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Urteil des Aachener Landgerichts : „Brummi-Andi“ muss für mehr als vier Jahre in Haft

Urteil des Aachener Landgerichts : „Brummi-Andi“ muss für mehr als vier Jahre in Haft

Am Ende des Verfahrens durfte Andreas B. seine Freundin ein paar Sekunden lang umarmen, dann trennten sich die Wege wieder für längere Zeit. Der 33-Jährige, auch bekannt als „Brummi-Andi“ wurde vor dem Aachener Landgericht zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Die 7. Strafkammer blieb damit genau ein Jahr unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß, die Anklagevertreterin deutete noch im Gerichtssaal an, Revision einlegen zu wollen.

Richter Jürgen Beneking klagte in seinem Urteil über die Qualität der Zeugen in den letzten Monaten. In dem Verfahren waren die wenigsten Vorwürfe durch Videos oder Sprachnachrichten belegt, meistens war die Kammer auf die Angaben der Zeugen angewiesen. Das Ergebnis sei desolat gewesen. Mal waren die Aussagen widersprüchlich, „mal wurden wir vorsätzlich belogen“, sagte der Richter. Und die Freundin von B., die ihn an diesem Tag kurz küssen durfte, sei ihm hoffnungslos verfallen. Obwohl sie vermutlich Opfer seiner Gewalt wurde, habe sie nicht das geringste Interesse an einer Aufklärung gezeigt. „Was also soll ein Gericht machen, wenn zahlreiche Taten nur durch Zeugen nachweisbar sind?“, fragte Beneking. Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ gelte dann auch für „Brummi-Andi“. Auf diesen Namen war der Angeklagte bereits vor 20 Jahren vom Boulevard getauft worden.

Der Richter verurteilte den Angeklagten für 20 Taten – wegen schwerer Brandstiftung, Geldfälschung, Beleidigung, Körperverletzung, Unfallfluchten, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis, mal unter Drogen-, mal unter Alkoholeinfluss. Strafmildernd wurde der intensive Alkohol- und Drogenkonsum im Tatzeitraum gewertet. Vom Vorwurf des Handels mit Betäubungsmittel wurde Andreas B. freigesprochen. Und auch die gravierenden Anklagen der „Verleitung zur Prostitution“ oder der „ausbeutenden Zuhälterei“ ließen sich nicht im Verfahren erhärten.Seit 21 Jahren ist Andreas B. auf den Straßen unterwegs, einen Führerschein hat er noch nie besessen. Als „tickende Zeitbombe“ hatte ihn ein Polizist in dem Verfahren bezeichnet.

„Charakterlich ungeeignet“

Die Strafkammer verhängte eine Sperrfrist von weiteren fünf Jahren, bis er den Führerschein erwerben darf. Als „rücksichtslos“ und „unbelehrbar“ stufte Beneking den Auto fahrenden Angeklagten an. Gleichwohl wollte er noch nicht ins oberste Regal greifen und eine lebenslängliche Führerscheinsperre verhängen. Die hatte Staatsanwältin Tanja Gülicher-Schmitt beantragt. Andreas B. sei eine Gefahr für die Allgemeinheit, glaube in seiner Selbstüberschätzung, dass er auch noch unter Drogen- und Alkoholeinfluss ein Fahrzeug sicher lenken könne. „Dafür rühmt er sich auch noch.“ Und keine seiner vielen einschlägigen Vorstrafen habe sein Verhalten bislang geändert, sagt sie. Sie stufte ihn als „charakterlich ungeeignet“ ein, ein Fahrzeug zu lenken.

Es war nicht die einzige unterschiedliche Einschätzung von Richter und Staatsanwältin. Während die Kammer den Eindruck gewonnen hatte, bei Andreas B. sei „eine gewisse Nachreifung“ erfolgt und er sei in der Lage, „sein Verhalten selbstkritisch zu reflektieren“, hatte die Staatsanwältin eine andere Einschätzung. Sie begann ihr 100-minütiges Plädoyer mit einem Zitat von Andreas B. gegenüber einer Zeugin: „Wir brechen jeden Tag das Strafgesetzbuch rauf und runter, wir halten uns an keine Regeln.“ Das Zitat sei „bezeichnend“ für sein ganzes Leben, so Gülicher-Schmitt.

Strafverschärfend sei die hohe Frequenz, die Intensität und lange Dauer der Straftaten, die er ohnehin unter Führungsaufsicht begangen habe.Eine Sicherungsverwahrung beantragte aber auch sie nicht. „Gerade noch nicht“, führte sie aus. Dies sei allerdings nur eine „Frage der Zeit“, vermutet sie angesichts der kriminellen Karriere des Intensivtäters. „Es geht Schritt für Schritt in diese Richtung.“ Auch Beneking sah diese Tendenz. „Es liegt an Ihnen, das zu verhindern“, gab er dem Angeklagten mit auf den Weg zurück in die Zelle. Elf seiner 33 Lebensjahre hat Andreas B. bereits im Gefängnis gesessen. Man kann sicher sagen, dass Andreas B. in seinem Leben selten die richtige Ausfahrt genommen hat. „Er verfügt über einen IQ von 140. Was hätte aus ihm werden können?“, hatte sein Verteidiger Marcus Hertel eher rhetorisch in seinem Plädoyer gefragt.