1. Meinung

Kommentar zu Fehlern in der Pandemie: Mehr Demut, bitte

Kommentar zu Fehlern in der Pandemie : Mehr Demut, bitte

Fehler sind menschlich – auch in der Corona-Pandemie. Doch was vielen Politikern nach falschen Entscheidungen gut zu Gesicht stehen könnte, ist Demut, meint unser Autor Rolf Eckers.

Politische Fehler gab und gibt es in der Coronavirus-Pandemie mehr als genug. Ein besonders schwerwiegender stammt aus dem Frühjahr 2020: Damals wurde die Debatte über eine vielleicht notwendige Impfpflicht für überflüssig erklärt. Bei jeder neuen Welle hielten nicht nur die Parteien daran fest, sondern auch in den Medien gab es so gut wie keine andere Position. Impfpflicht – niemals! Unter dem Eindruck der dramatischen Bilder von den Intensivstationen deutscher Kliniken ändert sich das gerade. Denn trotz aller Appelle liegt die Impfquote immer noch unter 70 Prozent. Rund 15 Millionen Erwachsene verweigern den Piks. Die Überlastung des Gesundheitssystems droht nicht, sie ist vielerorts Realität. Und die Stimmen mehren sich, die eine Impfpflicht fordern – sogar führende Köpfe von der FDP wie Joachim Stamp treten dafür ein.

Es ist gut, wenn die Verantwortlichen im Lichte neuer Erkenntnisse ihre Haltung verändern. Noch besser wäre es, gleichzeitig Fehler zuzugeben und daraus zu lernen, mit weniger Selbstgewissheit aufzutreten. In der Corona-Krise haben Politiker oft nicht nur Einschätzungen geäußert, sondern falsche Garantien abgegeben: keine Impfpflicht, nie wieder Lockdown, keine erneuten Schulschließungen. Die Regierenden schließen damit Maßnahmen aus, deren künftige Notwendigkeit sie gar nicht beurteilen können. Damit steuern sie offenkundig in eine Sackgasse. Am Ende müssen sie entweder ihre Versprechen brechen oder den Kollaps des Gesundheitssystems riskieren. Glaubwürdiger wäre es, mehr Demut zu zeigen und die Unsicherheit in der Lagebeurteilung einzuräumen. Wie es nicht laufen sollte, zeigt Noch-Außenminister Heiko Maas (SPD), der eine Impfpflicht noch vor wenigen Tagen kategorisch ausgeschlossen hat. Oder Marco Buschmann (FDP), der noch Ende Oktober eine Überlastung der Krankenhäuser für undenkbar hielt.

Warum Noch-Kanzlerin Angela Merkel an ihrem Schweigen festhält, erschließt sich nicht. Ihrer Ansicht nach ist die Lage ernst wie nie. Diese Meinung teilt sie mit Lothar Wieler, dem Chef des Robert Koch-Institutes. Und trotzdem vermeidet sie einen öffentlichen Auftritt, um klar zu sagen, dass sie das Pandemie-Gesetz der künftigen Ampel-Koalition für unzureichend hält. Hinter verschlossenen Türen im CDU-Bundesvorstand fordert sie die Bundesländer auf, den noch vorhandenen Rechtsrahmen für flächendeckende Schließungen und Ausgangssperren zu nutzen. Angesichts von fast 100.000 Corona-Toten in Deutschland und bald überall überfüllten Intensivstationen hätte sie mit ihrem Appell in die Offensive gehen müssen. Merkel genießt in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen. Leider nutzt sie das nicht so wie sie könnte zur Eindämmung der Krise.