Kommentar zu Karl Lauterbach : Vom Mahner zum Macher?
Bisher hat sich der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf einem für ihn sicheren Terrain bewegt. Den Kampf gegen Corona hat schließlich kaum einer so beherzt und wissenschaftlich fundiert geführt wie er. Doch wie schlägt er sich als Regierungsmitglied?
Lauterbach ist zum Corona-Erklärer der Nation geworden, nicht ohne stark zu polarisieren. Kanzler Olaf Scholz hat sich aber dem Ruf der Mehrheit der Bürger nicht verschließen können, den ausgewiesenen Experten zum Minister zu machen, zumal jeder andere weiterhin im Schatten Lauterbachs gestanden hätte. Die Erwartungen sind jetzt entsprechend groß, nicht zuletzt, weil Vorgänger Jens Spahn glücklos und teilweise überfordert gewesen ist.
Viele Bürger, aber auch viele Kräfte im Gesundheitssystem vertrauen auf Lauterbach, dass er tatsächlich die Pandemie in Deutschland beendet, und zwar vor einer fünften oder sechsten Welle. Der Rheinländer muss daher jetzt liefern. Gelingt ihm der Wandel vom Mahner zum Macher?
Die ersten Akzente, die Lauterbach gesetzt hat, sind zumindest vielversprechend. Der von ihm einberufene Expertenrat, der sich am Dienstag konstituiert hat, weitet die Sichtweisen, soll Verbesserungen und Innovationen im Pandemiekampf ermöglichen. Das ist notwendig. Auch die eingeleitete Impfstoffinventur ist ein erster, hoffnungsvoller Schritt, dass wieder mehr Klarheit Einzug hält.
Lauterbach kippt damit das Prinzip Spahn, sich treiben zu lassen und auf Sicht zu fahren. Endlich. Denn diese Herangehensweise ist in den letzten zwei Jahren das zentrale Problem deutscher Corona-Politik gewesen. Es hat eindeutig an vorausschauendem Handeln gefehlt.
Der neue Minister muss nun aber auch vieles in konkrete Politik gießen, worüber er bisher nur geredet hat. Das ist für ihn vermutlich die größte Herausforderung, gleichwohl er den Eindruck vermittelt, sich dessen bewusst zu sein. Dafür braucht er allerdings in den nächsten Wochen politische Unterstützer.
Spahn hatte mit Kanzlerin Angela Merkel eine engagierte Corona-Expertin an seiner Seite, die den Kampf gegen das Virus als Chefinnensache ansah. Kanzler Scholz scheint soweit noch nicht zu sein; er hat lange gebraucht, um sich überhaupt klar zu positionieren. Sein Vorgehen in der Krise ist bisher längst nicht so konsequent wie das von Merkel.
Sollte Scholz allein auf Lauterbach setzen wollen, ist das für einen Kanzler in Krisenzeiten aber zu wenig. Und auch bei den Ampel-Koalitionären ist noch nicht klar, auf welche Rückendeckung der neue Gesundheitsminister im weiteren Ringen mit dem Virus bauen kann. Da richten sich die Blicke vor allem auf die FDP.
Wie groß Lauterbachs politisches Durchsetzungsvermögen tatsächlich ist, muss sich also noch zeigen. Das gilt ebenfalls für zahlreiche andere Baustellen, die es in der Gesundheitspolitik noch gibt - von der Pflege bis hin zu stabilen Beiträgen. Corona wird hoffentlich bald besiegt sein. Lauterbach deshalb aber nicht weniger gefordert werden.