiters in der Bezirksregierung sagte die Ministerin: „Manchmal passt auch die Person nicht zur Aufgabe.“ Der CDU-Abgeordnete Daniel Sieveke betonte, dass in NRW 12,3 Milliarden Euro für den Wiederaufbau in den Hochwassergebieten zur Verfügung stünden.
An diesem Freitag konstituiert sich im Landtag ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe in NRW. Zum Vorsitzenden wurde der FDP-Abgeordnete Ralf Witzel aus Essen gewählt. Weiterhin entsendet die FDP-Fraktion Werner Pfeil und Andreas Terhaag. Stellvertretender Vorsitzender wird der SPD-Abgeordnete André Stinka. Vertreten wird die SPD neben Kämmerling durch Ex-Innenminister Ralf Jäger und Generalsekretärin Nadja Lüders. Initiiert hatten den Ausschuss die SPD- und Grünen-Opposition. Es soll untersucht werden, welche Versäumnisse es vor und während des Starkregens gegeben hat, ab dem 9. Juli, als das EU-System Efas die erste Warnung herausgab.