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Kommentar zu Nordirland: Bruchstellen des Brexit

Kommentar zu Nordirland : Bruchstellen des Brexit

Weil der Brexit so hart ausfallen musste, kommt es zu Krawallen in Nordirland. Und die Angst, dereinst irisch eingemeindet zu werden, feuert die loyalistischen Krawallmacher in Belfast noch weiter an.

Die Zentrifugalkräfte, die der Brexit ausgelöst hat, könnten das Königreich auseinanderreißen. Am heutigen Samstag ist der Markstein von einhundert Tagen nach dem Ausscheiden aus dem Binnenmarkt erreicht. Und die Bilder von Gewalt und Zerstörung, die das Nachtleben in Belfast zur Zeit zu bieten hat, illustrieren drastisch, welch explosive Konsequenzen der EU-Austritt für Großbritannien haben kann.

Seit einer guten Woche machen loyalistische Krawallmacher die Straßen in Nordirland unsicher. Sie sind empört, dass der Brexit der unionistischen Sache einen Bärendienst erweist: Anstatt Nordirland enger mit dem Königreich zu verbinden, entstand eine Grenze zu Großbritannien.

Denn das Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU hat Nordirland zu einem Sonderfall gemacht. Um den Frieden auf der Insel zu erhalten, musste eine harte Grenze mit der Republik Irland vermieden werden. Stattdessen zieht das sogenannte Nordirland-Protokoll des Abkommens eine neue regulatorische Barriere zwischen der Provinz und dem Mutterland. Zoll- und Warenkontrollen für Einfuhren aus Großbritannien erfolgen nun in nordirischen Häfen.

Das macht den protestantisch-unionistischen Bevölkerungsteil wütend, der seine Identität in der Anbindung ans Königreich findet. Das katholisch-republikanische Lager dagegen wittert Morgenluft.

Das Friedensabkommen, das den nordirischen Bürgerkrieg beendete, sieht vor, dass ein Referendum über die Vereinigung der Provinz mit der Republik Irland stattfinden muss, wenn es „wahrscheinlich ist, dass eine Mehrheit der Wähler für ein vereintes Irland stimmen würden“. Noch ist es nicht soweit. Eine Umfrage vom Januar zeigte 42 Prozent dafür und 47 Prozent dagegen. Doch der Trend ist deutlich. Die Angst, dereinst irisch eingemeindet zu werden, feuert die loyalistischen Krawallmacher in Belfast an. Und republikanische Randalierer mischen seit den letzten zwei Nächten ebenfalls mit. Der Brexit trägt Schuld daran, dass die Gewalt in Nordirland wieder aufflammt.