Hochwasser-Notunterkunft : Rettung, Hilfe und Seelsorge in einem
Stolberg In der Notunterkunft im Stolberger Jugendheim in Münsterbusch finden vom Hochwasser Betroffene eine Zuflucht. Ein Stimmungsbild.
Eigentlich ist es für Feierlichkeiten aller Art bekannt – das Jugendheim im Stolberger Stadtteil Münsterbusch. Wegen der Coronavirus-Pandemie finden dort allerdings schon lange keine Veranstaltungen mehr statt. Stattdessen wurde das Jugendheim kurzerhand umfunktioniert und diente jüngst beispielsweise als Sitzungssaal für den Rat der Stadt.
Wie das Jugendheim aber nun aussieht, dürfte in der Form noch niemand erlebt haben. Auf der Bühne, auf der ansonsten zum Beispiel Karnevalsgesellschaften ihr Programm präsentieren, stehen Feldbetten des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Genauso sieht es im Saal selbst aus. Neben der Eingangstür ist ein Büfett aufgebaut und im Flur ist eine Kaffeetheke eingerichtet. Ein weiterer Raum dient als Lager für Spenden aller Art.
Organisatorisch kümmern sich unter anderem Einsatzkräfte des DRK um die Menschen in der Notunterkunft. Marija Tomanovic und Dirk Rittmann, Gruppenführer der Ortsgruppe Stolberg, berichten, dass sich in der seit Mittwochabend geöffneten Notunterkunft etwa 35 Menschen befinden. Die Fluktuation sei groß, manche würden über Nacht dableiben, einige nur für ein paar Stunden.
Genug Arbeit
Nach Angaben von Rittmann waren mehrere Notunterkünfte geplant. In Münsterbusch und im Ritzefeld-Gymnasium wurden sie geöffnet. „Die im Ritze musste jedoch wegen eines Stromausfalls geschlossen werden“, erläutert der DRK-Gruppenführer. Die zehn Menschen aus dem Gymnasium seien von den Hilfskräften in Familien vermittelt worden. „Der Andrang entspricht unseren Erwartungen“, sagt Dirk Rittmann. Er sei nicht allzu groß, weil viele Menschen von der eigenen Familie sowie von Freunden aufgenommen werden und nur kurzzeitig in der Notunterkunft seien.
Dennoch: Viel mehr Schlafplätze als für 35 Menschen gebe es nicht. Schließlich nehmen auch die aufgebauten Tische und Stühle Platz ein. „Die meisten haben von selbst die Notunterkunft aufgesucht, einige wenige sind von der Polizei und Feuerwehr evakuiert worden“, berichtet Marija Tomanovic. Von Familien mit Kindern über Paare bis hin zu Alleinstehenden aus der Innenstadt und besonders betroffenen Stadtteilen wie Vicht sei alles dabei. „Unsere Aufgabe besteht darin, den Menschen einen trockenen und sicheren Platz zu bieten, für Verpflegung und Betreuung zu sorgen sowie Erste Hilfe zu leisten“, sagt die Gruppenführerin.
Das klappe soweit. Herausforderungen gibt es trotzdem, berichtet Dirk Rittmann: „Wir haben eine Frau da, die für die Nacht Stützstrümpfe braucht, und ein Mann hat seine Medikamente in der Wohnung gelassen. Diese ist nun ein Kollege holen gefahren.“ Den Menschen in der Notunterkunft gehe es ihrer Situation entsprechend. Die Lage sei soweit ruhig und entspannt. Genug Arbeit für das DRK gibt es dennoch: „Ich war teilweise bis 3 Uhr nachts da, bevor ich in meine Wohnung nach Eschweiler zurückgekehrt bin, die zum Glück vom Hochwasser verschont geblieben ist“, sagt Marija Tomanovic.
Weitere Unterbringung klären
Auch Silvia Ludwig hat ihre Wohnung in Eschweiler, in die sie im Gegensatz zu Tomanovic aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr kommt. Als sie am Mittwochabend ihre Arbeitsstätte bei einem Maschinenbauunternehmen in Stolberg verließ, fand sich die 53-Jährige kniehoch im Wasser wieder. Sie wurde von Einsatzkräften der Malteser in die Notunterkunft im Jugendheim gebracht. „Ich fühle mich hier gut aufgenommen“, berichtet die Eschweilerin.
Dafür sorgt unter anderem Martina Harperscheidt. Die stellvertretende Leiterin des Sozialamts der Stadt Stolberg ist mit einer Kollegin vor Ort und kümmert sich um die weitere Vermittlung und Unterbringung der Menschen in Not. „Seit Mittwoch überlegen wir, welche Wohnungen wir diesen Menschen anbieten können“, sagt Harperscheidt. Infrage kommen Unterkünfte, die die Stadt für Geflüchtete vorhält, und Hotels sowie Ferienwohnungen in Stolberg. „Im Moment haben wir die Situation mit vereinten Kräften gut im Griff“, resümiert die städtische Mitarbeiterin.
Denn vielen Menschen, die in Münsterbusch ankommen, würden nach dem ersten Schock doch Familie und Freunde einfallen, bei denen sie unterkommen könnten. Diese Menschen zu beruhigen und sie zu unterstützen, ist Aufgabe von Christa Krichel. Die Notfallseelsorgerin aus Breinig spricht zum Beispiel ausführlich mit Magdalena Schreiber: „Seit 34 Jahren wohne ich in Vicht. So etwas haben mein Sohn und ich noch nie erlebt.“ Die 84-Jährige sei in der Nacht zu Donnerstag aus dem Bett aufgestanden – und habe im Wasser gestanden. Während sie von ihrer Situation berichtet, wirkt sie verzweifelt, schlägt die Hände vors Gesicht. Ihr Neffe habe sie und ihren Sohn schließlich in die Notunterkunft gebracht. „Er und seine Frau müssen ja arbeiten. Wir wollen ihnen nicht zur Last fallen.“
Hilfsbereitschaft immens
Fassungslos ist auch Rosemarie Kauric. Sie wollte am Mittwoch von der Arbeit in Aachen in ihre Wohnung an der Rathausstraße zurückkehren – ist jedoch nicht mehr hineingekommen und musste stattdessen die Notunterkunft aufsuchen. „Und jetzt höre ich auch noch, dass wir ein Gasleck haben“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Kauric könnte zwar Unterschlupf in der Wohnung ihres Sohnes suchen, der im Urlaub ist – aber der Schlüssel befindet sich in ihrer nicht mehr begehbaren Wohnung.
Die Hilfsbereitschaft für all diejenigen, die vom Hochwasser betroffen sind, sei immens, berichtet Marija Tomanovic. „Wir haben mehr Kleiderspenden, als wir bräuchten“, sagt die DRK-Gruppenführerin mit Blick auf einen Raum voller Kleidung, Handtücher, Bettwäsche, Spielzeuge und Decken. Nun würden vor allem Pflege- und Hygieneartikel benötigt. Auch Getränkespenden nimmt das DRK gern an.