Aachen : Es muss nicht immer ein Gerichtsverfahren sein
Aachen Schlichten ist besser als richten - und billiger. So einprägsam lässt sich das zusammenfassen, was Schiedsfrauen und Schiedsmänner flächendeckend in jeder Gemeinde des Landgerichtsbezirks Aachen anbieten.
In 80 Schiedsämtern arbeiten sie ehrenamtlich, für fünf Jahre gewählt vom Gemeinderat und bestätigt durch den Direktor des Amtsgerichts. Und noch ein Häppchen Theorie: Diese Schiedspersonen arbeiten auf einer breiten rechtlichen Grundlage - als da sind das Schiedsamtsgesetz NRW, das Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW, das Bürgerliche und das Straf-Gesetzbuch sowie das Nachbarrechtsgesetz NRW.
In der Praxis sieht Schiedsarbeit meist so aus: Ist die Hecke des Nachbarn für den Schattenempfänger nebenan zu hoch, fühlt sich einer durch Laub vom Nebengarten belästigt - oder von Kinder- oder Haustierlärm, ist ein Streit vielleicht sogar bis zu ehrverletzenden Titulierungen (Du dumme ...!) eskaliert und der Spaten drohend geschwungen worden, denkt so mancher zunächst einmal an die Polizei.
Eine Anzeige bei den Ordnungshütern wird von diesen jedoch oft schon mit Verweis auf den Schiedsmann abgebogen, auch in vielen Fällen von Hausfriedensbruch, leichter Körperverletzung, Bedrohung oder Sachbeschädigung. Denn da hilft es oft schon, die Beteiligten an einen Tisch und zum Reden zu bringen.
Das ist das Element der Schiedsfrauen und -männer. Der Erfolg gibt ihnen Recht: 60 Prozent aller Streitigkeiten, die vor der Schiedsinstanz landen, können außergerichtlich geschlichtet und damit aus der Welt geschafft werden. Preiswert übrigens, denn es fallen höchstens Kosten von 40 Euro an.
Landet ein Fall erst vor Gericht, ist das System der Vermittler jedoch noch nicht am Ende: In NRW gibt es bereits über 100 Mediatoren, in der Regel Richterinnen und Richter mit langjähriger Erfahrung, die eine mehrmonatige Ausbildung zum Mediator absolviert haben. Die Bezirksvereinigung Aachen des Bundes deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen hat jetzt mit Josef Thoma aus Monschau den Ersten aus ihren Reihen, der als Mediator zertifiziert wurde.
Was ein Mediator macht? Im Grundsatz das Gleiche wie ein Schiedsmann - allerdings in Fällen, die bereits auf dem Wege sind, in einen Prozess zu münden. Der Richter oder die Konfliktparteien können zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Mediationsverfahren anregen. Mit dem müssen alle Parteien einverstanden sein. Das kann dann Ergebnisse bringen, die individueller sind als das streng gesetzbuchmäßige Daumen-Rauf oder Daumen-Runter eines Richterspruchs.
Die Spielregeln sind einfach: Für die Dauer der freiwilligen, nicht öffentlichen Mediation ruht ein Verfahren; alles, was besprochen wird, ist vertraulich und kann nicht vor Gericht verwendet werden; es entstehen keine zusätzlichen Gerichtsgebühren - allenfalls für Auslagen des neutralen Mediatoren oder teilnehmende Rechtsanwälte.
NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) ist angetan von den Erfolgen der seit 2005 über 1500 Mediationsverfahren: „In der ordentlichen Gerichtsbarkeit konnten über 70 Prozent, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sogar über 80 Prozent erfolgreich abgeschlossen werden.” Auch zur Freude der überlasteten Gerichte. Die Ministerin will die Mediation ausbauen.