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Stolberg: Zögern vor dem Arztbesuch

Stolberg : Zögern vor dem Arztbesuch

Mediziner in Stolberg schlagen Alarm: Immer mehr Patienten suchen erst dann die Praxis auf, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist.

Kurzum: Sie warten zu lange, hoffen, dass Fieber, der stechende Schmerz links in der Brust oder Kopfschmerzen ohne die Hilfe des Mediziners verschwinden. Ihr Tenor: Die neue Gesundheitsreform macht Kranksein zum Luxus, der teure Arztbesuch wird rausgeschoben. In den Stolberger Sprechzimmern wird ein Patientenrückgang von acht bis 15 Prozent gemeldet.

„Eine Katastrophe”

Als eine Katastrophe bezeichnet Dr. Maria Klein die Auswirkungen der Gesundheitsform. „Heute kam ein junger Mann mit Lungenentzündung zu mir. Er hat mit dem Arztbesuch einfach zu lang gewartet.” Laut der Allgemeinmedizinerin sind es vor allem Jüngere und finanziell schlecht Gestellte, die angesichts der Kostenexplosion den Besuch beim Medicus scheuen. Viele Medikamente muss der Patient nun selber zahlen. Und auch wenn die Krankenkasse einspringt: Der Eigenanteil ist happig, da sind die zehn Euro-Praxisgebühr noch das kleinere Übel.

Teuer für beide Seiten

„Ist die Krankheit jedoch fortgeschritten, wird es richtig teuer - und das sowohl für den Betroffenen als auch für die Krankenkasse”, greift Maria Klein das Beispiel des jungen Mannes auf. Und nennt einen aus ihrer Sicht weiteren wichtigen Aspekt: „Junge Leute werden vom Arzt auch präventiv beraten, werden informiert, wie man Übergewicht, Diabetes und ähnliches verhindert. Das fällt völlig unter den Tisch, und so entstehen letztlich mehr Krankheiten.”

Sorgenvoll betrachtet auch Dr. Ulrich Pfaff die Auswirkungen der Gesundheitsreform. „Im Vergleich zu früher kommen die Leute jetzt viel seltener in die Praxis.” Die Anzahl der Patienten mit Lungenentzündungen habe sich verdoppelt. Und: „Der Verwaltungsaufwand in den Praxen wird in Zukunft noch größer werden”, befürchtet Pfaff.

Sprache verrät viel: Als „Kostenverursacher” werden Ärzte, deren Job das Heilen ist, im Jargon tituliert. In die Reihe der „Kostenverursacher” gesellt sich auch Dr. Ansgar Stelzer. „Das ist nicht gerecht, was hier passiert, und schürt nur die Politikverdrossenheit. Sparen am falschen Platz kann richtig Geld kosten”, warnt er. Wer chronisch krank ist, muss mindestens einmal pro Quartal ein Wartezimmer von innen sehen. „Chronisch Kranke, die um der Kosten willen ein Quartal auslassen, werden von der Krankenkasse keine Befreiung erhalten.”

Kostenspirale

Mancher Patient komme deswegen nicht, weil viele Präparate ohnehin nicht mehr verschrieben werden, schlagen Dr. Hans Otto Brans und Dr. Friedhelm Peters in die gleiche Kerbe. Auch Dr. Wolfgang Kranemann ist sicher, dass zu spät behandelte Krankheiten im Endeffekt die Kostenspirale nur in die Höhe schrauben.

Bis auf eine Ausnahme haben alle befragten Mediziner Patientenrückgänge zu verzeichnen, sind mit der Gesundheitsreform aber nicht nur deshalb nicht einverstanden. dass mancherorts die Nerven blank liegen, zeigte der Anruf bei einer Allgemeinmedizinerin in der Innenstadt. Sie legte kurzerhand auf, als sie das Thema des erbetenen gespräches hörte. Manchmal werden auch ohne Worte deutliche Botschaften verschickt ...´