Viele leere Betten : In der neuen Notunterkunft herrscht noch Ruhe
Eschweiler/Stolberg Obwohl sie derzeit wegen der Flut von Zuweisungen befreit sind, haben die Städte Eschweiler und Stolberg eine gemeinsame Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine eingerichtet. Bislang ist die Nachfrage sehr überschaubar.
In der Dreifachsporthalle des Berufskollegs am Obersteinfeld herrscht eine fast schon gespenstische Ruhe. Das bleibt auch eine ganze Weile so an diesem Morgen, an dem die Städte Eschweiler und Stolberg ihre gemeinsame Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine unserer Zeitung vorstellen. Dann plötzlich ist es mit der Ruhe vorbei: Der Schulgong ertönt und kündigt in einer fast schon verstörenden Lautstärke die nächste Pause für die Schüler und Studierenden an.
„Die Anlage sollte eigentlich abgeklemmt werden“, stellt Paul Schäfermeier verwundert fest und sichert zu, sich darum umgehend zu kümmern. Das ist dann ein weiterer Punkt, den der Leiter des Stolberger Sozialamtes auf seine To-do-Liste setzen kann. Viele Punkte hat er allerdings schon abgearbeitet. Denn die akute Phase, in der sich die beiden Städte zusammengetan und angesichts der zu erwartenden Ankunft einer schwer einzuschätzenden Zahl von Flüchtenden aus der Ukraine innerhalb von nur zehn Tagen eine gemeinsame Notunterkunft eingerichtet haben, liegt hinter ihm.
„Die Stadt Stolberg hat aus praktischen Gründen die Vorbereitung übernommen“, berichtet Pressesprecher Tobias Schneider. Die Kosten aber würden geteilt: 230.000 Euro mussten alleine für die Einrichtung der Halle aufgewendet werden. „Wir hoffen aber, dass wir diese Ausgaben vom Land erstattet bekommen“, betont Schneider.
Das gilt auch für den laufenden Betrieb. Der wird im Auftrag der beiden Städte vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) sichergestellt. Unterkunft und Vollverpflegung gehören zu den gebotenen Leistungen, aber auch die Betreuung durch das Gesundheitsamt und den sozialpsychiatrischen Dienst der Städteregion Aachen.
Letzterer wird laut Paul Schäfermeier bisher noch wenig in Anspruch genommen. Was natürlich in erster Linie an der geringen Zahl der Flüchtlinge liegt. Aber ein Stück weit wohl auch daran, dass sich die Ukrainer oftmals in Gruppen auf den Weg nach Deutschland gemacht haben. „2015 sind viele alleinstehende Männer nach Deutschland gekommen. Diesmal haben wir es vor allem mit Familien zu tun, deren Männer wegen der Wehrpflicht das Land nicht verlassen dürfen“, verweist Schäfermeier auf einen wesentlich Unterschied zur letzten Flüchtlingsbewegung.
Die Dreifachhalle ist mit ihren insgesamt 75 Etagenbetten und somit 150 Plätzen in sechs Blöcke unterteilt, die wiederum mit blickdichten und feuerfesten Stellwänden umgeben sind. So soll den untergebrachten Menschen zumindest ein bisschen Privatsphäre für die Dauer ihres Aufenthaltes in der Notunterkunft ermöglicht werden. Die wollen die Städte Eschweiler und Stolberg möglichst kurz halten und die Hilfesuchende so schnell wie möglich in Wohnungen vermitteln. „Das kann hier nur eine Pufferlösung sein“, unterstreicht Paul Schäfermeier den Sinn und Charakter der Einrichtung. Er verweist allerdings auch darauf, dass privater Wohnraum in den beiden von der Hochwasserkatastrophe schwer getroffenen Städten nach wie vor absolute Mangelware sei.
Dem haben auch Land und Bund Rechnung getragen und Eschweiler und Stolberg deshalb von der üblichen Zuweisung von Flüchtlingen befreit – zunächst bis zum 30. Juni. Den Grund für die Schaffung einer gemeinsamen Unterkunft hatten die beiden Sozialdezernenten Stefan Kaever (Eschweiler) und Michael Ramacher Ende März gegenüber unserer Zeitung erläutert. Beide Städte verfügen demnach nicht über ausreichende Hallenkapazitäten und hatten deshalb die Städteregion Aachen kontaktiert, die Eigentümerin und Trägerin des Berufskollegs in Stolberg ist. Eschweiler war als Standort nicht in Frage gekommen, weil das dortige Kolleg bei der Flut schweren Schaden davongetragen hatte.
„Wir sind sehr dankbar für die gute und unkomplizierte Zusammenarbeit und Unterstützung“, sagt Paul Schäfermeier mit Blick auf die Städteregion. Sein Dank richtet sich auch an die Schule und die Sportvereine, deren Trainings- und Sportstätte erneut nicht zur Verfügung steht. „Sie waren natürlich nicht begeistert, dass sie nach der Coronavirus-Pandemie jetzt schon wieder auf die Halle verzichten müssen. Aber dennoch gab es großes Verständnis für die Situation“, berichtet er.
Beide Städte haben ein großes Interesse daran, dass die Geflüchteten nicht nur gut untergebracht, sondern auch rasch in die Gesellschaft integriert werden. „Es ist ab dem ersten Tag möglich, Sprach- und Integrationskurse an der Volkshochschule zu belegen“, nennt Schäfermeier beispielhaft eine Maßnahme, die darauf abzielt. Außerdem werde die Erfassung der Ankommenden unbürokratisch gehandhabt. „Wir warten auch nicht auf eine Arbeitserlaubnis, wenn sich die Möglichkeit für eine Beschäftigung bietet“, erklärt der Amtsleiter.
Die Corona-Maßnahmen in der Unterkunft sind im Übrigen streng. Das Betreten und Verlassen der Halle wird von Sicherheitspersonal kontrolliert, zudem muss sich jede hier untergebrachte Person täglich unter Aufsicht testen. „Wir tun, was wir können, damit es nicht zu einer Infektion kommt“, beteuert Paul Schäfermeier. „Aber wir können letztlich nicht verhindern, dass sich Menschen anstecken.“ Für diesen Fall hält die Stadt Stolberg zwei Wohnungen zur Isolation vor. Sollten aber die Belegungszahlen steigen und es dann zu einem Ausbruch kommen, würde die Notunterkunft wohl vorübergehend zu einer Quarantänestation.
Wie lange die Sporthalle am Obersteinfeld noch für die Aufnahme von Flüchtlingen genutzt wird, steht derweil in den Sternen. Vieles hängt davon ab, ob es ab dem 1. Juli wieder Zuweisungen gibt. Und noch viel mehr davon, ob und in welcher Intensität Russland seinen Krieg in der Ukraine fortsetzen wird.