1. Region

Prozess gegen Messerstecher: Das Opfer leidet immer noch an den Verletzungen

Prozess gegen Messerstecher : Das Opfer leidet immer noch an den Verletzungen

Der Prozess gegen einen jungen Stolberger, der mehrere Menschen mit seinem Messer verletzt haben soll, ging am Mittwoch in die nächste Runde. Der Prozesstag begann mit der Aussage des mutmaßlich zweiten Opfers. Die Verteidigung sieht Mitschuld des Zeugen.

Im Fall des mutmaßlichen IS-Sympathisanten Diyako G. (21) aus Stolberg ging es am Mittwoch vor der 3. Großen Jugendkammer am Aachener Landgericht um den blutigen Überfall auf einen 24-jährigen Stolberger türkischer Abstammung, dessen Familie – sie betreibt eine Pizzeria in der Innenstadt – zuvor von dem Angeklagten als „Ungläubige“ beschimpft und massiv bedroht worden war.

In der Nacht vom 12. auf den 13. September des vergangenen Jahres nahm das Unheil für Mustafa S. seinen Lauf. Zuvor war es zu einer Auseinandersetzung im Videochat zwischen dem jüngeren Bruder von Mustafa S. und dem Angeklagten gekommen, der sich bereits länger als eine Art IS-Kämpfer aufführte und der sich bereits im März 2020 im Aachener Ostviertel mit dem Schrei „Allahu Akbar“ am hellichten Tag auf ein Opfer gestürzt und es mit mehreren Messerstichen in den Arm massiv verletzt hatte.

Die Tat in Aachen war sozusagen privater Natur, das damalige Opfer hatte mutmaßlich schlecht über die Lebensgefährtin des selbsternannten Kämpfers gesprochen, die Tat war dann die Rache und Drohung zugleich.

In Stolberg ging es dann im September angeblich um die „reine Lehre“. Ein Foto der Familie des Pizzeria-Betreibers war auf einem AfD-Kommunalwahlplakat zu Werbezwecken missbraucht worden. Das Foto für die rechtsnationale, nach seiner Sicht islamfeindliche, Partei war dem Angeklagten als „unislamisch“ aufgestoßen, er hatte umgehend einen Boykottaufruf für die Pizzeria in den Sozialen Medien gestartet.

Das ging dem jüngeren Bruder des späteren Opfers, er ist der Betreiber der Pizzeria, naturgemäß gegen den Strich. Über das Soziale Netzwerk Instagram gab es einen heftigen Disput zwischen dem Angeklagten und jenem besagten jüngeren Bruder. „Danach dachte ich, dass die Sache erledigt ist“, sagte S. am Mittwoch auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Jürgen Beneking. Doch das war sie nicht. Als das spätere Opfer gegen Mitternacht nach der Arbeit von der Pizzeria heimwärts fuhr, stürzten nach etwa 300 Metern Fahrstrecke zwei Gestalten schreiend auf seinen Wagen zu.

„Es ist dort eine 30er-Zone, ich schaute und hielt vor oder auf dem dortigen Zebrastreifen an“, beschrieb der Zeuge die Situation. Dann sei urplötzlich der Angeklagte, den er sofort als den Kontrahenten aus dem Videochat von vor mehr als einer Stunde wiedererkannte, mit Schreien auf das Auto zugestürmt, habe ein Messer gezogen und durch die offene Scheibe der Fahrertür auf ihn eingestochen.

Er habe in Todesangst den linken Arm hochgerissen und damit einen heftigen Stich von seinem Brustbereich abwenden können. Der Täter entfernte sich kurz, weil er von seinem Begleiter anscheinend zurückgehalten wurde. Doch es ging noch weiter: Er kam zurück, stach jetzt durch die geöffnete Fahrertür in den Innenbereich, wo Mustafa S. noch hilflos und verletzt im Sicherheitsgurt hing. Er stach darüber hinaus sogar wütend auf die Autokarosserie ein.

 „Erst als Gegenverkehr kam, der auch anhielt und Personen ausstiegen“, beschrieb der Zeuge am Mittwoch die Situation, „ließ er ab und lief davon“. Die Folgen für Mustafa S. waren und sind gravierend. Er verlor seinen Job, weil die Armverletzung so schwerwiegend war, dass er bis heute noch nicht alle Finger bewegen kann. Er musste erst kürzlich zum zweiten Mal operiert werden, um zerstörte Nervenstränge im Arm wiederherzustellen.

Wer nun dachte, es handele sich um eine klare Sache, da auch der Täter geständig ist und sich anfangs nur in Detailfragen in ein besseres Licht rücken wollte, hatte nicht mit den zum Teil auf erstaunlichem Unverständnis beruhenden Fragen von Seiten eines Berufsrichters der Kammer und mit Unterstellungen der Verteidigung gegenüber dem Zeugen gerechnet.

Die Verteidigung machte ihren Job, indem sie den Zeugen der Lüge bezichtigte. Tatverdächtiger und Zeuge hätten sich zum Kampf verabredet, klagte man das Opfer an. Doch der Zeuge versicherte glaubhaft, er habe nichts von den Chats gewusst, in denen sich der jüngere Bruder im Überschwang der Emotionen mit dem Islam-Eiferer verabredet habe. Er lief ohne jede Kenntnis in die Messerfalle, die für ihn ebenso auch tödlich hätte enden können. Der Prozess wird nächsten Montag im Aachener Landgericht fortgesetzt.