Bestandsaufnahme ein Jahr nach der Flut : Euregiobahn zwischen Wiederaufbau, Streckenausbau und Vandalismus
Eschweiler/Stolberg Die Euregiobahn fährt auch mehr als ein Jahr nach der Flutkatastrophe noch nicht wieder entlang der Stolberger Talachse und zwischen Eschweiler und Stolberg. Doch ein Ende ist in Sicht.
Bei der Frage nach dem aktuellen Stand beim Wiederaufbau der Euregiobahn muss Thomas Fürpeil erst einmal seine Notizen durchblättern. „Es sind zurzeit einfach zu viele Bauvorhaben, da will ich keine Daten verwechseln“, erklärt der Geschäftsführer der Euregio Verkehrsschienennetz GmbH (EVS). Und dann beginnt er zu berichten: vom Neubau der Indebrücke im Eschweiler Westen und der geplanten Wiederaufnahme der Personenbeförderung in Stolberg, nachdem die Flut im Juli 2021 verheerenden Schaden angerichtet hatte.
„Die Bauarbeiten an der Indebrücke parallel zur Odilienstraße haben ja Anfang Juni begonnen. Sie werden noch bis zum ersten Quartal 2023 dauern“, sagt Fürpeil. Das bedeutet also, dass die Verbindung zwischen den Nachbarstädten Eschweiler und Stolberg bis dahin unterbrochen bleibt. Bis diese Lücke wieder geschlossen ist, müssen in Aue außerdem noch Bachufermauern und Gleise hergerichtet werden.
Im Halbstundentakt fährt die Euregiobahn schon wieder zwischen Eschweiler-Talbahnhof und Langerwehe. Die gleiche Taktung soll bald auch wieder auf der Stolberger Talachse angeboten werden. „Bis Ende dieses Jahres planen wir die Inbetriebnahme der Strecke zwischen Stolberg-Hauptbahnhof und Stolberg-Rathaus“, erläutert Fürpeil den weiteren Plan.
Der Haltepunkt Altstadt wird dann allerdings noch nicht angebunden. Im Zuge der vorgesehenen Elektrifizierung muss die Bahntrasse auf einigen Hundert Metern tiefergelegt werden, damit sie weiterhin unter der Brücke Finkensief hindurchführen kann. „Das ist eine erhebliche Baumaßnahme, da dort einige Weichen liegen. Und wir brauchen natürlich auch ein relativ langes Stück, damit die Steigung nicht zu stark ist“, gibt der EVS-Geschäftsführer zu bedenken.
Bis Ende 2023 soll dann aber auch diese Baustelle beendet sein, so dass die Altstadt wieder angefahren wird. Und nicht nur das: Dann soll auch die vorläufige Inbetriebnahme der Verlängerung bis Breinig erfolgen. Der Vollausbau inklusive Bahnübergänge ist bis Ende 2024 geplant, vorher verkehrt die Bahn in geringerer Taktung und Geschwindigkeit.
„Der Haltepunkt in Breinig ist jetzt schon weitestgehend fertig“, berichtet Thomas Fürpeil. Die Ausnahme bilde das Wartehäuschen, das erst aufgestellt werde, wenn dort auch Betrieb herrsche – vorher sei die Sorge vor Vandalismus zu groß.
Die Sorge scheint nicht unbegründet: „Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben wir zunehmend mit Vandalismus zu kämpfen“, schildert Fürpeil die „besorgniserregende Situation“. Die Handlungsmöglichkeiten der EVS seien in diesem Problemfeld eingeschränkt, aber das Unternehmen stehe in ständigem Austausch mit der Polizei.
Positiver Qualitätsbericht
Trotz dieses Problems bescheinigt der Nahverkehr Rheinland (NVR) den Haltepunkten der Euregiobahn für das Jahr 2021 eine sehr gute Qualität. Durchschnittlich erhalten die Bahnhöfe 94 von 100 Punkten. „Am niedrigsten ist Eschweiler-Talbahnhof mit 89,15 Punkten bewertet“, weiß Thomas Fürpeil. Unter anderem werden Funktionalität, Sauberkeit und Erscheinungsbild der Fahrausweisautomaten sowie Funktionalität der Fahrkartenentwerter bemängelt. „Da dieser Bahnhof eine kombinierte Station für Bahn und Bus ist, könnte es auch daran liegen, dass nicht zwischen den Geräten unterschieden wird“, vermutet der Geschäftsführer.
Er betont aber, dass die EVS die Hinweise ernst nehme und selbst regelmäßige Kontrollen an den Haltepunkten vornehme. Dafür sei eine eigene Gruppe regelmäßig unterwegs, aber auch externe Firmen aus der Region würden sich um Instandsetzung, Sauberkeit und Winterdienst kümmern. „Wir sind froh, dass wir den Bewertungsstand beim NVR seit Jahren ungefähr halten“, freut sich Thomas Fürpeil.
Für die Zukunft ist der Geschäftsführer zuversichtlich, dass die Zeitpläne für die zahlreichen Maßnahmen eingehalten werden können. Dabei helfen auch rund 14 Millionen Euro an Fördermitteln, die bereits in den Wiederaufbau des Euregiobahn-Netzes fließen. Fürpeil rechnet aber damit, dass insgesamt rund 30 Millionen Euro zur Beseitigung der Flutschäden nötig sein werden. Deshalb werden in den kommenden Monaten wohl weitere Förderanträge gestellt.
„Die Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium, der Bezirksregierung und dem NVR läuft da aber wirklich super. Bisher haben alle an einem Strang gezogen“, lobt Fürpeil und drückt gleichzeitig die Zuversicht aus, dass das auch in Zukunft so bleibt. Und dass damit die Mappe mit den Bauprojekten auf seinem Schreibtisch nach und nach dünner wird.