Kommentar zum 2. Advent : Viel zu tun. Tun wir’s denn?
Meinung Aachen Der Hunger in der Welt ist auch 35 Jahre nach „Live Aid“ immer noch bittere Realität. In Ländern wie Somalia, Jemen oder Zentralafrikanischer Republik hungern Hunderttausende Menschen. Hin und wieder – und doch viel zu selten – gibt es Berichte in den Nachrichten.
Es gibt da diese unvergessliche Szene vom 13. Juli 1985. Jenen Moment, in dem der Sänger Bob Geldof im altehrwürdigen Wembley-Stadion auf der Bühne stehend die Faust der rechten Hand in die Luft reckt und plötzlich mitten in dem Klassiker „I Don‘t Like Mondays“ innehält. 15 Sekunden steht Geldof einfach da und blickt in die Menge. 15 Sekunden, in denen die ganze Welt stillzustehen scheint. Eine Geste für die Ewigkeit. So wie das Ereignis selbst, das unter dem Namen „Live Aid“ in die Geschichte eingehen sollte.
Zeitgleich treten bei dem Wohltätigkeitskonzert die damals bedeutendsten Bands und Musiker der Welt in London und Philadelphia auf, um ein Zeichen zu setzen gegen die Hungersnot in Äthiopien. Tatsächlich schaut und hört die Welt zu: 1,5 Milliarden Menschen verfolgen das Spektakel im Fernsehen und im Radio. Die Konzerte bilden den vorläufigen Höhepunkt des „Band-Aid“-Hilfsprojekts, das Geldof kurz zuvor maßgeblich
initiiert und mit der Single „Do They Know It’s Christmas?” zum Leben erweckt hat.
„Do They Know It’s Christmas?” In diesen Tagen vor Weihnachten kann man das Lied wieder täglich im Radio hören. Man entkommt ihm kaum. Und immer sind da die Bilder von damals. Wembley. Philadelphia. U2. Queen. David Bowie im Duett mit Annie Lennox. All die anderen Weltstars. Andere Bilder hingegen scheinen in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus dem Blick und vor allem aus unserem Bewusstsein verschwunden zu sein. Es sind die Bilder von hungernden Menschen, die schrecklichen Bilder von ausgemergelten Kindern, von verhungernden Mädchen und Jungen mit dicken Bäuchen, dünnen Beinchen und leeren Augen.
Beschämend
Dabei ist der Hunger in der Welt auch 35 Jahre nach „Live Aid“ immer noch bittere Realität. In Ländern wie Somalia, Jemen oder Zentralafrikanischer Republik hungern Hunderttausende Menschen. Hin und wieder – und doch viel zu selten – gibt es Berichte in den Nachrichten. Auch in unserer Zeitung. Allerdings eher zufällig. Oft nur dann, wenn eine Kollegin oder ein Kollege auf die Idee kommt, es sei an der Zeit, mal wieder etwas zum Thema Hunger in Afrika zu machen. Das klingt schlimm. Ist aber, wenn man ehrlich ist, die bittere Realität. Sie ist beschämend genug. Für uns alle.
Es ist eine der ungeklärten Fragen. Und sie wird es wohl immer bleiben. Letztlich muss sie jeder für sich selbst beantworten: Wie kann man unbeschwert in den Tag leben, obwohl man weiß, dass im gleichen Moment unzählige Menschen auf der Welt an Hunger sterben? Am Ende bleibt meistens die eigene Hilflosigkeit, das Gefühl, es nicht ändern zu können. Am liebsten will man gar nicht weiter darüber nachdenken. Es ist die eigene Kapitulation vor der großen Ungerechtigkeit dieser Welt. Ab und zu spendet man vielleicht. Weil es tatsächlich das Einzige ist, was man tun kann.
Zehn Millionen Euro haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, im Lauf der 25-jährigen Partnerschaft von Unicef und Medienhaus Aachen gespendet. Mit zahlreichen Artikeln würdigen wir Ihre großherzige Spendenbereitschaft und die Zusammenarbeit mit Unicef. Sie stehen dafür, dass sich Spenden lohnt. Wir haben allen Grund, aus Überzeugung zu spenden!
Weihnachtlich
Dass die Bereitschaft zu spenden in dieser besonderen Zeit des Jahres größer ist als sonst, liegt auf der Hand. Es ist der Beleg dafür, dass der Advent, dass Weihnachten etwas mit uns Menschen macht. Vielleicht sind wir in diesen Wochen tatsächlich ein Stück gutmütiger und großzügiger als sonst – und wenn schon. Wenn wir im Rest des Jahres weniger spendabel sind, dann ist das so. Dafür muss sich niemand schämen.
Hunger in der Welt bleibt ein riesiges Problem. Ebenso wie die Wasserversorgung weltweit. Während wir uns in Zeiten von Corona gar nicht oft genug mit frischem Leitungswasser die Hände waschen können, haben weltweit 2,2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser.
Als Bob Geldof am 13. Juli 1985 die Faust in den Londoner Himmel streckte, war das eine Geste für die Ewigkeit. Die Welt verändert hat es nicht. Es gibt immer noch viel zu viele Menschen, denen das Nötigste zum Leben fehlt.