Einzelhandel ist offen : Anfassen, anprobieren und beraten lassen wieder vor Ort
Eschweiler/Stolberg Der Einzelhandel darf mit Terminvereinbarungen für Kunden öffnen. Die Resonanz sei aber bisher noch verhalten, berichten zwei Einzelhändlerinnen aus Eschweiler und Stolberg.
Sie kann wieder vor Ort anfassen, anprobieren und sich beraten lassen: Edeltraud Dorst hat sich für ein schwarzes Kleid entschieden. Das Foto davon hatte sie vorher auf Facebook gesehen. Das hatte Marion Roß dort auf dem Online-Auftritt ihres Geschäfts hochgeladen. „Sie hat mich daraufhin angeschrieben und nach dem Kleid gefragt“, erzählt die 55-Jährige. Während ihre Kundin durch den Laden schlendert, wirkt Marion Roß zufrieden.
Die Einzelhändlerin ist eine von vielen in Eschweiler, die seit Montag wieder ihre Tür öffnen darf – allerdings nur mit Terminvereinbarung. Dieses sogenannte „Click and meet“-System darf der Einzelhandel nun nach den gelockerten Coronavirus-Maßnahmen trotz verlängertem Lockdown umsetzen. „Die Idee ist wohl aus der Not heraus geboren, aber so kann man zumindest die Einzelhändler unterstützen“, findet Kundin Edeltraud Dorst.
Ganz reibungslos funktioniert das allerdings nicht, wie Marion Roß am Montag in ihrem Bekleidungsgeschäft berichtet: „Dieses Angebot muss erst einmal von den Kunden angenommen werden. Ich hatte eben jemanden da, der spontan an die Tür gekommen ist und einen Termin vereinbaren wollte. Sie war allerdings wegen des Kontaktformulars, das ausgefüllt werden muss, skeptisch und ist mit den Worten gegangen, dass sie es sich nochmal überlegt.“
Maximal zwei Kunden
Insgesamt waren am Montag vier Kunden bei der Eschweilerin. „Ich hätte gedacht, dass da mehr kommt“, sagt Roß, die mit ihrem Geschäft in der Innenstadt von anderen Einzelhändlern umgeben ist. Mit diesen habe sie vor der Wiedereröffnung darüber gesprochen, was nun überhaupt die Vorgaben sind. „Von Regierungsseite war das nicht klar – ich habe jetzt selbst ein Kontaktformular zur Nachverfolgung aufgesetzt“, sagt die 55-Jährige und ergänzt, dass auch bei den umliegenden Geschäften die Resonanz bis jetzt noch nicht so groß sei. Das sei verständlich, findet Roß, und stellt die Frage, wie denn die Kunden die Regeln verstehen sollten, wenn diese selbst für die Einzelhändler nicht ganz klar seien. „Am Wochenende haben sich bei mir so einige verwirrte Kunden gemeldet“, berichtet die Eschweilerin.
Aber es gab eben auch Anfragen für Termine. Die erste Kundin kam am Montagvormittag. „Sie hat sich gefreut, dass sie durchgucken und die Kleidung anprobieren kann – und noch Zeit für ein Gespräch war“, sagt Roß, die ihr Geschäft seit November 2019 führt. Die Regeln lauten: Maximal zwei Kunden gleichzeitig dürfen ihren Laden entweder für eine halbe oder eine Stunde besuchen – je nachdem, was vereinbart worden ist. Am Tag darauf zeigt sich die 55-Jährige zufrieden: „Wir haben inzwischen noch zwei weitere Anfragen für Termine bekommen. Dieses System ist genau wie der Liefer- und Abholservice vorher besser als nichts, ersetzt aber natürlich nicht das Geschäft bei normalen Bedingungen.“
Kunden sind unsicher
Das sieht Laura Markenstein ähnlich. Die 31-Jährige führt seit 2016 ein Bekleidungsgeschäft in der Stolberger Innenstadt und berichtet nach einem Tag „Click and meet“: „Bis jetzt läuft das Ganze ein bisschen zögerlich an, weil die Menschen noch unsicher sind. Außerdem habe ich das Gefühl, dass da eine gewisse Hemmschwelle bei einigen ist, Kontakt aufzunehmen und einen verpflichtenden Termin zu vereinbaren.“ Das Angebot werde zwar angenommen, aber es sei eben anders, als wenn die Kunden zum Beispiel vor dem Gang ins Café spontan ihr Geschäft besuchen könnten.
Trotz alledem hatte sie am Montagnachmittag schon drei Kunden im Laden. Für Dienstag waren bereits acht Termine vergeben. „Die Kunden freuen sich, sind aber auch unsicher und fragen nach, wie das Ganze abläuft und zu wie vielen sie kommen dürfen“, berichtet Laura Markenstein.
An Erspartes gehen
Auch bei ihr gilt: Kontaktverfolgung, halbe Stunde, maximal zwei Kunden gleichzeitig. Das alles sei für sie mit Aufwand verbunden, erläutert die 31-Jährige: „Viele schreiben uns über die Sozialen Medien an, was bedeutet, dass ich für eine Terminvergabe mit hin- und herschreiben beschäftigt bin.“ Dennoch ist sie froh über diese Möglichkeit: „Für einen selbst ist es ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass man endlich wieder Kunden reinlassen darf. Als ich bereits am Freitag die ersten Anfragen hatte, war ich direkt motiviert, und als der erste Kunde in den Laden kam, war ich ganz aufgeregt, weil ich das gar nicht mehr gewohnt war – auch wenn es nicht so ist, dass man damit nun wirtschaftlich wäre.“ Selbst mit Corona-Hilfsgeldern habe sie – wie so viele andere auch – in der Pandemie an ihr Erspartes gehen müssen, um ihr Geschäft aufrechtzuerhalten.
Trotzdem sieht die 31-Jährige auch die positiven Aspekte: „Manche Kunden finden das ‚Click and meet‘-System sogar ganz angenehm, weil sie dann ihre Ruhe, kein Anstehen und die ganze Aufmerksamkeit für eine Beratung durch die Verkäufer für sich haben“, berichtet sie. So entstehe eine entspanntere und intensivere Atmosphäre im Laden.
Ihr Fazit nach einem Tag klingt ebenfalls zuversichtlich: Sie habe noch einige Anfragen erhalten und bis zum Ende der Woche Termine vergeben. Angst habe sie aktuell nur davor, dass in einigen Wochen die Zahlen erneut steigen. „Wenn ich dann wieder schließen muss, wäre das eine Katastrophe – das ist die Sorge, die man jetzt trotz Freude mit sich rumträgt.“