Verzweifelte Suche nach jungem Mann : Das mysteriöse Verschwinden von Nick Stolz
Aachen Seit knapp zwei Wochen wird der 22-jährige Nick Stolz aus Voerde vermisst. Zuletzt hielt er sich im Aachener Stadtteil Burtscheid auf, wo sich seine Spur unter mysteriösen Umständen verliert.
Die Polizei ermittelt, seine Familie sucht verzweifelt nach ihm und hat dafür sogar eine Hundestaffel engagiert. Doch die fieberhafte Suche bleibt bisher ohne Erfolg.
Es ist ziemlich genau zwei Wochen her, dass das Leben der Familie Stolz von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt wurde. Am 28. September, einem Samstag, klingelte gegen 14 Uhr die Polizei an ihrem Haus im kleinen Städtchen Voerde am Niederrhein. Ob sie wüssten, wo der Sohn der Familie, der 22-jährige Nick, sich aufhalte, wollten die Beamten von den Eltern Theresa und Alfred Stolz und von Nicks Schwestern Jessica und Ilona wissen.
Diese fielen aus allen Wolken. Denn nur ein paar Stunden vorher, gegen 9.45 Uhr, hatte sich der junge Mann zu Hause auf den Weg gemacht – zur Uni, wie seine Familie dachte. Doch seitdem ist Nick Stolz verschwunden. Und weil sich seine Spur nicht an der Uni, sondern im gut 130 Kilometer entfernten Aachener Stadtteil Burtscheid verlor, pendelt die Familie Stolz seitdem nahezu täglich nach Aachen. Mit großem Aufwand und wachsender Verzweiflung suchen die Angehörigen nach Nick. Bislang ohne Erfolg.
Nicks Schwester Jessica kämpft mit den Tränen, als sie den Anfang dieser Horrorgeschichte erzählt, die sie seit zwei Wochen durchlebt. Sie, ihr Freund, ihre Schwester, ihre Eltern – sie alle befinden sich seitdem in einem emotionalen Ausnahmezustand. Sie alle wälzen unablässig Fragen in ihren Köpfen: Wo ist Nick? Was ist passsiert? Was hat er getan? Oder hat man ihm etwas getan? Und vor allem: Warum ist er verschwunden? Und hätten wir etwas bemerken können?
„Ich kann das nicht verstehen, dass er einfach weg ist, er ist doch immer so hilfsbereit“, sagt seine Schwester Jessica. Neben ihr sitzt der Vater und schüttelt den Kopf. „Er ist so ein lieber Junge“, sagt er. Ein ganz ruhiger, zurückhaltender Junge, fügt er hinzu. Kein Alkohol, keine Zigaretten, eher unauffällig. Doch nicht nur für seine nächsten Angehörigen ist der Fall rätselhaft. Auch für Außenstehende wirft er viele Fragezeichen auf. Denn der junge Mann ist in Aachen unter durchaus mysteriösen Umständen verschwunden.
Gesichert ist die Erkenntnis, dass er an jenem 28. September in einer kleinen Wohnstraße im Aachener Stadtteil Burtscheid seinen Wagen geparkt, vor einer Haustür ein Paket abgelegt, geklingelt hat und dann weggegangen ist. In dem Paket befanden sich unter anderem Wertgegenstände, eine beträchtliche Summe Bargeld, Autopapiere und -schlüssel sowie ein Brief. In dem Haus wohnt eine junge Frau, die die Polizei später in ihrer ersten Vermisstenmeldung als „flüchtige Bekannte“ von Nick bezeichnet.
An sie sind Paket und Brief adressiert, sie selber alarmiert wegen des merkwürdigen Fundes die Polizei. Denn bei dem Brief handelt es sich laut Polizei um „eine Art Testament“, Nick teilt der jungen Frau darin offenbar mit, dass sie die Sachen in dem Paket behalten soll. Laut den Ermittlern ist es allerdings kein Abschiedsbrief, wie ihn ein Mensch schreibt, der sich das Leben nehmen will. Auch habe er dies in dem Brief nicht angekündigt, heißt es auf Nachfrage bei der mittlerweile zuständigen Polizei in Wesel. Und die Bezeichnung „flüchtige Bekannte“ habe man verwendet, weil die junge Frau angegeben habe, mit Nick zuletzt vor zwei Jahren Kontakt gehabt zu haben.
Nicks Schwester Jessica schüttelt den Kopf, als sie auf diesen Punkt zu sprechen kommt. Ihr kommt die Sache mit der „flüchtigen Bekannten“ mysteriös vor, sie kann das nicht glauben. „Wieso sollte er ihr sein geliebtes Auto und das Geld schenken, wenn der letzte Kontakt vor zwei Jahren war?“, fragt sie. Von der jungen Frau habe sie im Übrigen vorher nie etwas gehört. Nur ihre Mutter habe mitbekommen, dass Nick vor zwei Jahren mal zu einem Geburtstag in Aachen war. Mittlerweile haben sich Nicks Angehörige nach eigenen Angaben mit der jungen Frau und ihrer Familie in Verbindung gesetzt. Man habe sich zusammengesetzt, geredet, aber nicht viel Neues erfahren, erzählt die Mutter.
Vor knapp zwei Wochen, als der Besuch der Polizei das Leben der Familie Stolz auf den Kopf stellte, kam nach und nach heraus, dass Nick sein Verschwinden offenbar akribisch vorbereitet hatte. Seine Angehörigen stellten fest, dass er seinen Job schon einen Monat vorher aufgegeben, sein Konto leergeräumt, seine Bausparverträge und seinen Handyvertrag gekündigt hatte – was fast so klingt, als habe er alle Brücken hinter sich abbrechen wollen.
Allerdings hat er auch zwei Handys ohne Sim-Karten mitgenommen. „Macht jemand so etwas, wenn er sich das Leben nehmen will?“, fragt sich Jessicas Freund Fabian Loch. Für ihn könne das auch nach Untertauchen klingen. Fabian Loch kennt Nick seit sieben Jahren. Zuletzt hatten die beiden jungen Männer damit begonnen, einen Jetski zu bauen, haben stundenlang zusammen getüftelt und gebastelt. Jetzt erzählt Fabian von seinen Gefühlen, dass er manchmal glaubt, Nick habe sich etwas angetan, und dann wiederum überzeugt sei, er habe sich bloß aus dem Staub gemacht.
„Wenn er sich etwas vornimmt, zieht er es auch durch“, sagt Fabian über Nick. Doch was hat er sich diesmal vorgenommen? Was zieht er durch? Zumal zum Mysteriösen in diesem Fall auch gehört, dass Nick am Tag seines Verschwindens sein Elternhaus völlig normal verlässt, zu seinem Wagen geht und losfährt – das zeigen laut den Angehörigen Aufnahmen einer Überwachungskamera –, dann aber 20 Minuten später eilig zurückkehrt, etwas in sein Handy tippt, während er ins Haus zurückeilt, und nach einer knappen Minute wieder losfährt. Wieso tippt er in ein Handy, für das er keine Sim-Karte dabei hat? Oder mit wem hat er da Kontakt?
Nachdem sie die Nachricht von Nicks Verschwinden erhalten hatten, haben seine Angehörigen sozusagen Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden. Sie sind seitdem fast täglich nach Aachen gefahren, haben Flyer mit seinem Foto verteilt, haben Plakate geklebt. „Vermisst!“ steht darauf, darunter sind Fotos abgebildet von Nick und von der auffälligen orange-roten Jacke, die er am Tag seines Verschwindens trug. Sie haben Anlaufstellen für Obdachlose abgeklappert, haben mit Busfahrern gesprochen, haben jede noch so kleine Spur verfolgt, die sich auftat. „An machen Tagen waren wir mit bis zu 25 Leuten in Aachen unterwegs“, erzählt Fabian.
Und an zwei Tagen auch mit sechs Hunden. Gleich zu Beginn der Suchaktion nahm Nicks Schwester Jessica Kontakt zum Verein „Mantrailer West“ auf, einer ehrenamtlichen Rettungshundestaffel mit Sitz in Köln. Schon am Sonntag nach Nicks Verschwinden waren die Hundeführer mit ihren vierbeinigen Spürnasen in Burtscheid im Einsatz. Von Nicks zurückgelassenem Wagen aus führten sie die Suchtrupps zum Ferberpark, zum Kurpark, zum Heißbergfriedhof und zum Marienhospital. Und an der dortigen Parkpalette ereignete sich zwei Tage später, bei der zweiten Suchaktion der Hundestaffel, Erstaunliches.
Dort sah nämlich eine Hundeführerin, wie ein junger Mann, auf den Nicks Beschreibung passte und der eine solch auffällige Jacke trug, die Flucht ergriff, als man nach Nick rief. „Die Kollegin ist sich definitiv sicher, den Vermissten da gesehen zu haben“, sagt Gernot Sieger, der Leiter der Rettungshundestaffel, auf Anfrage unserer Zeitung. Und er geht noch weiter: Man habe bei beiden Suchaktionen Anhaltspunkte dafür gefunden, dass sich Nick zu dem Zeitpunkt in der Nähe aufgehalten haben müsse. Konkreter will Sieger mit Verweis auf die polizeilichen Ermittlungen zwar nicht werden, aber er sagt: „Wir vermuten daher, dass er noch lebt.“
Allerdings ist dieses Ereignis vier Tage nach seinem Verschwinden offenbar das letzte Lebenszeichen von Nick Stolz. Ohne neue Spuren könne die Hundestaffel aktuell nichts machen, sagt Sieger. Laut Polizei gibt es bei den Ermittlungen derzeit keine neuen Erkenntnisse, zumindest keine, über die man reden möchte.
Und bei Nicks Angehörigen macht sich Ratlosigkeit breit. Man hofft auf neue Hinweise, man hofft darauf, dass sich Nick von selber meldet. Immerhin, man hofft. „Ich habe noch Hoffnung“, sagt seine Mutter, „ein Stern ist irgendwo noch da.“ Und Fabian, der Freund von Nicks Schwester Jessica, sagt fast schon trotzig: „Der muss einfach wiederkommen, wir müssen doch noch den Jetski zu Ende bauen.“