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Prozess um Serienbrandstiftung in Würselen: Zwei Anwälte und ihr langer Kampf

Prozess um Serienbrandstiftung in Würselen : Zwei Anwälte und ihr langer Kampf

Seit Ende Januar wird am Aachener Landgericht gegen einen Mann und eine Frau verhandelt, die in Würselen Brände in Serie legten. Der Prozess zieht sich endlos in die Länge. Was ist passiert?

Dass Andreas W. und Joelle B. vor ziemlich genau einem Jahr gemeinsam mehrere Autos rund um die Würselener Innenstadt angezündet haben, kann mittlerweile als sicher gelten, ebenso wie die Tatsache, dass über eines der angezündeten Autos ein Carport und das angrenzende Haus in Brand gerieten. Beide Angeklagten haben Teilgeständnisse abgelegt, möglicherweise können ihnen nicht alle elf Brände nachgewiesen werden, die im Mai 2020 in Würselen registriert wurden, und die die Staatsanwaltschaft der 19-jährigen Würselenerin und dem 33-jährigen Dürener zur Last legt.

Doch dass die 1. große Strafkammer des Aachener Landgerichts am 18. März dennoch kein Urteil verkündet hat, obwohl das eigentlich für diesen Tag geplant war, liegt in erster Linie an Marie Lingnau und Markus Kluck. Die beiden Mönchengladbacher Rechtsanwälte verteidigen in dem Prozess Andreas W., und es kommt nicht übermäßig oft vor, dass man über Pflichtverteidiger in einem Strafprozess sagen kann, was auf diese beiden Anwälte zutrifft: Sie kämpfen, als würde ihnen selbst eine lange Haftstrafe drohen.

Am 2. Mai 2020 legte Andreas W. gegen 0.45 Uhr das Feuer, über das letztlich das Mehrfamilienhaus in der Poststraße in Brand geriet, in dem Frau O. schlief. Die Staatsanwaltschaft wertet diese Tat nicht nur als Brandstiftung, sondern überdies als versuchten Mord.

Das ist der Grund, warum vor allem Andreas W. eine lange Haftstrafe droht. Denn anders als Joelle B., die als Heranwachsende vermutlich nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, gilt für W. das Erwachsenenstrafrecht. Theoretisch kann ein Gericht auch für einen lediglich versuchten Mord eine lebenslange Haftstrafe verhängen, auch wenn das in der Praxis so gut wie nie vorkommt.

Andreas W. hatte erklärt, sich vor der Tat in der Poststraße am 2. Mai 2020 betrunken und eine Ecstasypille genommen zu haben, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wie viel er wann getrunken und zu welcher Zeit er die Pille geschluckt hatte. Andererseits konnte er sich aber an viele Details der Tat erinnern, was in den Augen der psychiatrischen Sachverständigen Annette Rauch nicht dafür sprach, dass W. zur Tatzeit übermäßig stark alkoholisiert war.

Die Frage, ob und wenn ja wie stark Andreas W. berauscht war, ist von entscheidender Bedeutung. Denn wäre er nachweislich nicht mehr Herr seiner Sinne und damit nicht mehr in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat am 2. Mai 2020 einzusehen, wäre er vermindert schuldfähig gewesen, was eine drastische Minderung seiner zu erwartenden Strafe bedeuten würde.

Lingnau und Kluck beantragten also, einen Gerichtsmediziner beizuziehen um ausrechnen zu lassen, wie viel Alkohol Andreas W. zur Tatzeit im Blut gehabt hatte. Ergebnis: 2,5 bis 2,6 Promille, errechnet allerdings auf Grundlage seiner lückenhaften Erinnerung. Ob der Vorsitzende Richter Christian Bülte diese keinesfalls sichere Erkenntnis in sein Urteil einfließen lassen kann, ist jedoch fraglich.

Lingnau und Kluck erwägen, sicherheitshalber einen eigenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Vergangene Woche stellten sie erst mal einen Befangenheitsantrag gegen die Psychiaterin Annette Rauch, auch deshalb, weil ihr Gutachten eine verminderte Schuldfähigkeit von Andreas W. so gut wie ausschloss.

Zwar können Richter Bülte und seine Kollegen in ihrem Urteil zu einem anderen Schluss als die Psychiaterin kommen, aber als Verteidiger hat man die Psychiater gern auf seiner Seite. Über den Antrag wird die 1. große Strafkammer vermutlich nächste Woche entscheiden, erst dann lässt sich absehen, wie das Verfahren weitergehen wird.

Vorsorglich machte Richter Bülte vergangene Woche schon mal weitere Termine, und zwar bis Anfang Juni. Gut möglich aber, dass der Prozess noch länger dauert, denn Kluck sagte in einer Verhandlungspause zu seiner Kollegin: „Wir sind mit unserem Programm noch lange nicht durch.“