Kommentar zur Wahl von Friedrich Merz : Eine Reise rückwärts
Meinung Das Votum der CDU-Basis ist überraschend eindeutig. Friedrich Merz soll neuer Parteichef werden. Eine gute Wahl?
Zurück in die Vergangenheit: Mit Friedrich Merz haben die CDU-Mitglieder den konservativsten der drei Bewerber zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Ein Signal des Aufbruchs? Mitnichten!
Anders als sein gescheiterter Vorgänger ist Merz der Liebling eines großen Teils der christdemokratischen Basis. Er steht für klare Kante, weiß eloquent aufzutreten, beherrscht das Fach politische Attacke und kann polarisieren. Für den Führer der größten Oppositionspartei im Bundestag sind das sicherlich wichtige Eigenschaften. Wohl auch deshalb fiel die Wahl der CDU-Mitglieder so eindeutig aus. Aber ein erfolgreicher Chef sollte mehr können. Er muss integrieren, die unterschiedlichen Flügel seiner Partei beieinander halten sowie ein Gespür für die drängenden Probleme der Zeit und der Zukunft entwickeln. Und genau an diesen Punkten könnte Merz für die CDU schnell zum Problem werden.
Denn der 66-Jährige steht für jenen Teil der Christdemokraten, der sich in die Zeit vor Angela Merkel zurücksehnt, weil er mit den von der Ex-Kanzlerin beförderten oder geduldeten gesellschaftlichen Modernisierungsschüben mehr oder minder gefremdelt hat. Der Sauerländer ist trotz gegenteiliger Beteuerungen ein wirtschaftsnaher, neoliberaler Hardliner, der in der Vergangenheit selbst zum Ärger mancher Parteifreunde wenig Empathie für die Nöte der „kleinen Leute“ gezeigt hat. Und Merz ist bislang niemand, der glaubhaft vermitteln konnte, dass ihm Klimaschutz und der Kampf gegen die tiefe wirtschaftliche Spaltung wichtige Anliegen sind. Dass sich daran etwas ändern und Merz sich im Amt des Parteichefs völlig neu erfinden wird, ist kaum zu erwarten.
Die für die CDU entscheidende Frage ist deshalb: Wen kann Merz mit seiner Haltung außerhalb des christdemokratischen Kernmilieus ansprechen? Vielleicht schafft er es, manche zur AfD abgedriftete konservative Wutbürger zurückzugewinnen. Dieses Ziel hat er vor einiger Zeit sich ja noch selbst gesetzt. Aber gleichzeitig dürfte Merz Schwierigkeiten haben, in jungen, weiblichen und urbanen Wählerschichten zu überzeugen. Viele ehemalige Merkel-Wähler werden auf Abstand bleiben. Für die CDU ist das keine Perspektive, die sie in absehbarer Zeit wieder an die Macht führt.