NRW am teuersten : Eigenanteile für Pflege im Heim steigen weiter
Berlin/Düsseldorf Die Kosten für Pflegeheimbewohner und ihre Angehörigen steigen und steigen. Und in NRW bleiben sie am höchsten. Kommen in diesem Jahr noch Entlastungen?
Auf diesen Spitzenplatz würde viele in NRW wohl gerne verzichten: Die Kosten für Pflegeheimbewohner und ihre Angehörigen sind hier im Bundesländer-Vergleich weiter am höchsten. Der selbst zu zahlende Anteil steigt im bevölkerungsreichsten Bundesland auf im Schnitt nun 2460 Euro pro Monat, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen mit Stand 1. Januar hervorgeht. Das sind 55 Euro mehr als ein halbes Jahr zuvor. Dazu kommt die bundesweite Tendenz, dass die Betreuung im Heim immer teurer wird.
Nordrhein-Westfalen liegt seit langem an der Spitze bei den selbst zu zahlenden Pflegekosten. Untersucht hat dieses Phänomen vor einigen Jahren der Medizinmanagement-Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Es habe sich dabei unter anderem herausgestellt, dass in den Heimen in NRW mehr und älteres Personal arbeite, die Tarifbindung höher sei und weniger Wettbewerb mit privaten Trägern bestehe. Auch habe sich gezeigt, dass in stärker ländlich geprägten Bundesländern einige Kosten für die Pflegeheime niedriger seien. Er nehme an, dass sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich nichts geändert habe, so der Experte.
Eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums betonte, die Landesregierung beobachte die Entwicklungen der steigenden Heimkosten stetig und arbeite „kontinuierlich daran Lösungen zu finden, mit denen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen entlastet werden können“.
Im Vergleich mit anderen Bundesländern gibt es große Unterschiede. Am niedrigsten ist etwa die finanzielle Belastung für Heimbewohner in Sachsen-Anhalt mit durchschnittlich 1465 Euro im Monat – also rund 1000 Euro geringer als in NRW. Der Bundesschnitt lag zum Jahresbeginn etwa in der Mitte bei 2068 Euro pro Monat.
In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen daneben aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen dazu. Der Eigenanteil allein für die reine Pflege stieg nun im bundesweiten Schnitt auf 831 Euro, nachdem es zum 1. Januar 2020 noch 731 Euro gewesen waren.
Im Ländervergleich am höchsten ist er weiter in Baden-Württemberg mit jetzt durchschnittlich 1121 Euro. In NRW liegt er bei 854 Euro. Auch bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung gibt es bundesweit eine große Spanne: von 593 Euro in Sachsen-Anhalt bis 1051 Euro in Nordrhein-Westfalen. Der Bundesschnitt liegt bei 779 Euro.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Entlastungen für die Pflegebedürftigen. Seit dem Amtsantritt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei in NRW der Eigenanteil um 9 Prozent (Bund: 13 Prozent) gestiegen, sagte Vorstand Eugen Brysch. Das liege an notwendigen Gehaltsanpassungen und gestiegenen Investitionskosten, die die Länder nicht mehr bezuschussten. „Es wird Zeit, dass die Pflegeversicherung den Pflegekosten-Anteil komplett übernimmt. Die Restkosten zahlt der Pflegebedürftige selbst“, so Brysch.
Auch der ehrenamtliche Vorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Uwe Klemens, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Betroffenen bräuchten Unterstützung. Die geplante Pflegefinanzreform müsse daher noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden. „Wenn bei den Eigenanteilen nichts geschieht, dann werden immer mehr Menschen auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein.“ Bereits heute betreffe dies rund zehn Prozent aller Pflegebedürftigen.
Bundesgesundheitsminister Spahn hat Eckpunkte für eine Reform vorgestellt, um bei den Belastungen gegenzusteuern. Demnach sollen maximal 700 Euro pro Monat als Eigenanteil für die reine Pflege zu zahlen sein, begrenzt auf 36 Monate. Das Konzept sieht unter anderem auch einen dauerhaften Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung und eine leichte Anhebung des Zuschlags auf die Pflegebeiträge für Versicherte ohne Kinder um 0,1 Prozentpunkte vor.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) unterstütze grundsätzlich die Reformankündigungen Spahns, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Bei allen Überlegungen sei es wichtig, die Entwicklung der Beiträge im Auge zu behalten. Es müsse ein „gerechtes Maß gefunden werden zwischen den von den Betroffenen zu leistenden Eigenanteilen und der Belastung der Beitragszahler in der Pflegeversicherung“. Zu bedenken sei auch, „dass die Corona-Pandemie zu erhöhten Ausgaben in der Pflegeversicherung geführt hat und immer noch führt“.