Kommentar zum Bahnstreik : Weselsky geht zu weit
Meinung Aachen Mit Recht kritisiert Weselsky, dass die Eisenbahnergewerkschaft (EVG) einen viel zu niedrigen Tarifabschluss akzeptiert hat. Trotzdem geht er mit den angekündigten Streiks der GDL zu weit.
An guten Argumenten für weitere Streiks mangelt es der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und ihrem Chef Claus Weselsky wahrlich nicht. Tatsächlich ist es dreist, wenn der Bahnvorstand beim Blick auf das Fußvolk vom Zwang zum Sparen redet und den rund 3500 Führungskräften im Konzern trotz Pandemie Bonuszahlungen in Millionenhöhe gewährt. Mit Recht kritisiert Weselsky, dass die Eisenbahnergewerkschaft (EVG), die in Konkurrenz zur GDL steht, einen viel zu niedrigen Tarifabschluss akzeptiert hat: Das Plus von 1,5 Prozent gibt es erst ab 2022. Inzwischen weiß auch die EVG-Spitze, dass der Bahnvorstand sie über den Tisch gezogen hat.
Trotzdem geht Weselsky zu weit. Ihm und seiner Gewerkschaft fehlt das Mandat und damit die Legitimation für die Streiks. Nicht nur DGB-Chef Reiner Hoffmann wirft ihm das mit Recht vor. In den meisten Betrieben der Bahn hat die GDL keine oder nur wenige Mitglieder. Ganz im Gegensatz zur EVG, die fünf Mal so viele Köpfe zählt. Und entscheidend ist nun mal der Tarifvertrag jener Gewerkschaft, die im Betrieb mehr Mitglieder hat.
Bei den Streiks geht es also nur vordergründig um mehr Geld für die Beschäftigten. Im Hintergrund kämpft die GDL ums Überleben. Mit einem guten Abschluss will Weselsky möglichst viele Eisenbahner in seine Gewerkschaft locken. Das ist nicht in Ordnung, weil alle Bahnnutzer darunter zu leiden haben.
Die Schiene gehört zu den großen Verlierern der Pandemie. Aus Angst vor dem Virus haben Millionen Pendler Bahn und Bus den Rücken gekehrt. Vorsichtig kommen manche inzwischen zurück. Der Streik schreckt sie erneut ab. Dass dieser Arbeitskampf eskaliert und sich über Wochen hinzieht, ist allerdings nicht zu erwarten, denn die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes beginnt. Da will niemand in der Politik einen Dauerstreik.
Also wird die Regierung sich vermutlich einschalten und dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn nahelegen, der GDL ein höheres Angebot vorzulegen und beim Abschluss mit der EVG nachzubessern. Am Ende dürften alle zufrieden sein. Nur wir Steuerzahler nicht, denn wir müssen es schließlich richten.