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Gegenwind aus Rom: Die Synodalen hoffen bei der letzten Versammlung auf ein Wunder

Gegenwind aus Rom : Die Synodalen hoffen bei der letzten Versammlung auf ein Wunder

Auf ihrem Synodalen Weg sehen die deutschen Katholiken nur noch römische Warnschilder. Nun tagt die letzte Synodalversammlung und die Reise könnte in einer Sackgasse enden.

Katholische Bischöfe sind von Amts wegen und theologisch tief in alten Schriften und fernen Epochen verhaftet. Auf dem Synodalen Weg der deutschen Kirche suchen die Reformwilligen unter ihnen aber auch populärmusikalisch Halt in alten Zeiten. Seit Beginn dieses Erneuerungsprozesses im Jahr 2019 klammern sie sich an zwei religiös keineswegs renommierte Sängerinnen: Katja Ebstein (*1945) und Zarah Leander (1907-81). Die eine sang „Wunder gibt es immer wieder“, die andere: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“.

Diesem Wunderglauben hängen nicht nur die reformorientierten Bischöfe an, sondern auch die meisten sogenannten Laien, mit denen sie sich am Synodalen Weg beteiligen, dem Reformprojekt der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), des höchsten Laiengremiums hierzulande. Sie wollen, dass nichtgeweihte ehrenamtliche Katholiken in ihrer Kirche mehr mitbestimmen, dass bischöfliche Macht stärker kontrolliert und die Kirche zumindest etwas demokratischer wird, dass Frauen geweiht und homosexuelle Paare offiziell gesegnet werden können, dass Priester nicht zum Zölibat gezwungen werden und die katholische Kirche von ihrer überkommenen Sexualmoral ablässt.

Wunder zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf keine begründbare Ursache zurückzuführen sind. Das trifft hier zu: Es gibt keine Chance, diese Ziele und damit konkrete Reformen in der katholischen Kirche zu erreichen. Alles andere wäre ein Wunder. Womöglich reden sich die Synodalen ein, dass zumindest in ihrer Kirche Wunder noch als relevante Größe gelten, tatsächlich aber haben sie längst den Überblick verloren, wie viele Erklärungen, Briefe und Instruktionen aus Rom solche Reformen untersagt haben. Und der Ton dieser Interventionen ist von Mal zu Mal deutlicher, kompromissloser, unversöhnlicher geworden.

Die Versammlung: Von Donnerstag bis Samstag kommen die 230 Mitglieder des Synodalen Weges nun zu ihrer fünften und letzten Vollversammlung in Frankfurt zusammen. Dort müssen sie über zehn Reform- und Handlungstexte abstimmen, die es in sich haben: unter anderem zum Zölibat, zu Synodalen Räten auf Bistums- und Pfarreiebene, zur Rolle der Frau und zur anhaltenden sexuellen Diskriminierung innerhalb der katholischen Kirche. Diese Vorlagen sowie bereits verabschiedete Beschlüsse aus den Jahren 2021 und 2022 sind in den vergangenen Wochen und Monaten von höchsten vatikanischen Repräsentanten geradezu zerfetzt worden – als spalterisch, theologisch dürftig und für die Masse unbedarfter Gläubiger verwirrend.

Die Vorwürfe: Der nach dem Papst zweithöchste Repräsentant der Weltkirche, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, sowie die maßgeblichen Kardinäle Luis Ladaria (Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre) und Marc Quellet (bis Februar Chef des Dikasteriums für die Bischöfe) sehen durch die Vorhaben des deutschen Synodalen Weges die Autorität der Bischöfe verletzt. Es bestehe die große Gefahr, dass „die klare Lehre von der Sendung der Bischöfe“ verloren gehe. Der Vatikan besteht darauf, „dass man die Wahrheit akzeptieren muss, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“.

Dem Synodalen Weg und damit auch jenen deutschen Bischöfen, die hinter dessen Texten stehen, wird vom Vatikan vorgeworfen, eine Kirchenspaltung zu riskieren, „starkem kulturellem und medialem Druck“ nachzugeben und die Einheit der Weltkirche zu gefährden. Die deutsche Kirche wird vom Vatikan in einem Ton abgekanzelt, den es bisher noch nicht gegeben hat.

Der Papst: Zwischen Rom und deutschen Katholiken fliegen die Fetzen. Die Brisanz der aktuellen Situation wird dadurch erhöht, dass es nicht nur um einen Konflikt zwischen der Mehrheit der deutschen Katholiken und Rom, zwischen progressiven und repressiven Bischöfen in der DBK geht, sondern dass dieses Ringen begleitet wird von einem scharfen innervatikanischen Machtkampf zwischen Franziskus und zahlreichen Hardlinern in der Kurie.

Franziskus interessieren die deutschen Reformbestrebungen nicht. Wenn er sich damit befassen muss, weil führende Kurienmitglieder und hartleibige deutsche Kardinäle und Bischöfe darauf bestehen, neigt er dazu, den Traditionalisten nachzugeben, weil ihm die „typisch deutschen Themen“ und der ewige Ärger deswegen auf die Nerven gehen. Er hat andere, für ihn viel wichtigere Themen: Klima, Migration, Hunger, Krieg, Obdachlosigkeit. Da soll ihm bloß keiner mit den Problemen einer reichen, verwöhnten Kirche wie der deutschen kommen.

Die Bischöfe: Auch innerhalb des Synodalen Wegs lässt sich die Atmosphäre zwischen Progressiven und Traditionalisten durchaus als explosiv kennzeichnen. Dass alle Reformbereiten und erst recht die Zauderer unter den Bischöfen standhaft bleiben, wenn der Vatikan warnt und widerspricht, gilt als unwahrscheinlich. Trotzdem wird die Synodalversammlung in den kommenden Tagen weitere Reformtexte beschließen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in Frankfurt Texte verabschieden werden“, sagt Aachens Bischof Helmut Dieser unserer Zeitung. Seine eher zurückhaltende Stellungnahme ist verständlich, denn es gibt zahlreiche Anträge, die – als Voraussetzung für die erforderliche Zweidrittelmehrheit unter den Bischöfen – in die vorliegenden Texte erst noch eingefügt werden müssten.

Reformtexte zu verabschieden, ist schon schwierig genug; die Frage bleibt, wann und ob sie überhaupt umgesetzt werden. Laut Bätzing strebt die Mehrheit der Bischöfe Reformen an. Präziser wäre: Die Mehrheit sagt, dass sie Reformen wolle, und weiß, dass es keine geben wird. Nicht wenige sind – mal mehr, mal weniger – froh, dass es so ist; ihnen nehmen römische Interventionen bequemerweise die Entscheidung ab.

Der Synodale Rat: Rom und zahlreiche Ortskirchen kritisieren – zuletzt besonders scharf – den Plan, den Synodalen Weg auf Dauer in einen ständigen Synodalen Rat auf Bundesebene münden zu lassen, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam beraten und entscheiden. Auch auf Bistums- und Pfarreiebene soll es einen neuen Rat geben. Das sei nicht erlaubt, die Autorität der Bischöfe werde beschädigt, tönt es aus Rom. Ein Synodaler Ausschuss soll trotzdem ab sofort drei Jahre lang über Aufgaben, Kompetenzen und Zusammensetzung des Synodalen Rats beraten. Dem Ausschuss werden die 27 Diözesanbischöfe, 27 ZdK-Mitglieder und weitere 20 Teilnehmer angehören, die die Synodalversammlung am Samstag wählen soll.

Auch an diesem Punkt wird offenbar, dass sich deutsche Katholiken lange Zeit Illusionen über den Reformkurs des Papstes gemacht haben. Der predigt zwar von morgens bis abends Synodalität, meint aber keine echte Mitbestimmung von Nichtgeweihten, erst recht keine Demokratie. Die sogenannten Laien dürfen nach Franziskus’ Maßgabe zwar anregen, beraten und vorschlagen, aber entscheiden dürfen nur der Papst und die Bischöfe. Das stellen sich Ehrenamtler hierzulande ganz anders vor; ihre Bischöfe liegen aber auf Linie des Papstes. Gleichberechtigte Teilnahme und Mitentscheidung von Laien ist nicht vorgesehen. Dieser Aspekt wird meist außer Acht gelassen und stellt den geplanten Aufwand für den Synodalen Rat infrage.

Der Konflikt: Auf die römischen Ermahnungen reagieren die beharrungswilligen Oberhirten um den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki und den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer mit Applaus, die ängstlichen und zögerlichen Bischöfe mit Schweigen. Bätzing und die reformwilligen Synodalen sind den Interventionen lange Zeit mit einer Mischung aus Ignorieren, Bagatellisieren und im eigenen Sinne Interpretieren begegnet. Dahinter steckt wahrscheinlich die Furcht davor, sich und anderen das eigene Scheitern einzugestehen.

Bätzing ist in einer heiklen Lage. Er muss Rom widersprechen, was für einen Bischof sowieso eher als unziemlich gilt; er redet deshalb lieber von vatikanischen Missverständnissen als von Gegensätzen. Wenn er und andere aber nicht müde werden zu betonen, die bischöfliche Autorität solle weder jetzt noch in Zukunft eingeschränkt werden, schwindet die Hoffnung vieler, die katholische Machtstruktur könne doch einmal verändert werden.

Die Beschwichtigung: Nach all den vatikanischen Querschüssen versuchen Bätzing und seine Mitstreiter, die Zentrale zu beruhigen: Ob Diakonat der Frau, Ende des Pflichtzölibats oder menschenfreundliche Sexualmoral – laut Bätzing gibt es Richtung Rom „nur Anfragen und die Bitte um Klärung“. Diese und ähnliche Themen seien Sache der Weltsynode. Dort, und das sagt Bätzing nicht, werden sie untergehen.

Selbst ein ausgewiesen progressiver Bischof wie der Essener Franz-Josef Overbeck mahnt zu Geduld: Es könne nur Schritt für Schritt vorangehen. „Bekanntlich kann man am Gras ziehen, aber es wächst nicht schneller.“ Die Bischöfe werden versuchen, die Basis zu beruhigen, obwohl die wiederholt erklärt hat, sich nicht mehr beruhigen lassen zu wollen. Man wird auf den Synodalen Ausschuss verweisen, der all die Themen weiterführen, weiterberaten, weiterbefördern, weiterreichen werde..., um sie irgendwann versanden zu lassen. So befürchten es die einen, so hoffen es andere. So wird es kommen.

Die Spaltung: Die römische Kurie und gleichzeitig die deutsche Basis zu beruhigen, ist ein Kunststück. Der Vatikan droht, empörte Katholiken machen Druck, weil sie seit Jahrzehnten und nun zum wiederholten Mal enttäuscht und vertröstet werden. In den letzten Tagen und Wochen haben etliche Bischöfe vor Konflikten und Zerwürfnissen gewarnt und gemahnt, zusammenzubleiben. „Die Kirche darf nicht stehen bleiben, aber sie darf auch nicht unter Druck und Zwang geraten und sich dabei spalten in Gewinner und Verlierer“, schreibt Bischof Dieser in seinem aktuellen Fastenhirtenbrief.

Dass die Weltkirche wie die deutsche Ortskirche tief gespalten ist, lässt sich aber mit noch so inständigen Gebeten und Appellen zur Einheit nicht verdecken. Die Bischöfe in der DBK mögen es nicht, wenn sie in Reformfreunde, Reformfeinde und Zauderer eingeteilt werden. Aber sie plädieren alle für Offenheit und Transparenz. Dazu gehört zu sagen, wie die Fronten verlaufen, aus denen sie alle längst keinen Hehl mehr machen. Schließlich schwärzen Woelki und seine verbündeten Bischöfe ihre Mitbrüder in Rom an.

Bätzing wird nicht müde zu betonen, man strebe keine Kirchenspaltung, kein Schisma, keine Nationalkirche an. Aber damit schafft man eindeutige Differenzen nicht aus der Welt. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, ein bedächtiger Kirchenmann und Vertrauter des Papstes, warnt, man könne auch „in ein Schisma hineinstolpern“. Den Beschlüssen des Synodalen Weges gibt er in der Weltkirche keine Chance; das gelte für die Frauenweihe wie für „die Idee einer demokratischen Mitbestimmung in der Leitung der Kirche. Die Kirche ist nun mal keine Demokratie“, sagt Kasper.

Zwei Grundprobleme: Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil krankt die katholische Kirche an der ungelösten Frage: Was ist Sache der Weltkirche, fällt also in die Kompetenz des Papstes, und was gehört in die Ortskirchen? Die Frage wird nicht beantwortet, weil der Vatikan sie seit Paul VI. nicht beantworten will. Wie viel Vielfalt die Einheit verträgt, soll im Vagen und im Spielraum Roms bleiben.

Das zweite Grundproblem all dieser Konflikte geht noch tiefer und liegt in der römisch-katholischen Maßgabe, wonach Kleriker aufgrund ihrer Weihe und göttlicher Einsetzung den Laien übergeordnet und fähig sind zu erkennen, was Gott will – und zwar je höher im Rang mit umso größerer Autorität. Deshalb hat auf dem Synodalen Weg eine Bischofsstimme auch mehr Gewicht als die eines Laien; Letzterer ist eben nur ein Laie. Das entspricht der Tradition und der Kirchenlehre, ändert aber nichts daran, dass die Zahl gläubiger Christen in Westeuropa, die solchen hierarchischen Wahrheitsanspruch akzeptieren, nur noch sehr gering ist, dass die katholische Kirche in pluralistischen Gesellschaften mit dieser Maßgabe längst nicht mehr ernst genommen wird.