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Exzellenzcluster ML4Q der RWTH: Anknüpfen an Einstein, Planck und Heisenberg

Exzellenzcluster ML4Q der RWTH : Anknüpfen an Einstein, Planck und Heisenberg

Die Quantenmechanik wurde maßgeblich in Deutschland entdeckt. Mit dem Exzellenzcluster ML4Q will die RWTH das Forschungsfeld voranbringen.

Deutschland tut sich schwer, Schritt zu halten. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Land, das bedeutende Physiker und Vordenker wie Albert Einstein oder Max Planck hervorbrachte, bei allen Technologiesprüngen den Anschluss verpasst: Die Grundlagenforschung hier ist nach wie vor Weltklasse, aber es entstehen keine international führenden Unternehmen und keine neuen Branchen. Quantentechnologien sind ein letzter Grashalm, an den sich Deutschland und Europa klammern.

Einer von drei Bausteinen

Die RWTH Aachen schenkt dem gesamten Thema deshalb viel Aufmerksamkeit. Die Aachener Forscher haben sich mit Kollegen der Universitäten in Köln und Bonn und aus dem Forschungszentrum Jülich zusammengetan, um das Exzellenz-Cluster ‚Materie und Licht für Quanteninformation‘, kurz ML4Q, zu bilden – und im vergangenen September die Förderzusage erhalten.

ML4Q ist einer von drei Bausteinen, die die Grundlage sein sollen dafür, dass Aachen Exzellenz-Universität bleibt. Am 19. Juli wird bekannt gegeben, welche Universitäten künftig als Teil der Exzellenzstrategie jährliche Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe von Bund und Ländern erhalten. Die beiden anderen RWTH-Cluster sind das ‚Fuel Science Center‘, an dem erforscht wird, wie Kraftstoffe so effektiv wie möglich aus Biomasse gewonnen werden können, und ‚Internet of Production‘. Hier geht es darum, Produktionstechnik zu vernetzen und zu optimieren.

Der Tag X, an dem die Forscher des ML4Q-Clusters sagen, dass sie ihr Ziel, einen Quantenrechner oder etwas Vergleichbares zu bauen, erreicht haben, liegt viel weiter in der Zukunft als bei den zwei anderen RWTH-Clustern. „Ein fertiges Ding ist erstmal gar nicht das Ziel“, sagt Tommaso Calarco (49), Professor für Theoretische Physik an der Universität zu Köln und leitender Quantencomputer-Entwickler am Forschungszentrum Jülich. „Das ist noch viel zu weit weg.“

In den USA gibt es bereits erste Ansätze, einen solchen Quantencomputer zu bauen – IBM und Google haben dabei die Nase vorn. Doch auch in Aachen und Jülich haben Wissenschaftler bereits erste Qubits entwickelt und miteinander verbunden. Dass diese Expertise international gefragt ist, zeigt die neue Kooperation mit Google. Ein laut Calarco „fertiges Ding“, das die Möglichkeiten hat, die sich Wissenschaftler schon heute ausrechnen, ist aber noch lange nicht in Sicht. „Wir arbeiten im Moment noch an den Bausteinen. Und wir brauchen noch viele solcher Bausteine“, sagt Calarco. Man stecke da noch tief in der Grundlagenforschung. Und dafür ist auch der ML4Q-Zusammenschluss da, eben um einen Baustein zum großen Ganzen beizutragen.

ML4Q ist laut Calarco nicht nur sinnvoll, sondern genau an der richtigen Stelle. „In Europa und gerade in Deutschland ist die Exzellenz, was Quantentechnologien angeht, breit verteilt. Die Quantenmechanik wurde sogar in Deutschland entdeckt“, beschreibt Calarco. Namentlich wären da neben Albert Einstein die Physiker Max Planck, Werner Heisenberg oder Erwin Schrödinger zu nennen. Aber auch in der Gegenwart ist deutsche Forschung auf dem Gebiet wegweisend.

Baden-Württemberg sei eine Art Hochburg auf dem Gebiet Quantensensorik, erläutert Calarco. Die Uni Bonn habe weltweit anerkannte Expertise auf dem Feld der Quantenoptik, für Aachen gelte das auf dem Gebiet der Material- und Halbleiter-Forschung, Topologie und Vielteilchenphysik sei die Stärke in Köln. Und Jülich sei stark auf dem Gebiet des Quantencomputing. „Daraus ein Netzwerk zu bauen – das war von Anfang an strategisch motiviert“, beschreibt Calarco den exzellenten Zusammenschluss. „Wenn es uns gelingt, das auszuleben, dann können wir sehr viel erreichen.“

Etwas anderes muss laut Calarco noch innerhalb von ML4Q, in Deutschland und europaweit passieren, wenn die Forscher hier den Quanten-Zug nicht verpassen wollen. „In den USA investieren die Unternehmen sofort, wenn es Fortschritte in der Quantentechnologie gibt“, berichtet Calarco. Deswegen stehen die Quantencomputer mit den meisten miteinander verschalteten Qubits gerade bei Google und IBM, obwohl ein Großteil des Wissens aus Europa stammt. Es gibt in Europa durchaus konkurrenzfähige Quantenmaschinen, beispielsweise in Innsbruck. Allerdings seien Wissenschaft und Industrie in den Staaten und in China viel enger verdrahtet – und finanziell weitaus besser ausgestattet.

Vor drei Jahren hat der Physiker mit zwei Kollegen deswegen das sogenannte Quantenmanifest herausgegeben, das 3400 Experten aus Wissenschaft und Industrie unterzeichnet haben. Darin fordert er, dass Europa die Quanten-Kräfte bündelt, um international wettbewerbsfähig zu sein. Daraus ist das ‚Quantum Flagship‘ geworden, also das Quanten-Flaggschiff, ein EU-Projekt mit einem Volumen von einer Milliarde Euro.

Kraft des europäischen Wissens

Ein vorzeigbares Resultat soll der Betrieb eines europäischen Quantencomputers mit 50 bis 100 Qubits sein, der gerade am Forschungszentrum aufgebaut wird. „Die Komponenten werden in ganz Europa erforscht und hergestellt“, erklärt Calarco. Es geht aber um mehr als diesen einen Rechner. Es geht darum, die Kraft des Wissens in Europa auf die Straße zu bringen. Und dazu kann auch ML4Q einen wichtigen Beitrag leisten, indem es Teil von etwas Größerem wird.