Ermittlungen in Hückelhoven : Der Pfarrer, die Betrüger und das gewaschene Geld
Exklusiv Hückelhoven/Mönchengladbach Der suspendierte Hückelhovener Pfarrer K. hatte Zugriff auf 161 Bankkonten, mit deren Hilfe er Geld von Betrügern aus dem Ausland gewaschen haben soll. Überdies soll er Geld des Gemeindekontos veruntreut haben. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.
Eine der Betrugsmaschen, in die Pfarrer K. aus Hückelhoven verwickelt gewesen sein soll, heißt „Romance Scamming“, „Romanzenbetrug“. Dabei bahnt ein Betrüger oder ein Mittäter über Soziale Netzwerke im Internet einen Flirt an, vielleicht auch eine Liebesaffäre. Meist beginnen solche Beziehungen harmlos, ein zufälliger Kontakt, ein paar private Nachrichten, man tauscht Telefonnummern aus. Und innerhalb weniger Tage oder Wochen wird daraus Verliebtheit, Liebe oder auch nur Abenteuerlust. Die Gefühle des Opfers nutzt der Betrüger aus, um Geld zu erbitten: für die Reise zum ersten Treffen, für einen neuen Reisepass, für was auch immer.
Und dieses Geld haben die Opfer auf eines der 161 Bankkonten überwiesen, auf die der Hückelhovener Pfarrer K. Zugriff hatte.
Die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft hat Pfarrer K. (57) mittlerweile wegen Geldwäsche in 63 und Untreue in 148 Fällen angeklagt. Das bestätigte am Donnerstag der Sprecher des Mönchengladbacher Landgerichts, Richter Fabian Novara. Offenbar sind die angeklagten Fälle nicht die einzigen verdächtigen, die die Ermittler anhand der Bewegungen auf Pfarrer K.s Konten entdeckt haben; doch es sind diejenigen Fälle, die die Staatsanwaltschaft nach eigener Einschätzung von Anfang bis Ende ausermitteln konnte.
Wie hoch waren die Provisionen?
K. wurde im März 2016 vom Bistum Aachen zum Leiter der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Hückelhoven berufen, davor war er Militärpfarrer bei der Bundesmarine in Kiel und Plön, Schulseelsorger in Düren, Subsidiar in Aachen und Kaplan in Meerbusch. So hat es K. selbst auf einer beruflichen Plattform im Internet angegeben, sie ist öffentlich für jedermann einsehbar.
Die Staatsanwaltschaft ist zum Schluss gekommen, dass K. als eine Art Finanzagent für einen oder mehrere Betrüger tätig war, mit dem Betrug selbst hatte der Pfarrer nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nichts zu tun. Die überwiegend deutschen Opfer der Betrüger überwiesen das Geld auf eines von K.s deutschen Konten, und K. leitete die Beträge weiter an Empfänger im Ausland weiter. Die Staatsanwaltschaft ist sicher, dass K. für seine Dienste Provisionen erhielt; wie hoch diese waren, wird im Moment noch ermittelt.
Das veruntreute Geld vom GdG-Konto
Bereits am 18. Dezember 2016, also ein dreiviertel Jahr nach dem Beginn seiner Tätigkeit in Hückelhoven, wurde Pfarrer K. wegen vier Fällen von Geldwäsche verurteilt, das Amtsgericht Erkelenz verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Euro. Das hielt K. nach Darstellung der Staatsanwaltschaft aber nicht davon ab, seine illegalen Geschäfte fortzuführen.
Unklar ist, ob Pfarrer K. auch das Geschäftskonto der Gemeinschaft der Gemeinden Hückelhoven zur Geldwäsche nutzte. Es steht aber fest, dass K. von diesem Konto aus mindestens 148 Mal Geld auf überwiegend ausländische Konten überwies und diese Überweisungen nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit standen. Jede dieser Überweisungen wird deswegen zu einem Untreuedelikt. Laut Staatsanwaltschaft veruntreute K. zwischen Februar 2017 und Dezember 2017 genau 101.313,96 Euro vom GdG-Konto.
Der Rücktritt
Im Februar 2018 bat Pfarrer K. Aachens Bischof Helmut Dieser überraschend darum, ihn von der Leitung der GdG Hückelhoven zu entpflichten, was Dieser am 5. März 2018 auch tat. Eine Woche später teilte das Bistum Aachen mit, bei einer Revision sei aufgefallen, dass ein relevanter Betrag in der Hückelhovener Gemeindekasse fehle. Ein Zusammenhang mit K.s Amtsführung sei nicht auszuschließen.
Die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft ging damals davon aus, dass K. knapp 120.000 Euro aus der Gemeindekasse abgezweigt hatte und stellte einen Betrag in gleicher Höhe bei ihm sicher. Eine im Sommer 2019 erhobene Anklage gegen K. ließ das Amtsgericht Mönchengladbach aber nicht zu und trug der Staatsanwaltschaft auf, sorgfältige Nachermittlungen anzustellen.
„Manchmal hilft nur beten!“
Erst dabei stießen die Ermittler auf zahllose weitere Bankkonten des Pfarrers und auf Vollmachten, die ihm Zugriff auf weitere Konten unter anderem aus dem Verwandtenkreis ermöglichten. Dabei kam die Staatsanwaltschaft schließlich den offenbar aus dem Ausland operierenden Betrügern auf die Spur, deren Identitäten bislang allerdings nicht festgestellt werden konnten.
Das Amtsgericht Mönchengladbach wird nun die neue Anklage gegen Pfarrer K. prüfen und über deren Zulassung entscheiden. Wann es zu einem Prozess gegen Pfarrer K. kommen könnte, ist im Moment nicht absehbar. Auf Anfrage unserer Zeitung teilte das Bistum Aachen mit, dass K. nach wie vor suspendiert ist und „nicht priesterlich tätig sein“ darf. Er erhalte eine sogenannte Sustentatio „als Beitrag zum Lebensunterhalt“, wie Bistumssprecherin Anja Klingbeil erklärte.
Als derzeitige Tätigkeit gibt K. selbst auf besagter beruflichen Plattform „Pfarrer im Bistum Aachen“ an. Darunter steht: „Manchmal hilft nur beten!“