Parteimitglieder in NRW : Die Großen verlieren, die Kleinen gewinnen
Düsseldorf Von Dorothea Hülsmeier, dpa - Liegt es an der Problem-Groko in Berlin? Die kleinen Parteien in NRW sind im Aufwind. Überraschend erscheint der Zuwachs vor allem bei einer Partei.
Die Volksparteien lassen Federn, die kleinen Parteien gewinnen hinzu: CDU und SPD in Nordrhein-Westfalen haben 2018 Mitglieder verloren. Die Grünen sind im Höhenflug. Auch FDP, Linke und besonders die rechtspopulistische AfD konnten Mitgliederzuwächse verbuchen. Die monatelangen Konflikte in der großen Koalition haben offenbar auch in der NRW-Parteienlandschaft Spuren hinterlassen.
Rund 3370 Mitglieder verlor die CDU kontinuierlich im ablaufenden Jahr. Mit knapp 125.100 Mitgliedern Ende November stellt sie trotzdem immer noch den stärksten Parteiverband in NRW. Die meisten Mitglieder verliert die CDU laut Landesverband weiterhin durch den Tod. Das Durchschnittsalter der Parteimitglieder liegt bei rund 61,5 Jahren.
Wie sich die Kampfabstimmung um den CDU-Bundesvorsitz auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Seit dem CDU-Parteitag in Hamburg am 7. Dezember, als Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde und der Sauerländer Friedrich Merz nur knapp unterlag, verzeichne der NRW-Landesverband einige Ein- und Austritte, „aber nicht in ungewöhnlicher Höhe“, sagt eine Sprecherin. „Es gibt momentan keine Anzeichen dafür, dass reihenweise enttäuschte Mitglieder oder Merz-Anhänger austreten.“
Im November und Dezember habe es nach vorläufiger Bilanz sogar mehr Eintritte in die CDU gegeben als Austritte, sagt Ministerpräsident und CDU-Landeschef Armin Laschet. Er führt das auf den offenen Diskussionsprozess in der CDU zurück, in der es erstmals seit vielen Jahren wieder mehrere Bewerber um den Bundesvorsitz gab.
Bei der SPD ist der Höhenflug von 2017, als eine Rekordzahl von Eintritten verzeichnet wurde, vorerst gestoppt. Die Zahl der Mitglieder sank im Jahr 2018 um rund 2000 auf 109.000 Ende November. Ein- und Austritte hielten sich mit rund 7000 etwa die Waage. Rund 2000 Mitglieder verlor die NRW-SPD nach Angaben des Landesverbands durch den Tod. Wie bei der CDU gehören auch die meisten SPD-Mitglieder der Senioren-Generation an.
Eine besondere große Eintrittswelle verzeichnete die NRW-SPD Anfang des Jahres: Die Jamaika-Sondierungen nach der Bundestagswahl waren gescheitert, über den danach ausgehandelten Koalitionsvertrag für eine Neuauflage der großen Koalition durften alle SPD-Mitglieder abstimmen. Die Jusos trommelten für Parteieintritte und hofften so, die GroKo noch verhindern zu können. „Es war ein bewegtes Jahr“, heißt es in der Landes-SPD.
NRW-Generalsekretärin Nadja Lüders freut sich über alle neuen Mitglieder. „Es ist ein gutes Zeichen für unsere Demokratie, dass in Zeiten von Trump, Brexit und plumpem Populismus so viele Menschen zur Sozialdemokratie kommen und sich der Spaltung der Gesellschaft mutig entgegenstellen.“
Im Höhenflug - nicht nur in Umfragen - sind die GRÜNEN: Mit mehr als 14.800 Mitgliedern erreichten sie einen Rekordwert in ihrer fast 40-jährigen NRW-Parteigeschichte. Fast 1600 neue Mitglieder gewann die Öko-Partei 2018 dazu. Als Faktoren nennen die Vorsitzenden Mona Neubaur und Felix Banaszak den Grünen-Einsatz gegen die Abholzung des Hambacher Forstes, den Kampf gegen Rechts und die Debatte um einen gerechteren Sozialstaat. „Viele Neumitglieder sind mit dem Ziel zu uns gekommen, die Welt ein Stück besser zu machen“, sagt Banaszak. „Wir zeigen klare Haltung und das kommt bei den Menschen auch an“, sagt Neubaur.
Die FDP, seit 2017 in der Koalition mit der CDU in Regierungsverantwortung, konnte ihre Mitgliederzahl 2018 um rund 500 auf mehr als 17 500 steigern. In der Vergangenheit seien Jahre, in denen nicht gewählt wurde, oft mit einem Mitgliederrückgang verbunden gewesen, heißt es bei der Partei.
Auch die LINKE in NRW, die im Landtag nicht vertreten ist, freut sich über einen Zuwachs um 367 auf 8184 Mitglieder. Mehr als 60 Prozent der neuen Mitglieder seien jünger als 35 Jahre und hätten sich vorher noch nicht in einer Partei engagiert, hieß es.
Die Überraschung ist die AfD. Der kleinste Parteiverband wuchs proportional am stärksten. Mehr als 1000 neue Mitglieder begrüßten die Rechtspopulisten nach Angaben des Landesverbandes 2018 in ihren Reihen. Die AfD, die seit der NRW-Wahl 2017 auch im Landtag sitzt, hatte demnach Mitte Dezember landesweit 5272 Mitglieder. Vor allem im Ruhrgebiet, aber auch im „saturierten und feinen Münster“ habe es Zuwächse gegeben, sagt ein Sprecher. Unter anderem sei das langwierige Aufnahmeverfahren beschleunigt worden.