50 Jahre zurückgeblättert : Als plötzlich ein Pferd an der Theke stand
Stolberg/Eschweiler Da steht ein Pferd in der Kneipe. Nicht wirklich – oder etwa doch? Die Zeitungen in Stolberg und Eschweiler meldeten es exakt vor einem halben Jahrhundert. Und es war nicht die einzige erstaunliche Nachricht des Tages.
Was stand heute vor genau 50 Jahren in dieser Zeitung? Das wollen wir in unserer neuen Serie darstellen. Diese soll in unregelmäßigen Abständen erscheinen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Diesmal geht es um den 7. Oktober 1969. Damals, als es weltweit 71.000 Computer gab...
Kein Scherz! Es gab 71.000 Computer. Auf der ganzen Welt. Und davon standen alleine 48.000 in den USA. Und in Deutschland? In der Zeitung stand damals: „...sind heute allein in Westdeutschland über 5000 Datenverarbeitungsanlagen installiert.“ Aber erstmal zurück ins Lokalgeschehen anno 1969.
Ein schreckliches Ereignis fand damals in Nothberg statt. Ein Auto wurde auf einem unbeschrankten Bahnübergang von einem Triebwagen der Bundesbahn erfasst und in zwei Teile zerschnitten. Gefahren hatte den Wagen damals ein 60-jähriger Landwirt. Der Fahrer des Triebwagens hatte noch Warnsignale gegeben, den Zusammenstoß allerdings nicht verhindern können. Der Fahrer starb.
Ein weiteres Ereignis, das etlichen Bürgern wohl noch lange im Gedächtnis geblieben sein dürfte: Die Straßenbahn fuhr zum letzten Mal durch das Stolberger und Eschweiler Stadtgebiet. Die letzte Tram fuhr pünktlich um 9.30 Uhr von Atsch-Dreieck nach Eschweiler und von dort weiter nach Aachen, nachdem sie zuvor von Eilendorf nach Stolberg ihre alte Strecke gefahren war, konnte man damals in dieser Zeitung lesen. 1897 war genau auf dieser Strecke übrigens die erste Straßenbahn in Betrieb genommen worden. Nach der letzten Fahrt im Jahr 1969 wurde der Tram-Betrieb schließlich auf Busse umgestellt.
Es gab aber auch Lustiges zu berichten. „Das Pferd an der Theke“ war vor genau 50 Jahren eine Meldung überschrieben. Wie jetzt? Im Stammlokal der Reitergemeinschaft Stolberger Pferdefreunde auf dem Donnerberg war das Wettfieber ausgebrochen. Mehrere Reiter kamen auf die Idee, ein Pferd in die Gaststätte zu holen. Ob ihnen dies allerdings auch gelingen würde?
Man glaubte schon fast nicht mehr daran, dass dies noch passieren würde. Doch dann ertönte in der Küche der Gastwirtschaft Hufgeklapper. Durch den Hintereingang hatte ein Reiter den Vierbeiner in die Kneipe geführt. Was dann geschah? „Ob dem Gaul das angenehm war, lässt sich nicht feststellen; das angebotene Bier hat er jedenfalls, so wurde gesagt, nicht angenommen. Desto mehr hat der glückliche Gewinner es sich nach diesem Einfall schmecken lassen“, war damals zu lesen. Na dann: Prost!
Ärger herrschte zu dieser Zeit übrigens in Münsterbusch. Der Grund dafür: ein Bäcker aus Büsbach. Jeden Morgen um 7 Uhr lieferte dieser seine Brötchen aus. Um sich bei seinen Kunden bemerkbar zu machen, betätigte er Tag für Tag die Hupe seines Lieferwagens. Das ging etlichen Anwohnern ganz schön auf die Nerven. Eine Hausfrau argumentierte damals: „Es kommt oft vor, daß hierdurch meine vier kleinen Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, aufgeweckt werden. Über Tag habe ich genug mit ihnen zu tun; da bin ich froh, wenn sie etwas länger schlafen.“
Die Polizei wurde damals ebenfalls informiert. Geändert habe sich daraufhin allerdings nichts. Der Autor des Textes hatte diesbezüglich jedoch noch Hoffnung: „Sollte der Betreffende über diesen Artikel unterrichtet werden, wird er sich bestimmt einmal Gedanken darüber machen, ob es nicht besser wäre, in Zukunft auf das Hupen morgens zu verzichten“, schrieb er damals.
Verzicht war auch in der Römerstraße in Eschweiler damals Thema, wenn auch unfreiwillig. Die Anwohner klagten jedenfalls über eine schlechte Stromversorgung und richteten ihre Beschwerde ans Kraftwerk: „Seit Monaten, wenn nicht schon länger, leiden die Anwohner der Römerstraße unter den Auswirkungen einer mangelhaften Stromspannung. Das Fernsehbild bricht von 19 bis 21 Uhr vollkommen zusammen, bei elektrischem Licht (um diese Zeit) arbeiten zu müssen, ist fast eine Zumutung, elektrische Geräte springen nicht an (was auch morgens vorkommt).“ Und da sag nochmal einer: früher war alles besser...
Was wäre eine Zeitung eigentlich ohne Ankündigungen? Schon damals gab es es Kurse im Helene-Weber-Haus. Neben Kursen rund um die Themen Fleisch, Fisch und Reis wurde auch ein Vortrag zum Thema „Haltungsschäden im Kindes- und Jugendlichen-Alter“ angeboten. Ein Facharzt für Orthopädie sprach damals über „Sitzbuckel“.
Besonders waren damals auch die Kontaktanzeigen. Ein 86-jähriger Witwer – „Kavalier alter Schule, gutsituiert“ – sehnte sich nach einer Zweitehe. Auch ein 39-jähriger Doktor wollte unter die Haube kommen. Seine Voraussetzungen: Liebenswert und schlank musste seine Ehefrau in spe sein. Was leider nicht bekannt ist: wie erfolgreich diese Anzeigen wirklich waren.
Erfolgreich waren auf jeden Fall Einbrecher an dem 7. Oktober 1969 vorausgegangenen Wochenende. Das teilte nämlich die Polizei mit. Und die Diebe schlugen aus verschiedenen Motiven zu. Es wurden zwei Mopeds gestohlen, an Autos wurden Breitstrahler und eine Nebelschlussleuchte entwendet. Es wurde aber auch in einen Imbiss an der Judenstraße eingebrochen. Die Beute: Esswaren. Auch zwei Gasstätten „An der Glocke“ wurden heimgesucht. Neben Bargeld entwendeten die Täter jede Menge Zigaretten und Spirituosen. Na dann: Prost – Mahlzeit.
Aus heutiger Sicht befremdlich wirkt der Bericht auf der Seite „Blick durchs Objektiv“, der überschrieben war mit: „Der Neger im Wohnzimmer“. Ja, Sie haben richtig gelesen. In diesem Bericht ging es darum, wie viele farbige Schauspieler in Film und Fernsehen zu sehen sind. Zu lesen ist da unter anderem: „Zwei Jahrzehnte lang wurden Negerschauspieler in amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen im Prinzip nur dann beschäftigt, wenn sie einen ‚Artgenossen’ zu verkörpern hatten, den kein Weißer spielen konnte. Noch vor drei, vier Jahren traten in 300 Minuten Fernsehfilm durchschnittlich nur drei Neger auf, von denen zwei nicht länger als insgesamt höchstens 60 Sekunden zu sehen waren.“ Das Thema Alltagsrassismus war und ist ein wichtiges Thema. An diesem Beispiel erkennt man allerdings auch, dass es in den vergangenen Jahren bereits eine positive Entwicklung gegeben hat.
Eine große Diskussion gab es vor 50 Jahren übrigens zum Thema Freibadbau in Dürwiß. Eigentlich hatte man sich, so der Zeitungsbericht, auf den Bau eines Hallenbades dort geeinigt. Allerdings blieben die Zuschüsse dafür aus. Die SPD war für den Freibadbau, die CDU dagegen. Und was haben wir heutzutage in Dürwiß? Richtig, ein Freibad. Manche Dinge ändern sich eben (bis dato) nicht.
Bleibt noch die Frage zu klären: Wer ist eigentlich schlauer – Frauen oder Männer? Das große Ratespiel der evangelischen Kirchengemeinde Weisweiler am Erntedanktag lieferte den Beweis: „Mit zwei Punkten Vorsprung entschieden die Herren das große Ratespiel gegen die Frauen für sich, bei dem Hans Schumacher den hilfreichen Quizmaster mimte.“
Und es war nicht irgendein Quiz im Herbst 1969: „Vom Schlager zur Operette, von zeitgenössischer Literatur bis zum Teenager- und Twenjargon und vom Künstlerpseudonym bis zur Geographie reichten die Fragen, die knifflig genug waren, selbst Schulmagister in Verlegenheit zu bringen.“