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Region: Einen Tag mit den Räubern unterwegs im Karneval

Region : Einen Tag mit den Räubern unterwegs im Karneval

Es ist kurz vor 11 Uhr an einem Sonntagmorgen Anfang Januar. An einer Tankstelle direkt an der Autobahn in Richtung Köln herrscht schon Hochbetrieb. Der Wagen wird noch schnell vollgetankt, ein Kaffee zum Aufwärmen getrunken, und dann geht es los. An der Tanke in Bocklemünd trifft sich an diesem Morgen eine der bekanntesten kölschen Bands und startet ihre Reise durch den Karneval.

Unsere Redakteurin Sonja Essers begleitet die Räuber und ihre Crew einen Tag und blickt hinter die Kulissen des Kölner Karnevals.

 Seit dem Jahr 2015 ist Andreas Dorn ein Teil der Band. Er spielt Gitarre.
Seit dem Jahr 2015 ist Andreas Dorn ein Teil der Band. Er spielt Gitarre. Foto: Sonja Essers

10.53 Uhr: Mittlerweile sind alle Bandmitglieder eingetrudelt und mit Kaffee versorgt. Es ist noch früh in der Session, aber dennoch sehr intensiv. 13 Auftritte — und 400 Kilometer — haben Sänger Torben Klein, Keyboarder Kurt Feller, Schlagzeuger Wolfgang Bachem, Gitarrist Andreas Dorn und Bassist und Gitarrist Jürgen Gebhart in den beiden zurückliegenden Tagen absolviert. An diesem Sonntag stehen fünf Auftritte auf dem Programm. Ein eher entspannter Tag — meinen zumindest die Musiker. Schließlich stehen in der Session — von Anfang Januar bis Rosenmontag — fast 200 Auftritte auf dem Terminplan. Bis zu zehn Stück an einem Tag. Ein Job, der an der Gesundheit zehren kann. Das merkt auch Sänger Torben Klein. Aus dem Urlaub ist er mit einer Erkältung zurückgekehrt. Ob seine Stimme durchhält?

 Bassist und Gitarrist Jürgen Gebhart ist ebenfalls seit dem Jahr 2015 ein Mitglied der Formation.
Bassist und Gitarrist Jürgen Gebhart ist ebenfalls seit dem Jahr 2015 ein Mitglied der Formation. Foto: Sonja Essers

11.06 Uhr: Tee und Halspastillen gehören im Tourbus zur Grundausstattung. Seit sechs Jahren ist Torben Klein ein festes Mitglied der Band. Vorher war der Würselener Frontmann bei der Band De Boore. Als er hörte, dass die Räuber einen neuen Sänger suchen, rief er Keyboarder Kurt Feller an, kam zur Probe, „und nach zwei Tagen hat man mir dann gesagt, dass ich die Stelle bekomme“, sagt Klein. In Würselen wohnt er nun nicht mehr, sondern in Köln. „Es ist wichtig, dass man auch vor Ort ist und Präsenz zeigt“, sagt er. Seit Mitte des vergangenen Jahres ist er auch Frontmann der Räuber. Gründungsmitglied Karl-Heinz Brand hatte sich in den Ruhestand verabschiedet.

 Das letzte noch aktive Gründungsmitglied: Kurt Feller.
Das letzte noch aktive Gründungsmitglied: Kurt Feller. Foto: Sonja Essers

11.30 Uhr: Der erste Stopp ist bei der Gesellschaft Ludendorfer Jonge in Swisttal. Auf der Herrensitzung geht die Post ab. Das wird bereits beim Aussteigen aus dem Bus deutlich. „Oh, oh, oh, oh, oh, oh“ aus dem Lied „Seven Nation Army“ ertönt. Comedian Markus Krebs und die kölsche Formation Cat Ballou stehen vor den Räubern auf der Bühne. Laut Zeitplan sind die Musiker erst um 12.30 Uhr dran. Genug Zeit für einen Kaffee. Das denken sich auch Andreas Dorn und Jürgen Gebhart. Die beiden sind die Frischlinge der Band und erst seit 2015 dabei.

 Dieser Mann sorgt am Schlagzeug stets für den richtigen Rhythmus: Wolfgang Bachem.
Dieser Mann sorgt am Schlagzeug stets für den richtigen Rhythmus: Wolfgang Bachem. Foto: Sonja Essers

12.21 Uhr: Die Crew rollt die Instrumente rein. Während der Session wird die Band in der Regel von vier Crew-Mitgliedern begleitet. Heute sind Antonio Meloni, Mustafa Kabil, Alejandro Díaz de León — der jede Session aus Mexiko anreist — und Michael Nebel dabei. Unverzichtbar ist auch Siggi Schäfer, Fahrer und Chef-Techniker der Kombo. „Unsere Crew ist unser sechster Mann“, sagt Schlagzeuger Wolfgang Bachem. Ohne sie müssten die Musiker die Instrumente selbst aus dem Auto hieven, in den Saal tragen und aufbauen. Auch den richtigen Sound hinzukriegen, ist Aufgabe der Crew. Sie müssen schnell sein. Wie schnell, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Schunkeln und singen: Wo die Räuber auftreten, kocht die Stimmung. Dabei spielt es keine Rolle, ob Auftritte bei Damen- oder Herrrensitzungen auf dem vollen Tourplan der Musiker stehen.
Schunkeln und singen: Wo die Räuber auftreten, kocht die Stimmung. Dabei spielt es keine Rolle, ob Auftritte bei Damen- oder Herrrensitzungen auf dem vollen Tourplan der Musiker stehen. Foto: Sonja Essers

12.43 Uhr: Mit ein wenig Verzug entert die Band die Bühne. Die ersten Klänge von „Wenn et Trömmelche jeit“ ertönen, und schon stimmt der ganze Saal mit ein und singt „Kölle Alaaf“. Auch das Schunkeln klappt. Und wie kommt der neue Titel an? „Wir nehmen jetzt mal alle Händchen nach oben“, ruft Sänger Torben Klein ins Mikrofon. Alle Männer heben ihre Arme. Der Sessionstitel der Band heißt „Für die Iwigkeit“ und wird als Karnevalshit des Jahres gehandelt. Das bekommen die Musiker an diesem Tag immer wieder zu hören — auf und hinter der Bühne.

Autogramme müssen die Musiker nur noch selten geben. Dafür stehen Selfies hoch im Kurs.
Autogramme müssen die Musiker nur noch selten geben. Dafür stehen Selfies hoch im Kurs. Foto: Sonja Essers

13.39 Uhr: Wieder zurück im Tourbus wickelt Sänger Torben Klein einen dicken Schal um seinen Hals. Auch die Stimme von Jürgen Gebhart klingt angeschlagen. Während der Session gesund zu bleiben, sei das A und O. Wasser, belegte Brote und Gemüsesticks haben deshalb alle dabei. Ab und zu gibt’s auch was vor Ort. So wie in Hürth-Efferen. Auf der Herrensitzung der 1. Efferen KG wird hinter der Bühne stets eine Suppe serviert. In diesem Jahr stärkt man sich mit Käse-Lauchcreme-Suppe. Dazu gibt es Mandarinen.

 Auf- und Abbau in kur- zer Zeit ist die Aufgabe von Cheftechniker und Fahrer Siggi Schäfer.
Auf- und Abbau in kur- zer Zeit ist die Aufgabe von Cheftechniker und Fahrer Siggi Schäfer. Foto: Sonja Essers

13.50 Uhr: Während Redner Jupp Menth als Kölscher Schutzmann den Saal zum Toben bringt, findet hinter der Bühne ein Treffen der besonderen Art statt. Nach den Räubern ist Rumpelstilzche Fritz Schopps an der Reihe. Er und Keyboarder Kurt Feller kennen sich bestens. Schließlich unterrichtete Schopps das Gründungsmitglied der Räuber in Englisch und Mathematik. Das ist jedoch nicht die einzige Bekanntschaft, die Feller seit der Schulzeit begleitet. Auch Schlagzeuger Wolfgang Bachem lernte er in der Schule kennen. Damals musizierten die beiden — wie könnte es anders sein — gemeinsam auf der Karnevalssitzung der Schule. „Danach haben wir beschlossen, dass wir das ruhig öfter machen können“, sagt Bachem und lacht.

 Wenn ein Instrument den Geist aufgibt, muss schnell gehandelt werden.
Wenn ein Instrument den Geist aufgibt, muss schnell gehandelt werden. Foto: Sonja Essers

14.12 Uhr: Wieder auf die Bühne. Und wieder mit dem „Trömmelche“. Doch bereits nach wenigen Takten sprintet Techniker Antonio Meloni auf die Bühne. Am Schlagzeug stimmt etwas nicht. Die Base-Drum ist nicht mehr zu hören. Jetzt zählt jede Sekunde. Meloni sprintet zum Wagen und kommt mit neuer Fußmaschine zurück. Das Programm läuft weiter, und weder Schlagzeuger Wolfgang Bachem noch die anderen Bandmitglieder lassen sich anmerken, dass es ein kleines Problem gab. Profis eben!

14.48 Uhr: Zurück im Bandbus. Schlagzeuger Wolfgang Bachem nutzt die Fahrt, um seine Fußmaschine zu reparieren. Eine Feder war gerissen, er baut geschickt eine neue ein. Auf die Frage, ob er im ersten Moment in Panik ausgebrochen sei, antwortet er: „Wichtig ist, dass man in solchen Situationen die Ruhe bewahrt. Alles andere bringt nichts.“ Immer wieder könne es vorkommen, dass Federn, Felle am Schlagzeug oder Saiten der Gitarre reißen. So ist das eben, wenn man live Musik macht. Für solche Situationen sind Band und Crew gewappnet. Zahlreiche Ersatzteile und Instrumente sind mit auf Tour.

15.25 Uhr: Premiere für die Band. Der nächste Auftritt steht in Odenthal-Eikamp an. Dort veranstaltet die Gesellschaft Chris Di Ro Go eine Sitzung für die ganze Familie. Zunächst muss jedoch der Eingang gefunden werden. Doch auch das ist kein Problem. Wäre doch gelacht, wenn Fahrer und Cheftechniker Siggi Schäfer diese Aufgabe nicht meistern würde. Immerhin fährt er die Band schon seit 26 Jahren. „Und es macht noch immer großen Spaß“, sagt er.

15.36 Uhr: Fotos mit kleinen und großen Fans gehören für die Band dazu. Besonders beliebt sind die Ansteckpins, die in diesem Jahr den Schriftzug des Sessionstitels „Für die Iwigkeit“ tragen. Autogrammkarten sind hingegen kaum noch gefragt. „Die meisten wollen heute ein Selfie machen“, sagt Sänger Torben Klein. Das machen die Musiker natürlich gerne.

16.17 Uhr: Bei der Zugabe — in diesem Jahr ist es der Song „Die Rose“ — schunkelt auch die Crew mit. Abgebaut wird danach in Windeseile. Die Nächsten warten auf ihren Auftritt. Die Jungs von Cat Ballou treffen die Räuber heute schon zum dritten Mal. Von Konkurrenz ist jedoch keine Spur. „Mit den anderen Gruppen versteht man sich gut. Mit manchen ist man auch befreundet“, sagt Wolfgang Bachem.

16.43 Uhr: Es geht in die Kölner Innenstadt — genauer gesagt ins Maritim Hotel. Der Rhein ist bereits über die Ufer getreten, und im Sitzungssaal steht auch dem einen oder anderen Besucher das kölsche Nass bis zum Hals. Da kann es auch schon einmal passieren, dass die Räuber mit den Höhnern verwechselt werden und sie im Foyer mit dem Lied „Ich ben ’ne Räuber“ begrüßt werden. Die Musiker nehmen es mit Humor. Die eine oder andere Fotosession kann schon einmal ein wenig länger dauern, weil die Besucher aus Versehen den Fußboden knipsen. Passiert. Genau wie die Schlägerei vor dem Hotel. Die bekommt die Band allerdings nicht mehr mit.

18.10 Uhr: Der letzte Auftritt für heute: eine Mädchensitzung in Hürth-Knapsack. Ein Spritzer Parfüm, ein T-Shirt-Wechsel, und schon sind die Musiker wieder frisch. Bereits im Eingang wird Torben Klein mit Applaus empfangen. „Wir freuen uns auf euch“, sagen die verkleideten Damen. Da darf ein Selfie natürlich nicht fehlen.

19.20 Uhr: Die Mädels schunkeln zu den Klängen von „Dat es Heimat“ und wollen die Kombo gar nicht von der Bühne lassen. Doch auch der schönste Auftritt hat einmal ein Ende. Von der Bühne geht es in den Tourbus. Vorher verabschieden sich noch Musiker und Crew voneinander.

20.05 Uhr: Der Schriftzug der Tankstelle in Bocklemünd ist zu erkennen. Ein langer Tag geht für die Räuber zu Ende. Den Abend will jeder gemütlich auf der Couch ausklingen lassen. Bis zum nächsten Auftrittsmarathon der Session ...