Stolberger Ansichten | Damals und heute : Hier kehrte einst der Burgmäzen ein
Serie Stolberg In den Stolberger Ansichten zeigen wir historische Bilder im Vergleich zu den heutigen Orten und erzählen die Geschichte dahinter. Teil 229 der Serie widmet sich der alten Tuchfabrik an der Zweifaller Straße 15.
Die Fassade besteht aus weiß geschlämmten Bruchsteinmauerwerk. Tür- und Fenstergewände sind aus Blaustein hergestellt. Gekrönt wird das zweigeschossige Gebäude von einem Mansardendach. Über der Eingangstüre ist ein Schild mit der Aufschrift „Restaurant zum Quirinus von August Hoerkens“ zu sehen. Auf den Treppenstufen der Tür stehen drei Personen. Rechts ist Moritz Kraus abgebildet. Kraus hatte 1888 den historistischen Wiederaufbau der Burg begonnen und sein Lebenswerk 1909 der Stadt Stolberg geschenkt. Offensichtlich war diese Gaststätte für den Burgmäzen ein beliebter Treffpunkt. Entstanden ist das historische Vergleichsfoto, das im Mittelpunkt des 229. Teils unserer Serie "Gleich und doch anders – Ansichten über Jahrzehnte“ steht, um 1900. Gezeigt wird das Gebäude Zweifaller Straße 15 in seiner damaligen Verwendung als Gaststätte.
Im Hinterhof der Gaststätte lag ein Anbau, der den Saal und die Kegelbahn enthielt. Auf unserem historischen Vergleichsfoto ist dieser Bau oberhalb des Vorderhauses mit seinem Dachgiebel abgelichtet. Ursprünglich war das siebenachsige Haus ein Werkgebäude der am Willy-Brandt-Platz gelegenen Tuchfabrik Offermann. Der Tuchmacher Johann Paul Offermann stammte aus Monschau-Imgenbroich und hatte im späten 18. Jahrhundert an der Ecke Steinweg/Zweifaller Straße eine rege Bau- und Geschäftstätigkeit entwickelt. Schließlich besaß Stolberg für die Feintuchherstellung günstige Bedingungen, die unter anderem aus Holz- und Kohlereichtum sowie weichem Bachwasser, zahlreichen Arbeitskräften und nicht vorhandenen Zunftzwängen bestanden.
Welcher Werkbereich der Tuchmacherei Offermann in dem Gebäude Zweifaller Straße 15 untergebracht war, ist nicht überliefert. Normalerweise bestand eine damalige Tuchfabrik aus einer Spinnerei, einer Weberei, einer Färberei, einer Schererei und einer Walkmühle: In der Walkmühle wurde das Gewebe für die Feintuchherstellung verfilzt. Auf einem in französisch verfassten Katasterplan des frühen 19. Jahrhunderts wird das hier beschriebene Gebäude als „fabrique de drap“ (Tuchfabrik) bezeichnet. 1826 stellte die Tuchfabrik Offermann ihren Betrieb ein. Der vom Barockstil gekennzeichnete Fabrikbau wurde verkauft und in der Folgezeit als Gaststätte genutzt. Im frühen 20. Jahrhundert erhielt das Bruchsteingemäuer eine Stuckfassade. Diese Fassadengestaltung ist dort heute noch zu sehen. 1925 wurde das Restaurant von der Familie Ortmann übernommen, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Gewerbe einstellte.
Danach wurde das traditionsreiche Haus der Wohnnutzung zugeführt. Um 1980 war das alte Gebäude in einem miserablen Zustand. Damalige Fotos zeigen ein Gebäude, das von leeren Fensterhöhlen und einem zerstörten Dach gekennzeichnet ist. Dieser Zustand war nach einem Brand entstanden. Behoben wurde der Brandschaden in den frühen 1980er Jahren. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurde das Haus entkernt und umgebaut. Moderne Wohneinheiten und eine Arztpraxis entstanden. Allerdings ist auch dieses Haus wie viele andere Gebäude in der Talachse vom Julihochwasser nicht verschont geblieben. Keller und Erdgeschoss wurden geflutet sowie die gesamte Inneneinrichtung schwer beschädigt.