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Stolberg: Stolberg ehrt die weltweit engagierte Elisabeth Gaul

Stolberg : Stolberg ehrt die weltweit engagierte Elisabeth Gaul

Die Liste der Länder, die Elisabeth Gaul bereits bereiste ist lang. Sehr lang. Doch nicht nur die „klassischen“ Urlaubsziele wie Spanien, Italien, Frankreich oder Griechenland sind darauf zu finden. Elisabeth Gaul besuchte auch Länder wie Kenia, Tansania und Uganda, Venezuela, Jordanien oder auch Syrien — um nur einige Beispiele zu nennen.

Kaum ein Land hat es der 85-Jährigen so angetan wie Ladakh, eine Region im indischen Bundesstaat Kashmir. Der Grund: Zwischen den Bergketten des Himalaya auf rund 4800 Metern Höhe ist ein SOS-Kinderdorf entstanden, das seit seiner Gründung 2500 Kindern „ein menschenwürdiges Dasein“ ermöglicht hat, sagt Gaul. Für ihr ehrenamtliches Engagement dankte ihr bereits der Dalai Lama. Nun trug sie sich in das Goldene Gästebuch der Stadt Stolberg ein.

Entlegene Berge

Angefangen hat alles vor 75 Jahren. Bereits als zehnjähriges Mädchen war Elisabeth Gaul klar, dass sie Forscherin werden wollte. Ein Grund dafür: das Buch „Transhimalaya“ von Sven Hedin. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Literatur gelesen wurde, die in der Hitler-Zeit verboten war“, sagt Gaul. Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern bis sich ihr Wunsch erfüllte.

Im Jahr 1976 ging es für die Stolbergerin zum ersten Mal nach Ladakh. Dort sah sie allerdings nicht nur die schönen Seiten des rund 290.000 Einwohner großen Landes. Ladakh ist nämlich bekannt für die Schönheit seiner entlegenen Berge und für die tibetisch-buddhistische Kultur. Daher wird Ladakh als Klein-Tibet bezeichnet.

In einem Zeltlager wurden rund 100 Waisenkinder von einem Mönch am Leben gehalten. Dieser Anblick erinnerte Elisabeth Gaul daran, wie sie und ihre Familie während des Zweiten Weltkrieges selbst für fünf Monate im Keller leben mussten. Sie nahm sich vor: „Wenn ich 60 werde, werde ich diesen Kindern helfen.“ Und auch diesen Vorsatz hielt Elisabeth Gaul ein. Auch wenn der Weg dorthin nicht immer ganz einfach war.

Anfang der 1990er Jahre sprach sie bei der Organisation SOS vor und erklärte, dass sie helfen wolle. Dort erwiderte man der Stolbergerin allerdings zunächst, dass sie dafür zu alt sei. Das konnte Elisabeth Gaul natürlich nicht auf sich beruhen lassen.

Sie nutzte ihre weltweiten Kontakte, um Geld für die Kinder in Ladakh zu sammeln. Das Ergebnis: 1994 reiste sie mit 75.000 Deutschen Mark am Körper nach Ladakh. Nur ein Jahr später richtete SOS ihr ein eigenes Konto ein, das sie vor zwei Jahren aus Altersgründen auflöste.

Seit ihrem ersten Besuch in Ladakh hat sich dort eine Menge getan. Elisabeth Gaul hat mit ihrem Engagement dafür gesorgt, dass rund 2500 Kindern eine Schulbildung ermöglicht werden konnte. Mittlerweile leben in dem Kinderdorf nicht ausschließlich Voll- oder Halbwaisen — die erst einmal Priorität haben —, sondern auch Kinder, deren Eltern Nomaden sind.

Zwischen fünf und sechs Jahren können die Kinder in Ladakh die Schule besuchen und lernen unter anderem Lesen, Schreiben und auch die englische Sprache. Dann werden sie von SOS weitergefördert und zu Schulen auf dem indischen Kontinent gebracht. Die Unterkunft zahlt SOS. So können die Schüler beispielsweise ihr Abitur machen.

Ohne Pass

Oder sie entscheiden sich für eine Ausbildung und werden Schuster, Schreiner oder Tischler. Erst wenn diese absolviert ist, erhalten die Jugendlichen übrigens auch einen indischen Pass, mit dem sie sich frei im Land bewegen dürfen. Das ist vorher nicht möglich. Die Kinder sitzen regelrecht in Ladakh fest — und das gleich in vielerlei Hinsicht.

Dass sie keinen Pass besitzen, ist nur ein Problem. Ladakh liegt zwischen der pakistanischen, chinesischen und indischen Grenze sowie dem Himalaya. „Die Aufnahme in einem SOS-Kinderdorf ist für sie ein Glückstreffer“, meint Elisabeth Gaul.

Doch nicht nur der Nachwuchs profitiert von dem SOS-Kinderdorf, sondern auch die Bauern. SOS kauft ihnen die Wolle ab, die wiederum wird von Senioren verarbeitet. Sie stricken daraus für die Kinder im Kinderdorf Pullover und auch Mützen. Für die Farmer sei dies eine Art Hilfe zur Selbsthilfe und für die Senioren eine Bestätigung, dass sie noch gebraucht werden, meint Elisabeth Gaul.

Für die Stolbergerin geht es voraussichtlich am 19. November wieder nach Nepal. Es ist ihre sechste Reise dorthin. Bereits vor 50 Jahren war sie das erste Mal dort. Das Besondere: Im November will sie eine Dame wiedersehen, die sie bereits bei ihrer ersten Reise dort traf. „Dieses Mal bringe ich der Dame Bilder mit von unserem Treffen vor 50 Jahren“, sagt Elisabeth Gaul.

Wer der Stolbergerin zuhört, wird schnell in ihren Bann gezogen. Schließlich hat sie nahezu unendlich viele Geschichten zu erzählen. Wie beispielsweise diese: 20 Jahre lang reiste Gaul in der Regel zwei Mal jährlich nach Indien. Dort übernachtete sie in einem weltberühmten Hotel, das sie selbst als ihre „Heimat“ bezeichnet, und spielte dort Klavier. So nahm sie pro Nacht zwischen 500 und 600 Dollar ein, erzählt sie und lacht.

In Ladakh ist Elisabeth Gaul übrigens nicht nur unter ihrem bürgerlichen Namen bekannt. Dort wird sie auch „der blaue Engel“ genannt. Die Kinder im SOS-Kinderdorf sollten einst einen Aufsatz schreiben und suchten sich dafür Elisabeth Gaul aus — den blauen Engel. Dieser Begriff entstand auch, weil Gaul bei ihren Reisen, die sie allesamt auf zahlreichen Fotos festhielt, vorwiegend Jeans trug.

Und was bedeutet der 85-Jährigen der Eintrag in das Goldene Gästebuch der Stadt? Eine ganze Menge. Im Herzen sei sie immer Stolbergerin geblieben und hat bereits zahlreiche Menschen weltweit getroffen, die Stolberg kannten. „Stolberg ist in der ganzen Welt bekannt“, so Gaul.

Besonders wichtig seien ihr die Kontakte, die sie knüpfen konnte und die Freundschaften, die entstanden seien. „Ich hing immer von den Menschen ab“, sagt Elisabeth Gaul.