„Das Kooperationsmodell reicht nicht mehr aus“ : Fachhochschule Aachen bereitet Promotionsrecht vor
Aachen Bisher konnten nur Universitäten den Doktortitel vergeben, doch nun steuern auch die Fachhochschulen in NRW auf eigenes Promotionsrecht zu. Die FH Aachen stellt dafür bereits die Weichen.
Schon heute können Studierende an Fachhochschulen (FH) promovieren, allerdings nur im Rahmen von Kooperationen mit einer Universität. Denn die Fachhochschulen haben kein eigenes Promotionsrecht, die Doktortitel werden ausschließlich von den Universitäten vergeben. Koordiniert und unterstützt werden die Kooperationen dabei von einem Graduierteninstitut, das an der Hochschule Bochum angesiedelt ist.
Das soll sich ändern. Grundlage dafür ist das neue Hochschulgesetz, das am 11. Juli 2019 vom NRW-Landtag verabschiedet wurde. Es sieht vor, das Graduiertenkolleg in ein Promotionskolleg umzuwandeln, das nach erfolgreicher Evaluation durch den Wissenschaftsrat eigenes Promotionsrecht erhalten soll. 23 staatliche bzw. staatlich refinanzierte Fachhochschulen – oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW), wie sie offiziell heißen – könnten davon profitieren. Eine davon ist die FH Aachen, deren Gremien nun mit einem einstimmig gefassten Beschluss den Weg frei dafür gemacht haben.
Marcus Baumann ist nicht nur Rektor der FH Aachen, sondern auch Vorsitzender der HAW-Landesrektorenkonferenz. Er ist ein glühender Anhänger der Neuerung, hat das Verfahren intensiv begleitet und kennt den Widerstand der Universitäten, deren Alleinstellungsmerkmal das Promotionsrecht traditionell ist. Die Debatte wird in einem scharfen Ton geführt. Man dürfe den „Doktor nicht mit dem Bade ausschütten““, heißt es bei den Unis. Sie befürchten „Low-Quality-Promotionen“ und einen „Doktor light“. Ulrich Rüdiger, Rektor der RWTH Aachen, gehört zu den vehementen Kritikern. Auch er spricht den Fachhochschulen die „apparativen und personellen Voraussetzungen“ dafür ab, eine Promotion angemessen betreuen und unterstützen zu können.
Baumann kann die Bedenken seiner Kollegen nicht nachvollziehen. Seine Gegenargumente basieren auf dem gewachsenen Selbstbewusstsein einer Hochschulform, die sich mit in den Erfordernissen der Zeit im Einklang sieht.
1. Grundlagenforschung an den Unis, Anwendungsforschung an den HAW: Diese Dichotomie gilt grundsätzlich weiter. Allerdings sei die Anwendungsforschung so hoch qualifiziert und anspruchsvoll, dass sie einer Promotion voll und ganz würdig sei. Im Gegenteil: Bliebe der Promotionsweg versperrt, werde wichtiges Potenzial vergeudet.
2. Denn das kooperative Modell habe nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Es reiche deshalb nicht mehr aus. Da es auf Freiwilligkeit basiere, werde die Suche nach Betreuern an Universitäten bisweilen erschwert. Außerdem gebe es Studienfächer an den HAW, für die es kein Pendant an den Unis gebe, etwa Soziale Arbeit. Keine Probleme gebe es, wenn beide Seiten an gemeinsamen Forschungsprojekten arbeiteten, sie also dieselben Interessen haben. Im Klartext: Die HAW wollen keine Bittsteller mehr sein. Übrigens: Die kooperativen Promotionen sollen trotzdem fortgeführt werden.
3. Die Neuerung werde nicht zu einem „Doktor light“ führen, da hohe Hürden eingebaut würden, die ein hohes Niveau garantierten. Nicht umsonst soll nicht jede einzelne HAW das Promotionsrecht erhalten, sondern nur das zentrale Kolleg bzw. dort einzelne Fachbereiche. Die betreuenden Professoren müssten über Drittmittel und Veröffentlichungen nachweisen, dass sie wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit seien. Auch das Argument, dass sie mehr lehren müssten als ihre Kollegen an den Unis, lässt Baumann nicht gelten: „Wir können und wollen das Lehrdeputat während eines Promotionsprojektes reduzieren.“
4. Das muss natürlich ausgeglichen werden. Erhalten die HAW dafür mehr Geld vom Land? Nein, sagt Baumann. „Das müssen wir selbst stemmen. Wir wollen dies über mehr Drittmittel tun.“ Aber besteht dann nicht die Gefahr, dass mehr Geld von außen in die Anwendungsforschung der HAW fließen könnte und weniger in die Grundlagenforschung der Unis? Baumann glaubt, dass diese Befürchtung ein wesentlicher Grund dafür ist, dass diese so scharf gegen die Neuerung protestieren. Er lässt das nicht gelten, verweist auf die unterschiedlichen Zielgruppen bei der Einwerbung von Drittmitteln. Und im Gegenteil: Die anwendungsorientierte Forschung werde bei der öffentlichen Förderung benachteiligt.
Wie es weitergeht? Baumann rechnet damit, dass das Promotionskolleg im Dezember gegründet wird. Die Begutachtung durch den Wissenschaftsrat könnte bis Mitte 2021 vorliegen. Mit der Verleihung des Promotionsrechts rechnet er Ende 2021. Das Verhältnis zu den Universitäten werde sich bis dahin übrigens wieder entspannen.