Neues Projekt des SkF Stolberg : Traumatisierte Kinder erhalten Hilfe
Stolberg Zwischen 500 und 1000 Kinder in Stolberg haben nach Schätzungen des SkF aufgrund der Hochwasserwasserkatastrophe psychische Probleme. Ihnen will der Sozialverband jetzt traumapädagogische Hilfe anbieten.
Schon der erste Satz vermittelt deutlich, worum es geht: „Die Ärmsten der Armen leben dort, wo die Flut am stärksten gewütet hat“, stellt Margit Schmitt fest. Die Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Stolberg bezieht sich auf die Sozialraumanalyse der Städteregion Aachen. Sie bestätigt das, was die Mitarbeiterinnen des SkF in ihrer Arbeit fast täglich erfahren und erleben: Vor allem auf der Talachse ist der Hilfs- und Unterstützungsbedarf enorm. Umso schwerer fällt ins Gewicht, dass die Flut gerade dort die größten Schäden angerichtet hat – materiell, aber auch psychisch.
Genaue Untersuchungen, wie viele Kinder von den Auswirkungen des Hochwassers betroffen sind, gibt es bislang nicht. Beim SkF bewegt sich die Schätzung zwischen 500 und 1000. Ihnen will der Sozialverband ab sofort und mindestens für ein Jahr eine traumapädagogische Begleitung anbieten. Sie wird mit Spendengeldern finanziert und soll von einer Sozialpädagogin, die zum 1. Dezember eingestellt wurde, sowie drei Erzieherinnen, die jeweils zehn Wochenarbeitsstunden einbringen, gewährleistet werden.
Das Projekt fußt auf der Initiative „Oberstark“, die es bereits seit gut zwei Jahren gibt und die im Rahmen des sogenannten integrierten Handlungskonzepts „Berg- und Talachse – Miteinander für Münsterbusch, Ober- und Unterstolberg“ Hilfe für sozial benachteiligte Familien bietet. „Dank der bisher geleisteten Arbeit haben wir schon Kontakte zu vielen Familien in Oberstolberg und zudem ein gutes Netzwerk mit dem Jugendamt, den Kitas und den Grundschulen“, stellt Margit Schmitt fest.
Die Flut aber habe den Handlungsbedarf noch einmal erhöht. „Und diesen Handlungsbedarf sehen wir nicht nur in Oberstolberg, sondern auch auf der Mühle“, berichtet die Geschäftsführerin. Die traumapädagogische Hilfe soll deshalb auch in diesem Stadtteil angeboten werden. „Ich habe unser Fachleitungsteam ambulante Hilfen gebeten, die Initiative zu ergreifen.“
Was es heißt, die Initiative zu ergreifen, weiß Yvonne Rößner nur allzu gut. An dem Projekt „Oberstark“ ist sie maßgeblich beteiligt und seit einigen Monaten zudem auch Leiterin des Agnesheimes für Kinder und Jugendliche. „Dort haben wir viel mit Traumaarbeit zu tun“, verweist sie auf einen großen Erfahrungsschatz.
„Als die Flut kam, haben viele Kinder erlebt, dass ihre Eltern hilflos und überfordert waren“, weiß Rößner. Die Auswirkungen seien bis heute deutlich spürbar: „Manche Kinder ziehen sich zurück, andere werden aggressiv. Und viele können nach wie vor nachts nicht schlafen, weil das Hochwasser um 3 Uhr gekommen ist und sie Todesängste ausgestanden haben.“ Erschwerend käme hinzu, dass in der Innenstadt der Anteil der Menschen mit Fluchtgeschichte besonders hoch sei. „Das bedeutet, dass es für zahlreiche auch junge Menschen nicht die erste Katastrophe war, die sie erlebt haben.“
Noch ein weiterer wesentlicher Aspekt ist nach Aussage von Yvonne Rößner bei der traumapädagogischen Arbeit zu beachten: „Viele der Betroffenen haben derzeit keinen sicheren Zufluchtsort, weil die Wohnung beschädigt oder sogar komplett zerstört ist.“
Aus ihrer Sicht setzt das neue Hilfsangebot des SkF nicht nur an der richtigen Stelle, sondern auch zum rechten Zeitpunkt an: „Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst jetzt allmählich klar. Am Anfang ist mit einer unglaublichen Energie daran gearbeitet worden, die Schäden der Flut zu beseitigen. Nun setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass immer noch fast nichts wie vorher ist, obwohl alles, was möglich war, gemacht worden ist.“
Diese Phase, das betont Margit Schmitt, biete aber auch eine Chance: „Denn es ist die Phase, in der Heilung stattfinden und das Erlebte als abgeschlossenes Erlebnis abgespeichert werden kann.“ Therapeuten sollen die Betroffenen bei diesem Bewältigungsprozess unterstützen. Der Sozialdienst katholischer Frauen will aber auch Künstler einbinden und tiergestützte Ansätze in die Arbeit einbringen.
Den Kindern soll auf diesem Wege eine Rückkehr zu Hoffnung, Spaß und Unbedarftheit ermöglicht und den Erwachsenen die nötige Sicherheit und Handlungsfähigkeit vermittelt werden. „Die Eltern sind oftmals sehr überfordert. Deshalb wollen wir ihnen das nötige Handwerkzeug an die Hand geben, damit sie mit der schwierigen Situation richtig umgehen und sie am Ende hinter sich lassen können“, sagt Yvonne Rößner.
Nach vorne möchte auch Patrick Haas schauen. Doch zunächst blickt er auf die Gegenwart und lobt die Initiative des SkF und die Unterstützung der Spender: „Es gibt die einen, die etwas geben für die Stadt, und die anderen, die etwas tun für die Stadt“, stellt der Bürgermeister (SPD) mit Blick auf das Projekt fest. „Dafür bin ich einfach nur dankbar.“ Zumal die traumapädagogische Arbeit dringend benötigt werde. „Denn jetzt, mehr als fünf Monate nach der Hochwasserkatastrophe, beginnt die entscheidende Zeit der Verarbeitung.“