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Kommentar zur Entlassung von Julian Nagelsmann: Der FC Hollywood lebt!

Kommentar zur Entlassung von Julian Nagelsmann : Der FC Hollywood lebt!

Der FC Bayern trennt sich von Trainer Julian Nagelsmann. Thomas Tuchel soll übernehmen. Was soll das? Und kann das gut gehen? Eine Einschätzung.

Wenn ein Fußballtrainer die Mannschaft nicht mehr erreicht, dann ist damit gemeint, dass es ihm nicht mehr gelingt, die Spieler so zu motivieren, dass sie auf dem Platz die erforderliche Einsatzbereitschaft zeigen und seinen taktischen Vorgaben nicht mehr folgen. Gerne wird in dem Fall auch die Formulierung „der Trainer hat die Kabine verloren“ gewählt. Im aktuellen Fall des FC Bayern München bedeutet es konkret: Zuletzt haben die Spieler gemacht, was sie wollten, und nicht das, was ihr Trainer Julian Nagelsmann wollte.

Der ist jetzt seinen Job los, weil beim FC Bayern die gleichen Gesetze gelten, wie bei den meisten anderen Vereinen. Will heißen: Eine Trainerentlassung ist immer noch billiger, als die komplette Mannschaft rauszuwerfen. Wobei die vorzeitige Vertragsauflösung selbst für den gut betuchten FC Bayern kein Pappenstiel ist.

Nagelsmann hatte einen Fünf-Jahres-Vertrag bis 2026 unterschrieben und die Bayern 25 Millionen Euro Ablöse an RB Leipzig gezahlt. Man könnte der FCB-Chefetage um Vorstandsboss Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidžić Missmanagement vorhalten. All die Millionen? Für nichts?

Ganz so günstig ist die Demission von Julian Nagelsmann also nicht. Aber stillos und billig allemal: Der große FC-Bayern zeigt, im Übrigen nicht zum ersten Mal, mit dieser vorzeitigen Trainerentlassung wenig von der Klasse, die er selbst so gerne für sich in Anspruch nimmt.

Wie konnte es passieren, dass der Stern des Julian Nagelsmann in München innerhalb von nur zwei Jahren erloschen ist? In einem solchen Fall spricht man von einer personellen Fehlentscheidung. Die, die sie getroffen haben, würden das aber nicht zugeben. So läuft das nicht im Profifußball. Schon gar nicht bei den Bayern, wo es eine ehrlich gemeinte Fehlerkultur nicht gibt.

Dass der Trainer am Ende immer das schwächste Glied ist, ist eine derart abgedroschene Plattitüde, dass man glatt 100 Euro oder deutlich mehr ins Phrasenschwein werfen müsste. Leider besitzt die Phrase in der Realität des Bundesliga-Alltags immer noch ihre Gültigkeit, was erstaunlich ist, da der Fußball doch gerne auf seinen modernen Anstrich pocht.

Nagelsmann muss gehen, weil die Macht der Spieler zu groß ist. Zugegeben, ein Sympathieträger ist Nagelsmann nie gewesen, und zu den Bayern hat er von Anfang an nicht gepasst. Warum er überhaupt geholt wurde, hat sich nie so ganz erschlossen.

Womit wir bei Thomas Tuchel, Nagelsmanns Nachfolger, sind. Sympathiepunkte wird man mit dem eigenwilligen und dünnhäutigen Tuchel auch nicht holen. Der Krach mit den Bayern-Verantwortlichen ist programmiert. Einer wie Tuchel lässt sich nicht gerne am Zeug flicken oder kritisieren. Seine Auseinandersetzungen mit allzu kritischen Journalisten sind fast legendär.

Da stehen neue Episoden aus der beliebten Serie „FC Hollywood“ ins Haus, die die Münchner selbst doch bewusst aus dem Programm genommen hatten. Mal ehrlich: Tuchel und der FC Bayern? Wie soll das funktionieren?

Ein Fußballtrainer muss kein Sympathieträger sein, sondern etwas vom Fach verstehen, so könnte man argumentieren. Die beste Kombination ist aber immer noch, wenn beides zutrifft. Zuletzt war das bei Jupp Heynckes der Fall, der nicht nur erfolgreich, sondern ein menschlich souveräner Leader war. „Weichgespültes Pack“ hätte Heynckes die Schiedsrichter jedenfalls niemals genannt, wie es Nagelsmann nach der Niederlage in Mönchengladbach tat. Bei Tuchel wäre das auch denkbar. Ebenso bei Jürgen Klopp. Warum haben sich die so hoch gelobten modernen Trainertypen so wenig im Griff?

Nur zur Erinnerung: Im Champions-League-Achtelfinale hat das ehemalige Team von Nagelsmann unlängst die Weltauswahl von Paris Saint-Germain düpiert. Im DFB-Pokal steht der FCB im Viertelfinale. Und in der Liga sind die Bayern immer noch Top-Favorit auf den Titel. Das Problem: Der FCB rangiert hinter Dortmund „nur“ noch auf Platz zwei, was natürlich (Achtung Ironie!) eine absolute Katastrophe ist.

Es stimmt, der Vorsprung, mit dem Nagelsmann und sein Team in die Rückrunde starteten, wurde verspielt, die Resultate und die Leistungen in der Liga waren nicht überzeugend. Und doch ist alles möglich, selbst das Triple.

Liest sich so die Bilanz eines erfolglosen Trainers? Ist Nagelsmann ein guter oder ein schlechter Trainer? Oder ist er nur zu schlecht für die Ansprüche des FC Bayern München? Man weiß es nicht.

Es gibt einen Spruch: „Second place is the first loser“, frei übersetzt: Wer am Ende bloß Zweiter wird, ist schon der erste Verlierer. Dieser Satz entspricht zu 100 Prozent dem Selbstverständnis des FC Bayern. Erfolgsverwöhnt und abgehoben. Schlecht im Verlieren. Erfolg um jeden Preis. Sympathisch ist das nicht. Leider macht es bei jungen Menschen Schule.