Solidarität nach der Flut : Stolberger Grundschulen rücken noch enger zusammen
Stolberg Drei Stolberger Grundschulen sind bei der Hochwasserkatastrophe am 14. und 15. Juli schwer beschädigt worden. Doch die Solidarität ist groß. Die übrigen sieben leisten wertvolle Unterstützung beim Wiederaufbau.
Renate Krickel und Ute Esser können an diesem Montag mit einem guten Gefühl in die Herbstferien starten. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, schließlich leiten sie die am schwersten von der Hochwasserkatastrophe getroffenen Grundschulen in Stolberg.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli vernichteten der Vichtbach im Stadtteil Mühle und der Hasselbach in Zweifall viel von dem, was sich die beiden Schulgemeinschaften in den Jahren zuvor im Wortsinn aufgebaut hatten. „Die Zerstörungen waren verheerend“, wird Renate Krickel wohl nie mehr die Bilder vergessen, die sich ihr boten, als sie nach dem Rückzug des Wassers das erste Mal wieder die Hermannschule betrat. Und auch Ute Esser offenbarten sich katastrophale Zustände – bei ihr zu Hause genauso wie in der Grundschule an der Kornbendstraße.
Fast drei Monate ist das mittlerweile her. Drei Monate, in denen ein permanenter Ausnahmezustand herrschte. „Es ging und geht immer noch in erster Linie darum, dass Schule wieder funktioniert“, betont Renate Krickel. Und das sei eine unverändert große Herausforderung. An der Hermannschule wurden unter anderem die Mensa und die Turnhalle schwer beschädigt. Zudem ist von dem Außengelände, das in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Fördervereins neu gestaltet worden war, quasi nichts mehr übriggeblieben.
Auch in Zweifall fällt die Bilanz ernüchternd aus: „Der Serverraum mit allen neuen iPads, mehrere Nebenräume und eine Klasse haben komplett unter Wasser gestanden“, fasst Ute Esser zusammen. „Unsere Insektenabteilung ist zerstört, und wir haben im Grunde keinen Bereich mehr für den Offenen Ganztag.“ Auch an der Grundschule Grüntal, die in der Innenstadt am Vichtbach liegt und von Friedrich Kratz-Maurer geleitet wird, hat es erhebliche Schäden gegeben.
Dass die Leitungen der drei betroffenen Grundschulen, aber auch die Kolleginnen der übrigen sieben Einrichtungen trotzdem mittlerweile positiv gestimmt sind, hat viel mit der Solidarität zu tun, die in ihrem Kreise herrscht. „Ich bin seit 2004 in Schulleitung tätig und weiß aus eigener Erfahrung, dass der Zusammenhalt fantastisch ist“, schwärmt Hille Breuer und ergänzt: „Das ist über die Jahre immer mehr gewachsen.“ Renate Krickel kann dem nur uneingeschränkt beipflichten: „Bei uns gibt es nicht nur die üblichen fünf oder sechs Treffen im Jahr, sondern einen deutlich regelmäßigeren Austausch, der auch während der Coronavirus-Pandemie nicht gelitten hat.“ Stolberg sei diesbezüglich etwas ganz Besonderes: „Das wissen auch Politik und Verwaltung zu schätzen.“
Wie sehr sie sich aufeinander verlassen können, habe die Zeit nach der Hochwasserkatastrophe noch einmal eindrucksvoll belegt, stellt Petra Bleimann fest. Sie ist Sprecherin der Stolberger Grundschulleiter und leitet die Grundschule in Gressenich. „Wir haben uns sofort kurzgeschlossen und überlegt, wie wir Hilfe leisten können“, berichtet Bleimann.
Für das Ferienprogramm „Sprachfit“, das an der Hermannschule stattfinden sollte, hätten sich gleich vier Einrichtungen als Ausweichstandort angeboten, nennt die Sprecherin ein Beispiel. „Die Kinder waren dann letztlich in Büsbach.“ Die Ferienbetreuung der Grüntalschule wiederum sei nach Gressenich verlegt worden. „Damit das funktionieren konnte, haben wir auch einen Bustransfer organisiert.“ Die Möbelspenden, die die Feuerwehr Dinslaken für die Hermannschule gesammelt und auch geliefert hatte, wurden unterdessen in Mausbach gelagert.
„Ich könnte noch viele weitere positive Beispiele nennen“, versichert Petra Bleimann, die sich dann aber auf eins beschränken möchte. Allerdings auf ein ganz besonderes, wie sie unterstreicht: „Am Welttag des Kindes haben die sieben vom Hochwasser nicht betroffenen Grundschulen einen Sponsorenlauf veranstaltet“, berichtet sie stolz. „Wir haben mit relativ wenig Aufwand eine große Wirkung erzielt.“ Sponsorenläufe organisierten die Schulen ohnehin alle zwei Jahre. „Diesmal sind die Kinder aber zugunsten ihrer Mitschüler an der Grüntalschule, der Hermannschule und der Schule in Zweifall gelaufen.“
Das Ergebnis könne sich in vielerlei Hinsicht sehen lassen, zeigt sich Renate Krickel beeindruckt. Das gelte für die 73.000 Euro, die bei der Aktion zusammengekommen sind, ebenso wie für den Zusammenhalt zwischen den Schülern und Eltern aller Einrichtungen. „Die Kinder sind entweder selbst betroffen oder kennen andere, die betroffen sind“, weiß Petra Bleimann. Gleiches gelte für die Eltern. Daraus habe sich eine besondere Motivation entwickelt – auch bei den Gönnern. „Wir haben noch nie so viele Zusagen erhalten“, strahlt Bleimann. „Und die Gelder sind noch nie so schnell eingegangen wie in diesem Jahr.“ Sie sollen nun in Wiederaufbauprojekte an den drei Grundschulen fließen.
Unterdessen ist das nächste Gemeinschaftsprojekt schon in der Vorbereitung: Im Zuge der Sonderprogramme des Landes zur Kompensation der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben die Stolberger Grundschulen eine Stelle für einen gemeinsamen Schwimmlehrer beantragt. Rein formal würde er der Grundschule in Gressenich zugeteilt, in der Praxis aber von Montag bis Freitag Kindern aus allen zehn Einrichtungen im Hallenbad Glashütter Weiher Unterricht erteilen.
„Natürlich könnte sich auch eine einzelne Schule für das Projekt bewerben“, bestätigt Petra Bleimann. Doch das würde so gar nicht zum Grundverständnis der Zusammenarbeit der Grundschulen passen. Und auch nicht zum guten Gefühl, mit dem deren Leitungen jetzt in die Herbstferien starten.