2G, 2G plus, 3G : Was auf die Menschen in NRW zukommt
Interaktiv Aachen Die Lage in den Krankenhäusern bestimmt künftig, welche Regeln gelten. Wir erläutern, was die Hospitalisierungsinzidenz bedeutet, welche Stufen es gibt und wie die Situation in den Kliniken in NRW ist.
Expertinnen und Experten haben bereits vor Wochen gewarnt, geschehen ist daraufhin wenig und so hat die sogenannte vierte Welle die Bundesrepublik mit voller Wucht erwischt. Jetzt geht es darum, den Schaden so gering wie möglich zu halten und so viele Leben wie möglich zu retten.
Dazu verständigten sich Bund und Länder in ihrer Krisenrunde am Donnerstag auf einheitliche Schwellenwerte bei der Klinikbelastung, ab denen in den Ländern künftig schärfere Corona-Maßnahmen greifen müssen. Die neuen Stufen beinhalten vor allem flächendeckende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte; gekoppelt sind sie an die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz.
Was ist die Hospitalisierungsinzidenz und was muss bei ihrer Interpretation beachtet werden?
Die Hospitalisierungsinzidenz gibt an, wie viele Corona-Infizierte pro 100.000 Menschen in den vergangenen sieben Tagen in ein Krankenhaus gebracht wurden. Der Wert soll dabei helfen, mögliche Engpässe in den Kliniken frühzeitig zu antizipieren.
Das Robert Koch-Institut (RKI) erfasst die betreffenden Fälle jedoch nicht nach dem Tag der Einweisung in ein Krankenhaus, sondern nach dem Meldedatum des Falles. Das bedeutet, dass Patienten, die acht Tage vor ihrer Klinikaufnahme positiv auf das Coronavirus getestet wurden, in der neusten Hospitalisierungsinzidenz statistisch nicht repräsentiert sind. Außerdem gilt für die geografische Zuweisung die Inzidenz des Meldelandkreises und nicht der Standort des Krankenhauses.
Was bedeuten die einzelnen Stufen?
Das System ist bekannt: Wo das Infektionsgeschehen besonders hoch ist, gibt es entsprechend scharfe Maßnahmen zur Eindämmung. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab einmal den Ton an, nun heißt der Taktgeber Hospitalisierungsinzidenz.
Bund und Länder haben sich auf drei Werte geeinigt. Bei ihrer Überschreitung gelten in dem entsprechenden Bundesland jeweils härtere Regeln.
Ab einer Hospitalisierungsinzidenz von drei haben nur noch Geimpfte und Genesene (2G) Zugang zu „Freizeitveranstaltungen und -einrichtungen, Kulturveranstaltungen und -einrichtungen, Sportveranstaltungen und -ausübungen, gastronomischen Einrichtungen und übrigen Veranstaltungen – in Innenräumen – sowie grundsätzlich zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen“, wie es im Beschluss der Bund-Länder-Runde heißt.
Ab einer Inzidenz von sechs gilt 2G-Plus. Geimpfte und genesene Menschen sollen im öffentlichen Raum dann zusätzlich zu ihren Zertifikaten einen negativen Corona-Test vorzeigen. Laut Beschluss wird das vor allem an Orten greifen, „an denen das Infektionsrisiko aufgrund der Anzahl der Personen und der schwierigeren Einhaltung von Hygienemaßnahmen besonders hoch ist, insbesondere in Diskotheken, Clubs und Bars“. Erst wenn der Schwellenwert an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten wird, können die Maßnahmen zurückgenommen werden.
Ab einem Wert von neun haben die Länder die Möglichkeit, noch strengere Regeln einzusetzen. Dann sind beispielsweise Kontaktbeschränkungen wieder möglich.
In Nordrhein-Westfalen sollen die Regeln bereits kommende Woche in Kraft treten. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte am Freitag im WDR, er wolle die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen schnell umsetzen. „Das wird ab nächster Woche so weit sein.“
Die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung hatte sich allerdings schon vor der Bund-Länder-Runde auf die Einführung der flächendeckenden 2G- und 2G plus-Regeln verständigt – und zwar ohne Schwellenwerte. Noch ist offen, ob die Maßnahmen in NRW an die Hospitalisierungsrate gekoppelt werden oder unabhängig davon in Kraft treten.
Welche Strafen drohen bei Verstößen?
Wer gegen die Maskenpflicht verstößt, muss künftig mit 150 Euro Strafe rechnen. Bei gefälschten Corona-Testnachweisen wird das Bußgeld auf bis zu 5000 Euro verfünffacht. Werden Corona-Tests oder Impfnachweise bei Veranstaltungen oder in Restaurants nicht ordentlich kontrolliert, sind künftig 2000 Euro fällig.
Wird es Einschränkungen auch für Kinder und Jugendliche geben?
Nein, für Kinder und Jugendliche unter 18 soll die 2G-Regel entfallen, kündigte Wüst an. Ausnahmen soll es laut Bund-Länder-Beschluss auch für Menschen geben, die nicht geimpft werden können und für Menschen, für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt. In NRW bleibt es vorerst auch beim Wegfall der Maskenpflicht im Unterricht. Das Schulministerium beobachtet die Lage.
Was gilt in Bussen, Bahnen und am Arbeitsplatz?
In Bussen und Bahnen soll künftig 3G gelten – befördert werden dürfen nur geimpfte, genesene oder getestete Menschen. Wüst kündigte stichprobenartige, aber regelmäßige Kontrollen an. Das heiße, jeder müsse jederzeit damit rechnen, dass kontrolliert werde. Für Kinder unter sechs Jahren und solche, die in die Schule gehen, gilt die Nachweispflicht nicht. Bei Schülerinnen und Schülern wird davon ausgegangen, dass sie sich regelmäßig in den Schulen testen lassen.
Auch am Arbeitsplatz soll die 3G-Regel gelten. Die Arbeitgeber sollen laut Bund-Länder-Beschluss weiterhin mindestens zweimal pro Woche eine kostenlose Testmöglichkeit anbieten. Die Einhaltung der 3G-Regel soll vom Arbeitgeber täglich kontrolliert und dokumentiert werden. Das Handwerk bezweifelt bereits, dass die Vorgaben überall umzusetzen sind. Probleme könnte es etwa bei der Gebäudereinigung oder im Bau geben, wo die meisten Beschäftigten direkt zu den Baustellen fahren.
Drohen wieder generelle Lockdowns und Schulschließungen?
In NRW ist die Coronavirus-Lage noch nicht so dramatisch wie etwa in Bayern, wo Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Schließungen von Clubs, Diskotheken und Bars ankündigte und auch Weihnachtsmärkte ausfallen müssen.
Mit Blick auf die in NRW geplanten Maßnahmen sagte Wüst bei RTL: „Das ist ein erstes Paket, das vermeiden soll, dass es wieder einen Lockdown gibt.“ Das novellierte Infektionsschutzgesetz des Bundes sieht zudem vorerst keine Ausgangsbeschränkungen und flächendeckenden Schulschließungen mehr vor. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz war sich einig, dass weitere Belastungen für Kinder und Jugendliche vermieden werden sollen.
Wie ist die Lage in den Krankenhäusern der Region?
Bundesweit lag die Hospitalisierungsinzidenz am Freitag laut RKI-Lagebericht bei 5,34, in Nordrhein-Westfalen bei 4,03. Bleibt die Inzidenz im bevölkerungsreichsten Bundesland auf diesem Niveau, müssen sich Ungeimpfte den neuen Schwellenwerten nach auf Einschränkungen einstellen.
Laut Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) wurden NRW-weit am Freitag 515 Corona-Infizierte in Krankenhäusern intensivmedizinisch behandelt, 272 von ihnen mussten invasiv beatmet werden. Derzeit sind den Angaben nach 4733 Intensivbetten in Nordrhein-Westfalen belegt, 590 sind frei, 235 davon sind speziell für die Aufnahme von Corona-Patienten ausgerüstet. Damit liegt das Land im Bundesschnitt.
In der Städteregion Aachen waren am Freitag von 263 Intensivbetten 244 belegt. Insgesamt wurden 15 Covid-Patienten intensivmedizinisch behandelt, zwölf davon mussten invasiv beatmet werden.
Im Kreis Heinsberg waren lediglich zwei von 40 Intensivbetten frei. Hier wurden acht Covid-Patienten intensivmedizinisch behandelt, sechs von ihnen wurden invasiv beatmet.
Im Kreis Düren waren zum selben Zeitpunkt fünf von 53 Betten frei. Vier Corona-Patienten erhielten eine intensivmedizinische Behandlung, zwei darunter wurden invasiv beatmet.
Wo gibt es Auffrischungsimpfungen?
Das Land will die Booster-Impfungen massiv beschleunigen. Die Impfzentren wurden allerdings geschlossen. Das Land NRW forderte die Kommunen stattdessen zur Einrichtung fester Impfstellen auf.
Städte und Kreise sollten möglichst wohnortnahe Angebote sicherstellen, die sowohl für Erst- und Zweitimpfungen als auch für Auffrischungsimpfungen aufgesucht werden können. Orte könnten Turnhallen oder auch leerstehende Ladenlokale sein. Der Kreis derjenigen, die impfen dürfen, könnte ausgeweitet werden. Im Gespräch sind etwa Apotheken. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt inzwischen allen Personen ab 18 Jahren die Covid-19-Auffrischimpfung.