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Der Förderturm in Kamp-Lintfort wird fit gemacht für die Zukunft

Turbo-Abschied von der Kohle : Der Förderturm in Kamp-Lintfort wird fit gemacht für die Zukunft

Als in Kamp-Lintfort 2012 die Zeche dicht machte, war das ein harter Schnitt für die Stadt. Aber seit dem Zuschlag für die Landesgartenschau war keine Zeit für Grabesstimmung.

Von diesem Förderturm in Kamp-Lintfort kann man so weit in den Niederrhein gucken wie kaum woanders: Bis zur weit entfernten Silhouette des Steinkohlekraftwerks Walsum bei Duisburg geht der Blick. Noch ist der elegante Beton-Förderturm der früheren Steinkohlezeche Friedrich-Heinrich eingerüstet und verpackt, als hätte Verpackungskünstler Christo Hand angelegt. Aber hinter dieser Hülle machen Handwerker den Turm für die nächsten Jahrzehnte standsicher - und schön für die Landesgartenschau.

Nach der Eröffnung am 17. April wird der Turm mit seiner Besucherplattform eine der Attraktionen auf dem Gelände sein. Daran zweifelt niemand hier. Das Areal mitten in der Stadt wandelt sich in Turbo-Geschwindigkeit. Beschleuniger ist die Gartenschau, die in einem halben Jahr auf 25 von 40 Hektar beginnt und bis zum 11. Oktober dauern soll.

Jetzt gehts noch mit dem sehr luftigen Handwerker-Aufzug nach oben auf die Besucher-Plattform. Der Wind bläst in rund 70 Meter Höhe. Drinnen stehen noch die schweren Fördermaschinen wie für die Ewigkeit gebaut. Der Ruß hängt an weißen Wandfliesen. Aber Kohle wird hier seit Ende 2012 nicht mehr gefördert.

2500 Arbeitsplätze gingen in der Stadt mit der Schließung verloren. Trotzdem erzählt Andreas Iland die Geschichte eines Gewinners. Der frühere Wirtschaftsförderer ist jetzt in der Geschäftsführung der Landesgartenschau (Laga) und gehört damit zu den Treibern des schnellen, ehrgeizigen Wandels.

Normalerweise kann es nach einer Zechenschließung ohne weiteres mal zehn Jahre dauern, bis der erste Abrissbagger kommt. Anders hier: Sieben Jahre nach der letzten Kohle wird in Kamp-Lintfort schon vermarktet. „Normalerweise kommt erst der Abbruch und dann die Sanierung. Hier lief alles parallel“, macht Iland deutlich, mit welchem Tempo Stadt und der Immobilienvermarkter des Zechenbetreibers RAG unterwegs sind. Die ersten Bäume wurden noch während der Abbrucharbeiten gepflanzt, die modellierten Anhöhen - der kleine und der große Fritz - sind aufgeschüttet, die Wiesen sind grün, Ziersteine und Platten verlegt, der Spielplatz gebaut. Die Uhr läuft.

Schöne Backsteinbauten

Der historische Charme des Standorts wird durch den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude bleiben - schöne Backsteinbauten mit Schmuckstücken wie der Lohnhalle im Jugendstil. Bis zu 80 Prozent der Bestandsgebäude sind nach Angaben der RAG-Immobilien schon verkauft. Die Hochschule hat ein Gebäude bezogen und endlich haben die Kamp-Lintforter auch wieder ein Kino, das ein Investor gebaut hat. Und mit der Gartenschau wird die Stadt auch wieder einen Bahnanschluss bekommen.

Die frühere Bergbaustadt untermauert eine frühere Feststellung der NRW-Heimat- und Bauministerin Ina Scharrenbach: Landesgartenschauen seien bedeutende Gestaltungsprojekte für die individuelle Stadtentwicklung. Von den rund 31 Millionen Euro Investitionskosten werden in Kamp-Lintfort knapp 23 Millionen gefördert.

Dass nach der Schau ein Teilbereich der Fläche als Parklandschaft bleiben soll, macht das Areal als Wohnquartier attraktiv, meint Frank Schwarz vom Immobilienvermarkter des Zechenbetreibers RAG. Es gebe erste Anfragen von Investoren. Die wachsende Stadt rechnet dort mit bis zu 1000 neuen Wohnungen.

„In der Arbeitslosenstatistik hat sich die Zechenschließung nicht bemerkbar gemacht“, sagt Iland. Die Logistikunternehmen, die sich mit rund 750 Arbeitsplätzen auf dem früheren Kohlelager angesiedelt haben, hätten den Verlust abgepuffert. Iland betont, wie wichtig es für die Stadt war, den Hebel so schnell umzulegen. „Das schlimmste ist, wenn man eine Brache in der Innenstadt hat und es tut sich nichts. Das wäre dann eine Stimmung wie auf dem Friedhof.“

(dpa)