Energiepolitik in NRW : Chancen und Risiken des Frackings
Düsseldorf Die Debatte um Alternativen zu russischem Gas nimmt Fahrt auf. Auch im Bergischen Land und im Ruhrgebiet werden tief liegende Felder vermutet. Der Chef der NRW-SPD warnt. Informationen zu Technik, Chemie und Potenzialen.
Das Thema Fracking polarisiert zunehmend: NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und Ökonomen regen eine ergebnisoffene Prüfung an, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der NRW-SPD, lehnt das wie die Grünen ab: „Der Nutzen des unkonventionellen Frackings ist zu klein, das Risiko für unser Grundwasser zu groß“, sagte er. „Wir wollen jetzt die Energiewende anpacken. Die Erschließung der Vorkommen dauert Jahre, die wir nicht haben. Es gibt genug Beispiele, wo letzten Endes doch braunes Wasser aus dem Wasserhahn kam, obwohl Vorabbewertungen keine Gefahr voraussagten. Deswegen gibt es von mir ein klares Nein zum Fracking in NRW.“
Wie funktioniert Fracking?
Fracking ist eine Technologie zur Gewinnung von Gas, bei der unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien in Gesteinsschichten gepresst wird. So werden gezielt kleine Risse (englisch: fracture) in dem Gestein erzeugt, das Erdgas enthält. Dieses wird freigesetzt und gelangt durch Bohrleitungen an die Oberfläche.
Man unterscheidet zwei Arten: Konventionelles Fracking erfolgt in Sandstein, der meist in großer Tiefe unterhalb des Grundwassers liegt. Es dient dazu, Restmengen aus Gasfeldern zu gewinnen, die zuvor klassisch, also mit Pumpen, abgebaut wurden. Unkonventionelles Fracking hingegen wird in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein angewendet, das in geringer Tiefe und näher am Grundwasser liegt. Es dient dazu, in Bereiche vorzustoßen, bei denen Pumpen nichts ausrichten können.
Wo liegen Gebiete für unkonventionelles Fracking?
In Deutschland werden unkonventionelle Erdgas-Vorkommen in unterschiedlichen geologischen Formationen vermutet – darunter im Oberrheingraben, in Niedersachsen, aber auch in NRW: im münsterländischen Becken, im nördlichen Ruhrgebiet, am Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges wie im Bergischen Land.
Was sind die Risiken beim unkonventionellen Fracking?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) weist auf viele Risiken hin, die vor allem aus der Nähe der gasführenden Schichten zum Grundwasser resultieren: „Beim Fracking werden große Mengen an Flüssigkeit verwendet. Diese Flüssigkeit, die oft giftige Substanzen enthält, wird unter der Erde verpresst und kann dort Schäden anrichten.“ Auch die Bohrlöcher könnten undicht werden. „So können schädliche Substanzen in den Boden oder in wasserführende Schichten eintreten.“ Zudem könnte Fracking kleinere Erdbeben auslösen. Das ist aber auch bei der klassischen Förderung ein Problem, wie es die Niederlande erleben. Das Umweltbundesamt nennt Fracking eine „Risiko-Technologie“.
Die Wirtschaft weist das zurück: „Bei der Erdgasgewinnung hat der Trinkwasserschutz grundsätzlich Vorrang – egal ob Fracking dabei zum Einsatz kommt. Der Bohrplatz wird komplett versiegelt“, so der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG).
Wie giftig sind Fracking-Chemikalien?
Der BUND warnt vor der Toxizität der Chemikalien, zudem falle Sondermüll an: „Ein Abfallprodukt des Frackings ist giftiger Bohrschlamm, der in Sondermülldeponien gelagert werden muss.“ Der BVEG sieht es anders: Nur bis zu fünf Prozent des Fracking-Gemisches bestehe aus „chemischen Begleitstoffen“, die etwa dem Schutz vor Korrosion oder Bakterienwachstum und so dem Freihalten der Gänge dienen. „Die Konzentration ist so gering, dass die Flüssigkeit weder giftig noch umweltgefährlich ist. Sie ist nicht mal kennzeichnungspflichtig, sondern entspricht der geringsten Wassergefährdungsklasse 1.“
Ein Gutachten des Umweltbundesamtes betont, dass Fracking ohne chemische Zusatzstoffe das Gefährdungspotenzial senken würde.
Was sind Chancen des unkonventionellen Frackings?
Der BVEG ist überzeugt: „Fracking bietet die Chance, die Erdgasversorgung in Deutschland für lange Zeit zu sichern.“ So sieht es auch Manuel Frondel vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: „Nach einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften liegen die förderbaren Schiefergasmengen zwischen 320 bis 2300 Milliarden Kubikmeter. Das würde rechnerisch den Gasbedarf in Deutschland für zwei bis 24 Jahre decken.“ Die Potenziale seien da, ob sich das rechne, stehe auf einem anderen Blatt.
Wie ist die Rechtslage?
Konventionelles Fracking wird in Deutschland seit den 60er-Jahren angewendet. In Wasserschutzgebieten, an Seen und Talsperren ist es aber verboten. Unkonventionelles Fracking wurde in Deutschland bislang nicht genutzt und 2017 nach hitziger Debatte im Wasserhaushaltsgesetz komplett verboten. Nur zu Forschungszwecken könnten Länder dieses Fracking unter strengen Auflagen zulassen, haben es aber nicht.
Wie machen es andere Länder?
In den meisten Ländern Europas wird Gas auf klassischem Weg gefördert, also durch Pumpen. Dazu zählen die Niederlande und Norwegen. Die USA hingegen sind mit dem Fracken von Schiefergas groß geworden. So wurden die USA vom Gas-Importeur zu einem der größten Exporteure. Auch das Flüssiggas, das Deutschland aus den USA beziehen will, stammt aus dem Fracking.
Wann könnte unkonventionelles Fracking kommen?
Das dauert. „Aktuell werden fünf Prozent des deutschen Gasbedarfs aus heimischer, klassischer Förderung gedeckt. Durch den Einsatz der Fracking-Technologie könnte der Anteil auf zehn Prozent steigen“, sagt BVEG-Vorstand Ludwig Möhring. „In drei bis fünf Jahren könnte es losgehen, in zehn Jahren könnten wir die zehn Prozent erreichen.“