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Arlon: Eingenickter Marc Dutroux ist nicht im Bilde

Arlon : Eingenickter Marc Dutroux ist nicht im Bilde

Der Prozess gegen Marc Dutroux beginnt mit einer Überraschung.

Nachdem die Verhandlung wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen mit 40-minütiger Verspätung eröffnet wird, lässt der mutmaßliche Kindermörder über seinen Rechtsbeistand den Gerichtspräsidenten Stéphane Goux wissen, dass er weder gefilmt noch fotografiert werden will.

So kommt es, dass die Bildagenturen Dutroux nur mit verdeckten Augen zeigen dürfen. Die ersten Bilder, die über den Ticker laufen, zeigen Dutroux jedoch noch ohne Balken im Gesicht.

Nur einmal meldet sich der Hauptangeklagte beim Debüt „seines” Prozesses zu Wort. Als der Vorsitzende Richter ihn bittet, seinen Namen und Vornamen, sein Alter, seinen Beruf und seinen Wohnsitz zu nennen, antwortet Belgiens meist gehasster Krimineller: „Dutroux, Marc, 47 Jahre, im Augenblick ohne Beruf, wohnhaft im Gefängnis von Arlon.”

Überhaupt nicht zu interessieren scheinen Dutroux jene Bürger und Bürgerinnen, die am Ende über seine Schuld zu befinden haben: die Geschworenen. Als die Jury gebildet wird, muss Gerichtspräsident Goux den Anwalt von Dutroux, Xavier Magnée, darauf aufmerksam machen, „dass sich ihr Mandant im Halbschlaf befindet”.

Offensichtlich ist der 47-Jährige, der genauso wie Martin, Lelièvre und Nihoul hinter einer Glasscheibe Platz nehmen muss, und während der Sitzung nur per Telefon Kontakt mit seinen Anwälten hat, eingenickt.

Weil es sich im vorliegenden Fall um einen außergewöhnlich langen Prozess handelt, der voraussichtlich zweieinhalb Monate dauern wird, nimmt die Zusammenstellung der Geschworenen-Jury an diesem Montag fast den ganzen Tag in Anspruch.

Aus einer Liste von 180 Kandidaten, die alle persönlich in Arlon vorstellig werden müssen, werden zwölf Geschworene und ebenso viele Stellvertreter per Losentscheid auserkoren.

Zuvor hat der Großteil der Kandidaten aus beruflichen, familiären oder sonstigen Gründen den Antrag gestellt, nicht als Jurymitglied berücksichtigt zu werden. Sie erscheinen entweder mit einem Schreiben ihres Arbeitgebers, der auf die Probleme verweist, die eine fast dreimonatige Abwesenheit ihres Angestellten für die Firma zur Folge hätte, oder ihres Arztes, der ihnen bescheinigt, für einen derart aufwändigen Prozess nicht fit genug zu sein.

Es gibt auch Mütter, die anmerken, ihre Kinder unmöglich so lange alleine lassen zu können. Ein anderer Kandidat gibt zu bedenken, dass er sich in nächster Zeit vor einem anderen Gericht wegen Körperverletzung verantworten müsse und deshalb nicht als Geschworener am Dutroux-Prozess teilnehmen wolle. Ein Restaurant-Betreiber fürchtet, sein Lokal für die Dauer des Dutroux-Prozesses schließen zu müssen, weil er niemanden habe, der ihn vertreten könne.

Die gleichen Bedenken hat ein Landwirt. Ein Kandidat gibt allen Ernstes an, weder lesen noch schreiben zu können. Eine Mutter verweist darauf, dass sie Kinder im Alter von Julie Lejeune und Melissa Russo habe und emotional nicht in der Lage sei, sich eine objektive Meinung zu bilden. Eine andere Frau behauptet, selbst im Alter von 15 Jahren Opfer sexueller Gewalt gewesen zu sein.

Gegen 14.20 Uhr ist es soweit: Die Jury von sechs Männern und sechs Frauen und deren Stellvertreter kann eingesetzt werden. Äußerst streng sind die Sicherheitsvorkehrungen in Arlon.

Der Prozess beginnt verspätet, weil am Eingang des Gerichtsgebäudes jede Person gleich zwei Mal nach Waffen durchsucht wird. Lange müssen die rund 200 Journalisten vor dem Gebäudeeingang Schlange stehen, ehe ihnen gestattet wird, in einem der beiden Hörsäle Platz zu nehmen, wo sie das Geschehen per Video verfolgen können. Aus organisatorischen Gründen steht zur Prozesseröffnung keinem Journalisten ein Platz zur Verfügung.

15 Plätze für die Presse

Ab Dienstag sind der Presse im Saal 15 Plätze vorbehalten. Alle anderen Berichterstatter müssen mit einem Platz im Hörsaal vorlieb nehmen. Auch Publikum gibt es am Montag mangels Platz erst ab 15.30 Uhr.

Nicht ganz uneigennützig handelt die Firma „Red Bull”, die Getränkedosen an die vor dem Gerichtsgebäude wartenden Journalisten und Polizisten verteilen will, daran aber gehindert wird. Schon letzte Woche hatte der Bürgermeister von Arlon, Guy Larcier, erklärt, er werde nicht zulassen, dass jemand aus diesem Prozess einen finanziellen Nutzen ziehen werde.

Der Koordinator der Sicherheitsdienste, Jean-Yves Schul, zeigt sich zufrieden mit dem Verlauf des ersten Prozesstages. Nur in der Nacht zum Sonntag musste die Polizei eingreifen, als jemand versuchte, am Gerichtsgebäude eine Schlinge anzubringen, mit der Dutroux sinnbildlich erhängt werden sollte.