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„100 Orte in Belgien“: Neues von den skurrilen Nachbarn

„100 Orte in Belgien“ : Neues von den skurrilen Nachbarn

Ein See, über den man radeln kann, ein Museum für Weißblechdosen oder „Google in Papierform“: Der Reisejournalist Rolf Minderjahn beschreibt in seinem neuen Buch „100 Orte in Belgien“.

Klar doch: Die Belgier essen Maschinengewehre, radeln mitten durch Seen und haben das Internet erfunden. Man mag unseren Nachbarn allerhand Skurriles zutrauen oder einen uncharmanten Zusammenhang mit ihren unfassbaren 2500 Biersorten herstellen. Aber Rolf Minderjahn hat das überprüft und kann es erklären.

„100 Orte in Belgien“ heißt das neue Werk des Reisejournalisten, das jetzt im Grenz-Echo Verlag erschienen ist. Streng durchgezählt ist es sein 13. Reiseführer, und Carolin Schulzen, die Geschäftsleiterin des Buchverlags, hält den Autor für einen „wirklichen Belgien-Kenner“. Dennoch entdeckt der 1963 geborene Stolberger immer wieder Neues. Zum Beispiel den See unweit des Freilichtmuseums Bokrijk in der Provinz Limburg. Hier rollen Radler in einer mitten durch das Wasser gebauten Rinne auf Augenhöhe vorbei an Schilflandschaften und Wasservögeln.

 Die Arbeit an dem Buch habe ihm auch deshalb so viel Spaß gemacht, weil da „so viel Neues drin ist“, sagt Minderjahn. Ein Reiseführer „im klassischen Sinne“ sei es nicht geworden, obwohl der Autor bekannte Adressen wie das Atomium in Brüssel oder den Antwerpener Bahnhof keineswegs ausgrenzt. Aber Minderjahn richtet den Blick lieber auf Dinge, die sonst zu leicht übersehen werden. „Wer weiß denn schon, dass es in Belgien ein Museum für Weißblechdosen gibt?“ Der Reisejournalist – außerdem noch Übersetzer und PR-Berater – hat das Kuriositätenkabinett mit über 59.000 Dosen mit Lithografiedrucken aus aller Herren Länder in der Nähe von Huy gefunden. „Man sagt ja, dass es in Belgien für alles ein Museum gibt“, meint Minderjahn und verweist etwa auf das Möhrenmuseum in Eynatten, das Wäschemuseum in Spa oder das Straßenmuseum in Henri-Chapelle, wo sechs Pflasterparzellen die Geschichte der Chaussée Charlemagne über verschiedene Epochen dokumentieren.

„Das sind alles Appetithäppchen“, meint der Autor. Appetit hat allerdings in Belgien oft größere Ausmaße, und ein Häppchen kann ein ausgewachsener Happen sein. Ein Mitraillette (französisch für Maschinengewehr) zum Beispiel ist ein aufgeschnittenes Baguette, das mit Fleisch, Pommes frites und Saucen befüllt wird. „Die Dinger sind so groß, dass man sie wie ein Maschinengewehr unter dem Arm tragen muss“, erklärt Minderjahn, „vielleicht kommt daher der Name.“

Obwohl im Buchtitel von Orten die Rede ist, gibt sich der Autor seitenweise der belgischen Küche hin, auch wenn sie nicht immer genau zu verorten ist. Ansonsten aber hat er sein Buch geographisch sortiert: Es gibt Kapitel über Flandern, die Wallonie, die Region Brüssel und die deutschsprachigen Ostkantone.

Und das World Wide Web gehört zur Wallonie: In Mons ist heute das Mundaneum zu bewundern, dessen Mitbegründer Paul Otlet am Ende des 19. Jahrhunderts das gesamte Schrifttum der Welt als Bibliographie in Zettelkästen erfassen wollte. Otlet und sein Mitstreiter Henri La Fontaine gelten deshalb als frühe Vordenker des Internets, die französische Zeitung Le Monde bezeichnet das Mundaneum vor Jahren als „Google in Papierform“.

Auf rund 200 Seiten lässt das Buch einen immer wieder darüber staunen, was das kleine Land alles hervorgebracht hat: Das Saxophon zum Beispiel, die erste Misswahl in Europa und den Orient-Express sowieso. Den legendären Zug setzte Georges Nagelmackers aus Huy auf die Schiene, im ebenso legendären Film „Mord im Orient-Express“ ermittelt der – belgische – Detektiv Hercule Poirot, dessen britische Erfinderin Agatha Christie ihm den Geburtsort Spa andichtete.