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175 Jahre Kindermissionswerk: Wenn Kinder Kindern helfen

175 Jahre Kindermissionswerk : Wenn Kinder Kindern helfen

Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ wird am 2. Februar 175 Jahre alt. Trotz Corona engagieren sich die jungen Leute auch in diesem Jahr. Es macht nur nicht so viel Spaß wie sonst. Hier erzählen Kinder, warum sie helfen.

Viel Aufhebens wollen sie um die Sache nicht machen. Zwar sind die vier seit Jahren engagiert dabei, halten das aber offensichtlich nicht für der Rede wert. Was sie tun, tun sie, weil es richtig ist. Weil es Spaß macht. Weil man anderen eine Freude bereitet. Und weil es dringend nötig ist; daran besteht für sie kein Zweifel.

Sandra, Genia, Henry und Christian sind Sternsinger. Genauer gesagt: Sandra (18) aus der Aachener Gemeinde Maria im Tann war es; sie macht seit zwölf Jahren mit und begleitet mittlerweile Sternsingergruppen. Die 13-jährige Genia (Gemeinde Heilig Geist) ist seit 13 Jahren dabei, der zehnjährige Christian (St. Jakob) seit zehn Jahren. Kann das sein? Ja, beide bestätigen, dass sie schon als Babys mitgenommen worden sind. Da lässt sich also durchaus von einer Lebensaufgabe sprechen. Und schließlich ist da noch der 13-jährige Henry aus St. Hubertus; er ist seit sieben Jahren Sternsinger.
Keine einmalige Angelegenheit

Vier junge engagierte Menschen, die aus tiefer Überzeugung und mit Frohsinn Sternsinger sind. Das Hauptmotiv aller: Singend anderen Menschen eine Freude bereiten und denen, die es am nötigsten haben, helfen. „Ich mache mit, weil ich neue Freunde kennenlerne und es Spaß macht, anderen zu helfen“, sagt Christian.

Es macht Freude, anderen zu helfen, weiß auch Sternsinger Christian.
Es macht Freude, anderen zu helfen, weiß auch Sternsinger Christian. Foto: Harald Krömer

Auch für Henry ist das, was die Sternsinger für Kinder in Not tun können, der eigentliche Grund, mitzumachen. „Und ich kann den Menschen, bei denen ich vorbeikomme, eine Freude machen. Vor allem für alte Leute bringen wir einen Hoffnungssegen.“ In diesem Jahr hat Corona das nicht zugelassen. „Als wir mit einem Stand am Marktplatz vor St. Hubertus waren, haben uns Leute gefragt, warum wir nicht kommen, und gesagt, dass sie uns vermisst haben.“

 Auch Henry ist seit Jahren dabei, wenn es darum geht, für arme Kinder zu sammeln.
Auch Henry ist seit Jahren dabei, wenn es darum geht, für arme Kinder zu sammeln. Foto: Harald Krömer

Genia freut sich, dass das Sternsingen keine einmalige Angelegenheit, sondern auf Dauer angelegt ist. „Ich mache das schon immer, und es macht einfach Spaß.“ Zu sehen, wie die besuchten Menschen sich freuen, zuhören und spenden, motiviert auch Sandra. Segen bringen und Geld sammeln – Henry hält beides für gleichermaßen wichtig. Und er berichtet von der Erfahrung, dass Menschen aus anderen Religionen „trotzdem gespendet haben, aber den Segen nicht wollten“; das sei auch okay so.
Der 2. Februar 1846

In diesem Jahr sind die Sternsinger wegen der Coronavirus-Beschränkungen weitestgehend nicht auf Tour. Ansonsten sind sie bei jedem Wetter unterwegs. „Es geht eigentlich“, meint Genia. „Aber Schnee, Regen, Sturm – das kann auch schon nervig sein, wenn man draußen ist.“ Deshalb schätzt sie Mehrfamilienhäuser. Henry ist schon „bei jedem Wetter draußen gewesen“. Er sieht es als Ansporn, auch wenn es ungemütlich wird, loszuziehen. „Da kann man schon stolz auf sich sein.“

Erst 13 und schon 13 Jahre dabei: An die ersten Jahre bei den Sternsingern kann sich Genia nicht erinnern. Schließlich war sie noch ein Baby.
Erst 13 und schon 13 Jahre dabei: An die ersten Jahre bei den Sternsingern kann sich Genia nicht erinnern. Schließlich war sie noch ein Baby. Foto: Harald Krömer

Dass sie in diesem Jahr wegen Corona nicht losziehen dürfen, fällt den vieren schwer. Sie haben vor ihren Pfarrkirchen Segenssprüche und entsprechende Aufkleber verteilt. „Das war ein bisschen langweilig“, sagt Christian. Für Genia hat das Jahr ohne Sternsingen „irgendwie nicht richtig begonnen“. Und alle rechnen damit, dass die Einnahmen in diesem Jahr deutlich geringer sein werden als sonst üblich. „Aber es geht ja nicht nur ums Geld, sondern um Hoffnung“, sagt Henry. Für eine finanzielle Bilanz ist es noch zu früh, weil die gesamte Aktion wegen Corona und wegen des Jubiläums bis zum 2. Februar verlängert worden ist.

Der 2. Februar war im Jahr 1846 jener Tag, an dem Auguste von Sartorius, eine damals 15-jährige Aachenerin, den „Verein der heiligen Kindheit“ in der Aachener Pfarrei St. Foillan gründete. Dieses Datum gilt als Geburtstag des heutigen Päpstlichen Missionswerks der Kinder in Deutschland. Der Leitgedanke damals wie heute: „Kinder helfen Kindern“. Das Kindermissionswerk war immer in Aachen zu Hause, und die Sternsinger sind sein Markenzeichen.

Jedes Jahr gehen sie bundesweit rund um den Jahreswechsel an die Haustüren, schreiben dort ihren Segen an, singen und sammeln Geld für Kinder in Not. Seit dem Start 1959 hat sich das Dreikönigssingen weltweit zur größten Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder entwickelt. Im vorigen Jahr wurden rund 52,4 Millionen Euro gesammelt; aktuell unterstützt das Kindermissionswerk rund 1600 Projekte in 108 Ländern.

 Zum 175. Geburtstag des Kindermissionswerk gibt die Deutsche Post eine Sonderbriefmarke heraus.
Zum 175. Geburtstag des Kindermissionswerk gibt die Deutsche Post eine Sonderbriefmarke heraus. Foto: Gestaltung des Postwertzeichens: Serge Rompza und Anders Hofgaard, NODE Berlin Oslo.

Die Reaktionen, auf die die vier treffen, sind weitestgehend positiv. „Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand die Tür zugeknallt hat, wenn er uns gesehen hat“, sagt Henry. „Eine Frau hat auch schon mal mitgesungen. Und eine andere, die immer 1- und 2-Cent-Münzen sammelt, hat uns fast einen ganzen Eimer davon in die Dose geschüttet. Deshalb gehen wir bei der immer am Schluss vorbei.“
Auch in Fitnessstudios

Christian erzählt von einer Flüchtlingsfamilie, „die in einer anderen Sprache gesprochen hat. Und die haben sich jemanden aus der Nachbarschaft geholt, der übersetzte, was wir sagten. Und sie haben gespendet, obwohl sie nicht genau wussten, was wir mit dem Geld machen.“ Christians Mutter, die häufig Sternsinger begleitet, war darüber umso mehr überrascht, „weil wir wussten, dass die selbst ja auch nichts haben. Da haben die Kinder unten im Hausflur gesagt, das gehe nicht, haben Süßigkeiten aus ihren Tüten genommen und oben auf die Fußmatte gelegt.“

Bärbel Gerads-Kriescher ist Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Jakob und zuständig für die Sternsingeraktion in der Gemeinschaft der Gemeinden Aachen-West.
Bärbel Gerads-Kriescher ist Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Jakob und zuständig für die Sternsingeraktion in der Gemeinschaft der Gemeinden Aachen-West. Foto: Harald Krömer

Nur Sandra berichtet von einem negativen Erlebnis, als sie im vorigen Jahr mit einer Gruppe unterwegs war. „Da waren wir bei einer Familie, die, als sie uns gesehen hat, direkt die Tür vor der Nase zugeknallt hat. Das hat die Kinder total frustriert.“ Aber das sei eine Ausnahme. „Die allermeisten freuen sich und spenden, egal welchen Glauben sie haben.“ Christians Mutter, die häufig Sternsinger begleitet, hat unfreundliche Reaktionen „nur sehr, sehr selten“ erlebt. „Vor allem ältere Leute warten richtig auf die Sternsinger. Wir gehen auch in Geschäfte und Fitnessstudios. Dann sind manche Leute erst etwas irritiert, freuen sich dann aber wirklich.“

 Sandra ist 18 Jahre alt und begleitet inzwischen Sternsingergruppen mit jüngeren Kindern.
Sandra ist 18 Jahre alt und begleitet inzwischen Sternsingergruppen mit jüngeren Kindern. Foto: Harald Krömer

Bärbel Gerads-Kriescher ist Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Jakob und zuständig für die Sternsingeraktion in der Gemeinschaft der Gemeinden Aachen-West, zu der die Gemeinden der vier Sternsinger gehören. Als Kind war sie selbst aktiv, als Jugendliche und junge Erwachsene hat sie Gruppen begleitet. Sie sagt: „Ich habe den Eindruck, dass die Akzeptanz der Sternsinger in der Bevölkerung in den letzten zehn bis 15 Jahren enorm gewachsen ist. Früher war es gar nicht so selten, dass uns die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde. In den 70er Jahren gab es oft unfreundliche Reaktionen.“

Heute blickt Gerads-Kriescher uneingeschränkt positiv auf die Sternsingeraktion. „Ihr beschäftigt Euch jedes Jahr mit der Situation von Kindern in einem anderen Land. Es ist gut, als Kind zu spüren, dass man solidarisch ist und etwas bewegen kann.“ Für die vier ist ihr Engagement ganz selbstverständlich. Sie finden es offensichtlich fast schon eigenartig, dass nach ihrer Motivation überhaupt gefragt wird.