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Zu junge i-Dötzchen in NRW?: Eltern kämpfen mit Online-Petition für spätere Einschulung

Zu junge i-Dötzchen in NRW? : Eltern kämpfen mit Online-Petition für spätere Einschulung

Werden Kinder in Nordrhein-Westfalen zu früh eingeschult? Diese Frage bewegt in Nordrhein-Westfalen offenbar viele Eltern: Mehr als 25.000 Menschen haben sich in nur eineinhalb Wochen einer Online-Petition angeschlossen.

Darin fordert eine Essener Mutter mehr Mitspracherecht für Eltern, deren Kinder bereits um den sechsten Geburtstag herum eingeschult werden sollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Debatte um das richtige Einschulungsalter.

Wann werden Kinder in Nordrhein-Westfalen eingeschult?

Kinder werden schulpflichtig, wenn sie bis zum 30. September des im Sommer beginnenden Schuljahres sechs Jahre alt werden. Kinder, die erst im Spätsommer geboren sind, können damit im Extremfall bei der Einschulung erst fünf Jahre alt sein. Sowohl für eine vorzeitige als auch eine spätere Einschulung sind schulärztliche Gutachten notwendig.

War das schon immer so?

Bis 2008 galt der Stichtag 30. Juni – damit waren Kinder beim Schuljahresbeginn mindestens einen Monat lang sechs Jahre alt. Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte eine Vorverlegung des Einschulungsalters angeleiert. Ursprünglich sollte der Stichtag schrittweise sogar bis auf den 31. Dezember geschoben werden. Der politische Wille zielte damals darauf ab, Kinder früher zu fördern und die Schulzeit zu verkürzen. Auch erste Forderungen nach einem Abitur nach acht Jahren fallen in diese Zeit. Nach dem Regierungswechsel fror die rot-grüne Regierung den Stichtag auf dem 30. September ein.

Was sagen Kritiker zur geltenden Regelung?

Die jüngsten Kinder seien oftmals überfordert, es mangele an Konzentrationsfähigkeit oder Durchsetzungsvermögen. Das befürchtet zum Beispiel Sylvia Montanino. Die 41-Jährige Essenerin hat die Online-Petition im Portal „Open Petition“ angeschoben. „Die Kindheit ist einfach die schönste Zeit und ich will, dass unsere Kinder davon soviel bekommen, wie sie brauchen“, sagt sie und spricht damit vielen Eltern und Grundschullehrern aus der Seele.

Was halten die Gewerkschaften und Berufsverbände von der Petition?

Unterstützung bekommen sie von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Grundschulverband. Beide fordern seit Jahren eine Rückkehr zur alten Stichtagsregelung. „Die Jüngsten können einfach nicht immer mithalten“, sagt Dorothea Schäfer, GEW-Vorsitzende in NRW. Baldur Bertling, Sprecher des Grundschulverbands ist überzeugt: „Je jünger die Kinder, desto größer das Bedürfnis nach spielerischem Lernen - das geht zu Lasten der gesamten Lerngruppe.“

Was sagt Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu dem Protest?

Auf die Petition und ihren Zuspruch angesprochen reagiert das Schulministerium zurückhaltend: „Der Einschulungsstichtag ist schulgesetzlich geregelt und es gibt keine Bestrebungen, Änderungen vorzunehmen“, heißt es in einer Stellungnahme. Gebauer habe bereits nach ihrer Amtsübernahme auf die Elternwünsche reagiert. Seither können Schulleiter bei ihrer Entscheidung neben dem schulärztlichen Gutachten auch weitere von den Eltern vorgelegte Stellungnahmen von Fachärzten oder Therapeuten einbeziehen.

Was sagen Bildungsforscher zu der Frage?

Zur Frage des richtigen Einschulungsalters gehen die Meinungen unter Bildungsforschern auseinander. Während einige Forscher eine frühzeitige Förderung im Sinne der Chancengleichheit für wichtig erachten, sehen andere Startchancen durch zu frühe Einschulung gefährdet. Gegen starre Stichtagsregelungen und für einen Einschulungskorridor, wie ihn auch die Petition vorschlägt, plädiert beispielsweise Nele McElvany. „Es gibt große individuelle Entwicklungsunterschiede bei den Kindern“, sagt die Leiterin des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund.

Zu berücksichtigen sei auch die kognitive, soziale und emotionale Reife der Kinder. „Wir haben in dem Alter Kinder, die sind noch sehr sensibel, verspielt oder konfliktscheu“, so die Expertin. Allerdings sollten nicht die Eltern in solchen Zweifelsfällen das letzte Wort haben: „Es braucht Fachwissen, um das zu beurteilen. Auch die Kindergärtnerinnen und Schulleitungen gehören mit an den Tisch.“

(dpa)