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AVV-Kundenanalyse: Ärger um Befragung von Kindern im Bus

AVV-Kundenanalyse stößt auf Kritik : Ärger um Befragung von Kindern im Bus

Dürfen auch Kinder im Zuge einer Kundenanalyse befragt werden? Aseag und Aachener Verkehrsverbund (AVV) sagen ja. Und tatsächlich werden derzeit auch Kinder und Jugendliche unter anderem in den Bussen der Aseag – genau wie in jenen im gesamten AVV-Gebiet in Aachen, der Städteregion sowie den Kreisen Düren und Heinsberg – in eine Fahrgastbefragung einbezogen. Das sorgt für Ärger.

So zum Beispiel jüngst in einem Bus von Aachen-Bushof Richtung Haaren. Etliche Schülerinnen und Schüler nutzten an diesem Nachmittag wie immer die Linie, um von der Schule nach Hause zu kommen. Ebenfalls in dem Bus unterwegs war ein „Mann mit einer roten Jacke“, wie Kinder erzählen. Er habe die Kinder nach ihren Fahrausweisen gefragt. „Alle haben gedacht, das ist jetzt eine Kontrolle“, erzählt eine zwölfjährige Schülerin.

Der Mann habe ein Tablet dabei gehabt und die Fahrausweise – bei Schülern meist das School&Fun-Ticket – hineingeschoben. Was aus Sicht der Kinder bei einer Ticketkontrolle noch normal erscheint. Dann aber ging es weniger normal zu. Denn der Mann habe angefangen, Fragen zu stellen. „Er hat gefragt, wo ich eingestiegen bin und wo ich aussteige und wo ich wohne“, so die Schülerin. Das sei ihr komisch vorgekommen und sie habe geantwortet: „Das sage ich nicht.“ Daraufhin habe der Mann genervt gewirkt.

Andere hätten gesagt, wo sie wohnen, sogar mit Adresse. Zwischendurch seien Antworten in das Tablet eingegeben worden. Nicht gesagt habe der Mann, dass die Beantwortung der Fragen freiwillig sei. Zum Warum der Befragung habe er während des Gesprächs eher nebenher gesagt, das Busfahren solle verbessert werden. Bei einigen Kindern habe die Situation für Verunsicherung gesorgt.

Aktion bis Dezember

Auf Nachfrage bestätigt die Aseag, dass es kein Zufall war, dass hier Kinder befragt wurden, sondern dass das im Gegenteil gewollt sei. Es handele sich um eine AVV-Kundenbefragung, die im im gesamten Verbundgebiet in Bussen und Bahnen noch bis Dezember laufen soll. „Grundsätzlich können alle Fahrgäste befragt werden – auch Schülerinnen und Schüler, die einen großen Teil unserer Fahrgäste ausmachen“, sagt Aseag-Sprecher Paul Heesel.

Beauftragt mit der Befragung ist ein externes Aachener Unternehmen, das rund 150 Mitarbeiter dafür einsetzt und etwa eine halbe Million Fahrgäste interviewen soll. Das Ganze diene laut Heesel vor allem zwei Zielen: „Die Infos werden benötigt, um die Einnahmen unter den Verkehrsunternehmen fair aufzuteilen und zuverlässige Daten für die weitere ÖPNV-Planung zu haben.“

Personenbezogene Daten wie Namen und Adressen würden nicht erhoben, betont Heesel. Die elektronische Tickets würden ausgelesen, „um die Art des Tickets feststellen zu können“. Die Interviewer hätten einen Ausweis und würden vor den Gesprächen darauf hinweisen, dass es um eine Befragung geht. Die Aussagen von Schülerinnen und Schülern gegenüber unserer Zeitung widersprechen dem jedoch.

Fachleute stufen den Fall unterschiedlich ein. Rechtsanwalt Jens Ferner aus Alsdorf, Experte für Datenschutzrecht, sagt: „So darf es auf keinen Fall laufen. Auch vor dem Hintergrund, dass sonst an allen Ecken und Enden der Kinder- und Jugendschutz eine große Rolle spielt. Da gehen bei mir alle Alarmlampen an.“ Aber auch rechtlich sei das Vorgehen bei der Befragung fragwürdig. Abgesehen davon müsse man zumindest nach der Befähigung der Interviewer fragen. „Wenn man Kinder befragt, müssten die Mitarbeiter dann auch speziell für den Umgang mit Kindern geschult sein, um ihnen kindgerecht zu erklären, warum man die Fragen stellt und worum es überhaupt geht, statt einfach drauflos zu fragen“, so Ferner.

Bei der Landesdatenschutzbeauftragten sieht man in diesem Fall und selbst bei Kindern keinen rechtlichen Verstoß, wie Pressesprecher Nils Schröder auf Anfrage sagt. Vorausgesetzt, es werden tatsächlich keine personenbezogenen Daten erfasst. Dann nämlich kämen auch die ansonsten geltenden Vorschriften nicht zum Tragen. Laut Datenschutzgrundversordnung dürfen im Fall der Datenerfassung Jugendliche unter 16 Jahren nicht ohne schriftliche Einwilligung der Eltern befragt werden. „Zugegebenermaßen kann es Fallkonstruktionen geben, bei denen jemand auch ohne Datenerfassung identifizierbar ist“, so Schröder. Wenn etwa im Umfeld einer Haltestelle nur ein Haus wäre, in dem es genau einen Nutzer eines bestimmten Tickets gäbe. Doch das wären dann sehr seltene Einzelfälle. Nach Einschätzung Schröders wäre es aber – ähnlich wie es Jens Ferner sagt – mit Blick auf Kinder „sicher eine gute Idee, bei den Interviews genau darauf hinzuweisen, worum es geht“. Aber das liege nicht im rechtlichen Bewertungsspektrum der Landesdatenschutzbeauftragten.

Die Kritik nehmen die Verantwortlichen an. Paul Heesel dazu: „Es tut uns – Aseag und Aachener Verkehrsverbund – leid, dass die Befragung nicht eindeutig als solche zu erkennen war. Es muss den Fahrgästen deutlich werden, dass es um eine Befragung geht. Es ist uns wichtig, dass die Interviewer freundlich und mit der notwendigen Sensibilität auftreten – gerade bei Kindern.“ Man werde darauf noch einmal hinweisen.