Zum Rücktritt von Ministerin Heinen-Esser : Der abrupte Absturz einer Hoffnungsträgerin
Düsseldorf Viele in NRW haben in Ursula Heinen-Esser Potenzial gesehen für höhere Weihen. Jetzt bringt sie die Regierung Wüst kurz vor der Landtagswahl ins Trudeln. Der Ministerpräsident zieht die Notbremse.
Hoch gehandelt - tief gefallen: Die einst als große CDU-Hoffnungsträgerin in Nordrhein-Westfalen gestartete Umweltminsterin Ursula Heinen-Esser muss zurücktreten. Der Grund: ein Mallorca-Aufenthalt während der Flutkatastrophe im Juli 2021 und eine anschließende Geburtstagsfeier mit eingeflogenen Kabinettsmitgliedern.
Der Kontext: Urlaub und Party fielen in eine Zeit, die in NRW als „Jahrhundertflut“ in die Landesgeschichte eingehen wird. Während die Umweltministerin und ihre Kabinettsfreunde Mallorca genossen, kämpften Tausende Menschen in NRW gegen die verheerenden Folgen des Hochwassers - 49 Menschen verloren allein hier ihr Leben.
„Ich bedaure das Bild, das mein eigenes Handeln und die nachträgliche Darstellung erzeugt hat“, sagt die 56-Jährige am Donnerstag, als sie beim zweiten Auftritt dieses Tages doch noch ihren Rücktritt verkünden muss. „Dieses Bild entspricht nicht dem, wie ich wirklich bin. Aber mit diesem Bild von mir in der Öffentlichkeit ist das notwendige Vertrauen in mich als Ministerin nachhaltig in Frage gestellt.“
Gut fünf Wochen vor der Landtagswahl ist die „Mallorca-Affäre“ für Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein Fiasko - für seinen Herausforderer Thomas Kutschaty hingegen geradezu ein Geschenk. Beide liegen in Wählerumfragen Kopf an Kopf.
„Ihre Reise samt Geburtstagsfeier auf Mallorca war instinkt- und pietätlos“, rief Kutschaty der Ministerin hinterher. Im Untersuchungsausschuss zur Flut habe sie nur auf Druck per Salami-Taktik informiert und vertuscht solange es ging. Jetzt müsse ans Licht, was Wüst von all dem wusste.
Da die Ministerin noch am Mittag an ihrem Amt festhalten wollte, lässt der kurzfristige Meinungswandel nur einen Rückschluss zu: Wüst hat die Reißleine gezogen, um die Mallorca-Affäre nicht bis zur Wahl mit sich schleppen zu müssen. Sie habe ihm den Rücktritt angeboten, er habe angenommen, berichtet Heinen-Esser.
Wüst entscheidet sich damit für ein Ende mit Schrecken: Monatelang hat sich der kaum sechs Monate amtierende junge Regierungschef bemüht, keine Fehler zu machen. Überall trat er ernst und staatsmännisch auf - Fettnäpfen vermied er. Das „Mallorca-Gate“, wie die SPD die Affäre getauft hat, hätte für ihn so fatal enden können wie für seinen Amtsvorgänger Armin Laschet (CDU) 2021 das Lachen im Flutgebiet.
Laschet hatte Heinen-Esser im Mai 2018 in sein Kabinett berufen. Nach einer teils grotesk anmutenden Affäre um einen vermeintlichen Hacker-Angriff zulasten ihrer infolge dessen zurückgetretenen Amtsvorgängerin Christina Schulze Föcking sollte Heinen-Esser wieder Ruhe ins Kabinett bringen.
In derselben Wahlperiode ist es nun aber erneut eine Umweltministerin im NRW-Kabinett, die die schwarz-gelbe Landesregierung heftig unter Druck bringt. Schon seit Wochen hat sie mit ihrem Lavieren in der Mallorca-Affäre Negativ-Schlagzeilen produziert.
Zum entscheidenden Sprung in eine hoffnungsvolle Politiker-Karriere hatte die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Kölner Historiker-Tochter verholfen, als sie Heinen-Esser 2007 zur Parlamentarischen Staatssekretärin ins Bundesagrarministerium berief. Bis 2013 arbeitete die Diplom-Volkswirtin in dieser Funktion zunächst im Bundesagrar- und später im Bundesumweltministerium. Sie war auch Aufsichtsratschefin der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und von 2016 bis 2018 Geschäftsführerin der Bundesgesellschaft für Endlagerung.
Lange schlug das Herz der ehrgeizigen Kölnerin, die sich seit ihrem Eintritt in die CDU 1983 auch in diversen politischen Gremien ihrer Partei sehr stark vernetzt hat, vor allem für die Bundespolitik. Dem Bundestag gehörte sie von 1998 bis 2013 an. 2012 verzichtete sie auf ein errungenes Landtagsmandat in NRW, um Bundestagsabgeordnete zu bleiben.
Nachdem sie im Herbst 2012 an Brustkrebs erkrankt war, gab die mit einem Rechtsanwalt verheiratete Mutter einer Tochter bekannt, bei der Bundestagswahl 2013 nicht erneut anzutreten. Heinen-Esser konnte die Krankheit überwinden und hat danach öffentlich für Vorsorge-Untersuchungen geworben.
Nach ihrer Berufung in Laschets Kabinett kündigte Heinen-Esser an, für nachhaltigen Umwelt- und Naturschutz, eine moderne Agrarwirtschaft und einen starken Verbraucherschutz anzutreten. Auf ihr Konto geht das bundesweit erste Landesgesetz, das die Kommunen in NRW bei allen politischen Entscheidungen und Planungsvorhaben zu einem „Klima-Anpassungscheck“ verpflichtet.
Vor allem im Vergleich zum Grünen-Umweltminister der rot-grünen Vorgängerregierung, Johannes Remmel, ist es Heinen-Esser aber nicht gelungen, ihr Ressort in der Öffentlichkeit als ein Herzstück der Regierungsarbeit zu präsentieren. Auch im Vergleich zu Mitgliedern ihres Kabinetts - etwa Innenminister Herbert Reul (CDU) - blieb die stets sehr verbindlich und ruhig auftretende Politikerin meist blass - trotz großer Themen wie etwa den Auseinandersetzungen um Waldbesetzer im Hambacher Forst oder „Diesel-Fahrverbote“.
Da Heinen-Esser aktuell kein Landtagsmandat hat, kam sie nach Laschets Wechsel in den Bundestags im vergangenen Herbst wegen der entsprechenden Verfassungsvorgabe nicht als Ministerpräsidentin in NRW infrage. Viele hatten anfangs allerdings Potenzial für höhere Ämter in ihr gesehen. Ihr Verhalten in der „Mallorca-Affäre“ war auch für viele in der Regierungskoalition eine bittere Enttäuschung.