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Kommentar zu Scholz und alten Fehlern: Viel zu kehren

Kommentar zu Scholz und alten Fehlern : Viel zu kehren

Der Bundeskanzler beschwert sich über Vorwürfe. Aber sind die wirklich ungerechtfertigt? Und richten sie sich eigentlich nur an die SPD?

Olaf Scholz hat recht: Unter und von Konrad Adenauer ist die SPD außenpolitisch verleumdet worden; man braucht nur an einschlägige Wahlplakate zu denken. Das war auch zu Beginn der 1970er Jahre nicht viel anders, als CDU und CSU Willy Brandt und dessen Ostpolitik diffamierten; manche Reaktionen aus der Union auf Brandts Kniefall in Warschau waren geradezu widerlich.

Zur historischen Bestandsaufnahme gehört aber auch, dass die SPD viel Zeit gebraucht hat, um sich Adenauers Westpolitik anzuschließen, jedenfalls länger, als CDU und CSU benötigten, um Brandts Ostpolitik zu akzeptieren. Das sind hochinteressante Geschichtslektionen, die zu beherzigen, sich immer lohnt.

Fehler der Vergangenheit

Scholz will mit seinen historischen Verweisen ein wenig von der Gegenwart ablenken. Er beruft sich richtigerweise auf Brandt und Helmut Schmidt, vergisst aber bewusst und fatalerweise Gerhard Schröder. Wer Scholz hört, könnte auf den Gedanken kommen, es entspringe purem Zufall, dass der Ex-Kanzler, der sich Wladimir Putin an den Hals geworfen hat, zur Kanzlerpartei gehört. Mit seiner Sympathie für den Despoten im Kreml steht Schröder, der in der SPD eben nicht irgendwer war und ist, der französischen Rechtsextremistin Marine Le Pen viel näher als dem Bundeskanzler.

Wer in Zukunft Fehler vermeiden will, sollte jene aus der Vergangenheit genau unter die Lupe nehmen. Daran kommt Scholz nicht vorbei. Es hat auch keinen Sinn, sich hinter Kanzlerin Angela Merkel zu verstecken, die – nicht als einzige unter den führenden Köpfen in der Union – Nord Stream 2 ein rein wirtschaftliches Projekt nannte. Dieser abstrusen Einschätzung wurde immer schon widersprochen – nur nicht von SPD und CDU/CSU. Wenige Wochen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte Unionsfraktionschef Friedrich Merz noch davor gewarnt, Russland aus dem Banken-Zahlungssystem Swift auszuschließen.

Jede der beiden großen Parteien findet also vor der eigenen Haustür genug Dreck, der aufzukehren wäre. In Mecklenburg-Vorpommern wurde 2021 jene fragwürdige Umweltstiftung gegründet, deren Zweck es war, Nord Stream 2 zu vollenden und zu sichern. In diesem Skandal sehen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und andere führende Sozialdemokraten ganz schlecht aus, aber die dortigen Christdemokraten auch nicht viel besser; sie stimmten im Landtag zu, die Stiftung zu gründen, und wollen sich jetzt damit herausreden, sie hätten deren wahren Zweck damals nicht gekannt. Wer soll ihnen so viel Naivität abnehmen?

Weder der Bundeskanzler und seine SPD noch Merz und die CDU/CSU dürfen sich weigern, die Gründe für falsche Politik aufzuarbeiten. Warum hat sich Deutschland so stark in wirtschaftliche (und politische?) Abhängigkeit von üblen Diktaturen wie jenen in Moskau und Peking gebracht? Die Vermutung liegt nahe, dass Schröder, Merkel und Scholz die Mehrheit der Wahlbürger hierzulande ziemlich gut kennen. Deshalb ließen sie sich von einem Hauptmotiv leiten, das den Deutschen peinlich sein müsste: Wohlstand, Wohlstand, Wohlstand, möglichst viel, viel, viel und billig, billig, billig. Das trübt dann schon mal den Blick auf die Freiheit. Die ist teuer. Aber auch wenn es unbequem wird, darf sie niemandem zu teuer sein.Daran könnte man sich in der Adventszeit während der Fußball-WM in Katar auch noch mal erinnern.