Gesetzentwürfe : Auch Abschiebe-Novelle der NRW-Regierung unter schwerem Beschuss
Düsseldorf Nach dem Proteststurm gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes droht der nordrhein-westfälischen Regierung auch bei ihrer geplanten Abschiebehaft-Novelle erheblicher Widerstand.
Die schwarz-gelbe Koalition will die Sicherheit in der Abschiebehaft erhöhen und dafür Freiheitsbeschränkungen für Gefährder und Strafen für notorische Störer legitimieren. In ihren Stellungnahmen an den Landtag äußern sowohl die Freie Wohlfahrtspflege als auch Flüchtlingsorganisationen gravierende, teils verfassungsrechtliche Bedenken.
Am 7. November werden die Sachverständigen im Integrationsausschuss des Düsseldorfer Landtags angehört. Geladen sind unter anderem auch Vertreter der Kommunen und des Bundesinnenministeriums. Beim Polizeigesetz hatte die Landesregierung kürzlich bereits einlenken müssen.
Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) hatte seinen Gesetzentwurf zur Abschiebungshaft unter anderem mit veränderten Sicherheitsmaßstäben nach dem Terrorfall Anis Amri begründet. Die Vorkehrungen in der Unterbringungseinrichtung in Büren müssten daran angepasst werden. In der bundesweit größten Abschiebehaftanstalt werden Männer aus ganz NRW untergebracht, bei denen befürchtet wird, dass sie sich der Rückführung entziehen.
Der Flüchtlingsrat NRW, der grundsätzlich gegen Abschiebungshaft ist, warnte davor, das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt von 2016 zu missbrauchen, um „inflationär Grundrechte einzuschränken oder aber mögliche Vollzugsdefizite der kommunalen und zentralen Ausländerbehörden auszugleichen“. Der Verein sieht in den geplanten Verschärfungen unter anderem einen Verstoß gegen das europäische Trennungsgebot zwischen Justizvollzug und Abschiebehaft.
Dass im Gesetzentwurf freiheitsentziehende Maßnahmen mit „Unterstützung der Polizeibehörden bei der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung“ begründet werden, sei „unter Umständen sogar verfassungswidrig“, argumentiert der katholische Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Der Flüchtlingsrat NRW bewertet das ebenfalls als „unzulässige Zweckerweiterung der Abschiebungshaft“.
Auch bei der Freien Wohlfahrtspflege würden deshalb „die jetzt geplante Ausweitung der Nachtruhe, die Gitterstäbe vor den Fenstern, die hohen Mauern mit Stacheldraht oder die abgeschlossenen Zimmer und Flure mit großer Sorge beobachtet“, schreibt die Arbeitsgemeinschaft.
Laut Gesetzentwurf soll die Ruhezeit in der Abschiebehaft auf bis zu 16 Stunden täglich ausgedehnt werden können. Außerdem soll ermöglicht werden, „die neu aufgenommenen Untergebrachten unter weitgehendem Ausschluss ihrer Bewegungsfreiheit bis zu einer Woche beobachten zu können“. Wenn sie als gefährlich eingestuft werden, sollen sie in einem besonders gesicherten Bereich untergebracht werden.
„Höchst problematisch stellt sich die weite Auslegung des Gefahrenbegriffs dar“, bemängelt der Flüchtlingsrat. „Der Gesetzentwurf ist geprägt vom Gedanken der Sicherheit und Ordnung.“ Den Bedürfnisse der Betroffenen werde er hingegen nicht gerecht und sei daher „insgesamt abzulehnen“.
Für gefährliche Personen oder „hartnäckige Störer“ wird ein ganzer Katalog von Sanktionsmaßnahmen eröffnet: von der bislang schon möglichen Fesselung über Einschränkungen bei der Nutzung von Mobiltelefonen, Internet und Einkaufsmöglichkeiten, der Sport- und Freizeitgestaltung bis hin zu Restriktionen bei Besuchen, Geschenken und Paketen. Aus Sicht des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes müsste ein verschärfter Freiheitsentzug einem Richterbehalt unterliegen - vor allem bei Fixierungen.
In den vergangenen Monaten war über Gewalteskalationen in Büren, Randale und Angriffe auf das Personal berichtet worden. Stamp hatte daraufhin erklärt, viele Ausreisepflichtige seien bereits zuvor durch Gewaltdelikte aufgefallen. Es herrsche aber „kein Chaos“ in der Anstalt.