Entwicklung in der Corona-Lage : Im Bund Deutscher Karneval „brennt die Hütte“
Eschweiler/Stolberg Die Eschweiler und Stolberger Verbandspräsidenten sind bitter enttäuscht von Politik und vom Dachverband der Karnevalisten. Der Stolberger Prinz soll trotz der Entwicklungen proklamiert werden.
Die Situation für Karnevalisten ist ein großes Ärgernis – und dynamisch. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die Empfehlung ausgesprochen, die Karnevalsvereine mögen freiwillig Zelt- und Saalveranstaltungen wie Sitzungen, Partys und Bälle absagen. Dieser Empfehlung schloss sich der Bund Deutscher Karneval in Person von BDK-Präsident Klaus-Ludwig Fess und BDK-Vizepräsident Frank Prömpeler an. Auch Vertreter der Regionalverbände Köln, Bonn und Düsseldorf trugen diese Empfehlung mit.
Der Eschweiler Komiteepräsident Norbert Weiland hat das Vorgehen, das den Vereinen keinerlei Planungssicherheit bringe, sondern die Verantwortung komplett auf die Ehrenamtler abwälze, bereits deutlich kritisiert. Bei einer Online-Versammlung des Stolberger Karnevalskomitees, an der auch Vereine teilnahmen, die nicht dem Komitee angehören, hagelte es ebenfalls Kritik. „Was da aus der NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf kam, war der Hammer“, sagte der Stolberger Komiteepräsident Michael Bartz.
„Bitter enttäuscht vom gesamten Vorgehen“
„Der Empfehlung des Ministerpräsidenten, Innenveranstaltungen freiwillig abzusagen, haben die Vertreter der Karnevalisten nicht gegengesteuert. Es ist nicht erfüllt worden, was im Vorfeld besprochen worden ist. Zahlreiche Verbandspräsidenten sind dementsprechend bitter enttäuscht vom gesamten Vorgehen und auch von einzelnen Personen“, beschrieb Bartz. „Im BDK brennt die Hütte.“ Der designierte Stolberger Prinz Carsten Nellißen drückte es so aus: „Was in Düsseldorf besprochen wurde, war die schlechteste Büttenrede, die ich in meinem karnevalistischen Leben gehört habe.“
Die Karnevalsvereine in Stolberg bekräftigten die Kritik und mehrere Vertreter berichteten von ihren äußerst schlechten Erfahrungen mit den Förderprogrammen, die finanzielle Unterstützung bieten sollen für Vereine, die freiwillig Veranstaltungen absagen und dann auf den Kosten für Künstler, Technik, Saalmiete und Co. sitzen bleiben. Der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen soll theoretisch 90 Prozent dieser Kosten auffangen. Praktisch scheint der Sonderfonds für die Karnevalisten völlig unbrauchbar zu sein.
Der Antrag dazu muss bis zum 23. Dezember gestellt sein, was für viele Vereine gar nicht zu schaffen ist. „Das Amtsdeutsch und die vielen einzureichenden Nachweise und Belege haben mich dazu gebracht, nach der zweiten Seite aufzugeben. Ich frage mich ernsthaft, welcher Verein sich das antut“, meinte Michael Bartz. Um überhaupt den Sonderfonds in Anspruch nehmen zu können, muss der Kartenvorverkauf für die jeweilige Veranstaltung vor dem 7. Dezember begonnen haben – nachweislich, zum Beispiel mit einer Registrierung bei Eventim. Die Stolberger Vereine verkaufen ihre Eintrittskarten aber in Eigenregie, so dass der Nachweis nicht erbracht werden kann.
Viele Vereine haben wegen der unklaren Lage erst am 7. Dezember, danach oder noch gar nicht mit dem Kartenvorverkauf begonnen. Zudem gibt es viele Veranstaltungen mit freiem Eintritt wie Seniorensitzungen, Biwaks und karnevalistischen Frühschoppen. Bei all diesen Fällen greift der Sonderfonds nicht. Bleibt die NRW-Landesförderung „Neustart miteinander“, die immerhin bis zum 31. Mai 2022 beantragt werden kann. Dieses Programm ersetzt bei freiwilliger Absage allerdings nur 50 Prozent der Kosten und maximal 5000 Euro pro Veranstaltung.
Die Stolberger Karnevalisten waren bei ihrer Besprechung bemüht, das weitere Vorgehen einheitlich zu gestalten, was aber angesichts der Situation unmöglich scheint. Einige Vereine wollen ihre Veranstaltungen freiwillig absagen, andere pochen darauf, das Land NRW solle per Verordnung die Saalveranstaltungen verbieten, damit die Vereine schadlos aus bestehenden Verträgen herauskommen. Wieder andere Verein wollen noch abwarten oder müssen sich erst beraten. Enorm unzufrieden mit der Situation sind alle. Einen Stolberger „Corona-Karnevalsprinzen“ soll es aber geben.
Proklamation wird weiter geplant
„Wir haben eine designierte Tollität. Es ist Carstens Wunsch, Anfang Januar proklamiert zu werden, und wir werden ihn – Stand jetzt – höchstwahrscheinlich irgendwie inthronisieren“, sagte Erste-Große-Präsident Daniel Heinrichs. Die Stolberger Prinzenproklamation habe weder Party-, noch Sitzungscharakter. „Es ist eine würdevolle Zeremonie, bei der nicht gesungen, geschunkelt und gebützt werden muss. Die Proklamation mit Geimpften und Genesenen, die zusätzlich aktuell negativ getestet sind, kann meines Erachtens verantwortungsvoll stattfinden.“
Nach der Online-Versammlung der Stolberger Karnevalisten kommen Neuigkeiten vom Land NRW. Eigentlich sollte die Corona-Schutzverordnung bis zum 21. Dezember gelten, doch schon am 16. erscheint eine neue, die bis zum 12. Januar 2022 gelten soll. Ein Verbot karnevalistischer Innenveranstaltungen gibt es nicht. Gleichwohl informiert das Land: „Ein Verbot für die Zeit nach dem 12. Januar ist derzeit rechtlich noch nicht möglich. Bei gleichbleibendem Infektionsgeschehen ist davon jedoch auszugehen.“
Die Reaktion der organisierten Karnevalisten lässt nicht lange auf sich warten. „Karnevalisten fordern klare Haltung: Landesregierung soll Sitzungskarneval behördlich untersagen oder sichere finanzielle Zusagen für Vereine machen“, heißt es in einem offenen Brief. „Wir alle sind für unser Brauchtum ehrenamtlich tätig. Die Politik wird nicht müde, die Bedeutung des Ehrenamtes zu betonen. Doch mit Vorgängen wie jenen am Dienstag in der Staatskanzlei tritt sie das Ehrenamt mit Füßen und nimmt den Akteuren die Motivation für ihr Engagement“, machen die Vertreter deutlich.
Unterzeichnet ist der offene Brief nicht etwa vom Dachverband BDK, sondern von Norbert Weiland, Michael Bartz, Hans-Josef Bülles vom Verband der Karnevalsvereine Aachener Grenzland und elf weiteren nordrhein-westfälischen Regionalverbänden des BDK. Zu den Unterzeichnern zählt für den Festausschuss Aachener Karneval Frank Pömpeler, der als BDK-Vizepräsident noch die „Düsseldorfer Empfehlung“ von Ministerpräsident Wüst und BDK-Präsident Fess befürwortete – ebenso wie Vertreter der Regionalverbände Köln, Düsseldorf und Bonn, deren Unterschrift unter dem jüngsten offenen Brief der Karnevalisten fehlt.
So viel zur „brennenden Hütte“ im BDK. Es wird wohl großen Rede- und Klärungsbedarf geben, wenn sich am Montag um 18.30 Uhr die NRW-Staatskanzlei online mit Karnevalsvertretern trifft, zumal diesmal dann alle 17 BDK-Regionalverbände aus Nordrhein-Westfalen dabei sein sollen.