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Reptilienauffangstation: „Unser Einzugsgebiet wird immer größer“

Reptilienauffangstation : „Unser Einzugsgebiet wird immer größer“

200 bis 300 Tiere werden jährlich in die Reptilienauffangstation der Städteregion Aachen gebracht – Tendenz steigend. Ein Besuch in der Einrichtung am Mühlener Markt in Stolberg.

Pixel schlängelt sich langsam um den Unterarm von Hartmut Fehr. Der Diplom-Biologe beobachtet die Kornnatter, nimmt schon mal seine andere Hand, damit die zwischen 1,20 Meter bis 1,50 Meter große Schlangenart vergnügt ihren Weg abwechslungsreich fortsetzen kann. Pixel ist ungiftig und ursprünglich in Nordamerika beheimatet. Jetzt lebt er schon seit 1,5 Jahren in Stolberg, in der Reptilienauffangstation der Städteregion Aachen.

„Ich war nach Alsdorf in einen privaten Haushalt gerufen worden, weil Pixel im Schlafzimmer gesehen worden war“, erinnert sich Hartmut Fehr. „Seitdem arbeiten wir zusammen“, sagt der Biologe mit einem Lächeln, denn er nimmt Pixel zu Schulungen mit. „Wenn ich über die Haltung von Schlangen rede, wenn ich erzähle, wie wichtig ein richtiges Terrarium ist, dann macht es immer Eindruck, wenn sich Pixel um meinen Unterarm schlängelt.“

Der hebt manchmal seinen Kopf, schaut seinen menschlichen Freund an und lässt schnell seine Zunge immer wieder nach vorne schnellen, denn mit der gespaltenen Zunge nimmt die Schlange Geruchspartikel auf und kann sich räumlich orientieren. „Pixel hat noch nie mit seinen kleinen, scharfen Zähnen gebissen. Er ist wirklich eine tiefenentspannte Schlange“, urteilt Fehr liebevoll über das ausgewachsene Männchen. „Wenn bei uns die Tiere Namen bekommen, werden sie nicht mehr vermittelt“, erklärt der Biologe.

2014 hat seine Frau, die Tierheilpraktikerin Amine Fehr, die offizielle Quarantäne- und Auffangstation für Landschildkröten in der Städteregion eröffnet. Drei Jahre später kam die Reptilienauffangstation hinzu. „Man glaubt gar nicht, wie viele Leute im Verborgenen Reptilien halten. Hat beispielsweise ein Tierliebhaber eine Katzenhaarallergie, wählen sie oftmals Echsen, Schlangen oder Schildkröten als Haustier.“

Dass aber die Haltung eine spezielle sei, wüssten viele Leute gar nicht. In einem der vielen Schauterraria am Mühlener Markt 2 leben zurzeit zwei weibliche Kornnattern. Versteckt in einer Höhle schlafen beide eingeschlängelt. In diesem Terrarium ist die Natur annährend nachgebildet, die die Kornnattern in Nordamerika finden. So bewohnt sie sowohl sommerfeuchte Laub- und Nadelwälder, Busch- und Graslandareale als auch Feuchtgebiete. „Wenn sie nicht gerade von November bis Februar im Winterschlaf ist, braucht sie auch einen Felsen, auf dem sie sich in der Sonne aalt“, berichtet Hartmut Fehr, der als einer von fünf Mitarbeitern der Auffangstation dann die Wärmelampe über der Kornnatter einschaltet. In der Saison, die von März bis Oktober dauert, fressen die Schlangen alle zwei bis drei Wochen eine Maus. „Nein, nein. Bei uns fressen die keine lebenden Tiere. Bei uns gibt es gefrorenes Futter, was aufgetaut und warm gemacht wurde.“

Die Reptilienauffangstation in Stolberg ist eine von nur wenigen offiziellen Auffangstationen in Deutschland. „Mittlerweile wird unser Einzugsgebiet immer größer“, sagt Biologe Fehr, denn Schildkröten kommen beispielsweise auch aus Recklinghausen, Bonn, Troisdorf und aus der Städteregion sowieso. Zusätzlich gibt es Kooperationen mit den Tierheimen aus Düren und Heinsberg, was Grundlage für einen regen Einzug in den 300 Quadratmetern auf zwei Ebenen ist. „Im Jahr kommen 200 bis 300 Tiere zu uns mit steigender Tendenz“, nennt Fehr Zahlen.

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Besonders viele Wasserschildkröten finden den Weg nach Stolberg. „Da werden dann die gerade geschlüpften, kleinen Wasserschildkröten in Zoohandlungen gekauft und die Besitzer wundern sich, dass die Tiere bis zu 40 Zentimetern groß werden können.“ Hartmut Fehr appelliert immer an die Verantwortung der Besitzer, denn die sollten sich vor einem Kauf selbst über das Tier informieren. „Wenn ich frage, welche Art das denn sei, die sie nun zu uns bringen wollen und ich keine Antwort erhalte, weiß ich, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten worden sind.“

Amine Fehr ist seit 2014 die Leiterin der offiziellen Quarantäne- und Auffangstation für Landschildkröten der Städteregion Aachen.
Amine Fehr ist seit 2014 die Leiterin der offiziellen Quarantäne- und Auffangstation für Landschildkröten der Städteregion Aachen. Foto: Conny Stenzel

Gerade bei den Wasserschildkröten gibt es welche, die auch bei tiefen Temperaturen im Teich gehalten werden können. Andere brauchen aber Tropentemperaturen. Und das kann teuer werden, denn gerade in der heutigen Zeit steigen die Gas- und Strompreise. „Tatsächlich sind in den ersten Tagen des Jahres 2023 schon sieben Wasserschildkröten zu uns gebracht worden. Das ist für den Anfang des Jahres zu viel“, urteilt Fehr, der in der Saison mit vielen weiteren Tieren rechnet, die abgegeben werden. „Das kostet. Wenn uns jemand ein Tier bringt, besprechen wir die Preise und dann zahlen die Leute gerne, denn ohne Tier im eigenen Haushalt entfallen Strom- und Futter-Kosten, aber auch die Kosten für den Tierarzt.“

Die Preise für das Abgeben eines Tieres in der Station setzen sich aus Erfahrungswerten zusammen und seien immer fair. „Eine Wasserschildkröte für die Teichhaltung wird in sechs bis acht Wochen vermittelt. Also zahlt derjenige, der die Wasserschildkröte bringt, für diese Zeit die Unterbringung.“ Kommt dagegen ein Interessent in die Auffangstation und nimmt ein Tier mit, muss der nichts zahlen.

 Diese Rotschwanz-Boa hat keinen Namen, will vermittelt werden und verbringt bis dahin die Zeit bei tropischen Temperaturen im Terrarium.
Diese Rotschwanz-Boa hat keinen Namen, will vermittelt werden und verbringt bis dahin die Zeit bei tropischen Temperaturen im Terrarium. Foto: Conny Stenzel

Sind Tiere scheinbar nicht vermittelbar, kommen die in ein Schauterrarium und machen Werbung für all die anderen Tiere, die auf ein neues Zuhause warten. Aber in private Hände abgegeben werden alle Tiere erst, wenn die neuen Besitzer eine ausführliche Beratung erhalten haben, wie die richtige Haltung ist.