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Würselens Partnerstadt Réo: Nutzen, was im Überfluss da ist – Sonne

Würselens Partnerstadt Réo : Nutzen, was im Überfluss da ist – Sonne

In Würselens afrikanischer Partnerstadt Réo in Burkina Faso wird das städtische Gymnasium nun zuverlässig mit Strom und Wasser versorgt. Der Würselener Bernhard Wiesemann hat daran großen Anteil.

Was mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ gemeint ist, kann Arno Nelles anhand einer Wasserpumpe erklären. Eine solche war vor einigen Jahren in Würselens afrikanischer Partnerstadt Réo in Burkina Faso kaputtgegangen, und alles, was zu Reparatur benötigt wurde, wäre eine einfache Dichtung gewesen. Bloß wusste keiner der Einheimischen, dass genau diese Dichtung fehlt und wie man sie einbaut. Also stand die Pumpe eben kaputt herum.

Das Beispiel zeigt: Hilfe im Sinne von Geben ist schön und gut. Richtig rund wird die Sache aber, wenn gezeigt werden kann, wie es geht.

Ein jüngst entscheidend vorangetriebenes Projekt, hinter dem der Verbund der Partnerstädte Würselen und Réo sowie Morlaix (Frankreich) steht, verfolgt genau dieses Ziel. Ein städtisches Gymnasium (Lycee Municipal) in Réo wird nun über eine Photovoltaikanlage, die wiederum eine elektrische Pumpe antreibt, mit Strom und Wasser versorgt. Das hat schon deshalb einen gewissen Charme, weil es eine Sache in Afrika ganz bestimmt im Überfluss gibt: Sonnenlicht.

Die Anlagen wurden aber nicht einfach bezahlt und hingestellt, sondern gemeinsam mit Einheimischen, Lehrern und Schülern verwirklicht. Das Know-how ist also sozusagen im Projektumfang enthalten, Strom und Wasser erfüllen nicht nur zentrale Grundbedürfnisse, sondern bieten auch überaus praktische Bildung und sind, ganz genau, Hilfe zur Selbsthilfe. „Das Wissen bleibt“, sagt Arno Nelles. Er war, bis vergangenes Jahr, Bürgermeister von Würselen und ist, nach wie vor, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft.

In den vergangenen Jahren – die Beziehungen Würselens nach Afrika bestehen seit mehr als drei Jahrzehnten – hat die Freundschaftsgesellschaft sich an vielen Projekten in Réo beteiligt. Moskitonetze wurden gekauft und Ziegen beschafft, Waisen und Halbwaisen beim Aufbringen des Schulgelds unterstützt. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die fragile Wasserversorgung dar. So wurde an der Schaffung eines Regenrückhaltebeckens mitgewirkt, das dazu beiträgt, dass der Ertrag der seltenen, aber extremen Schauer nicht einfach versickert, sondern genutzt werden kann. Auch dass Strom für viele Luxus ist, ist vor Ort leicht zu erkennen. Nelles kann von Kindern berichten, die abends auf den Straßen sitzen, um im Licht von Laternen ihre Hausaufgaben zu machen oder zu lesen.

 Ein beleuchteter Klassenraum ist in Burkina Faso keine Selbstverständlichkeit. Das Städtische Gymnasium von Réo, Würselens Partnerstadt, verfügt nun genau darüber.
Ein beleuchteter Klassenraum ist in Burkina Faso keine Selbstverständlichkeit. Das Städtische Gymnasium von Réo, Würselens Partnerstadt, verfügt nun genau darüber. Foto: privat

Beim Photovoltaikprojekt in Réo war Vorstandsmitglied Bernhard Wiesemann der entscheidende Akteur. Er unterrichtete vor seinem Ruhestand Mathematik, Physik und Informatik am Städtischen Gymnasium in Würselen und kennt sich hervorragend mit Solartechnik aus. Die Schule in Réo erhielt eine Hybridanlage mit Batteriepuffer, sie leistet 5,5 Kilowatt, berichtet er. Was für eine deutsche Schule sicher nicht ausreichen würde, decke den Energiebedarf vor Ort sehr wohl. Und auch für die die elektrische Pumpe, die das Wasser aus immerhin 37 Meter Tiefe ans Tageslicht holt, bleibt genügend Strom übrig. Sie kommt übrigens nicht nur der Schulgemeinschaft zugute: Vor Ort ist auch eine öffentliche Wasserstelle eingerichtet worden, an der die Bevölkerung ihre Kanister auffüllen kann.

Das Projekt wurde mit gut 10.000 Euro gestemmt. Zu drei Vierteln wurde der Betrag durch die Schmitz-Stiftungen getragen, die in Düsseldorf sitzen und sich seit einem Vierteljahrhundert für Entwicklungsregionen einsetzen. Das verbleibende Viertel übernahm die Freundschaftsgesellschaft selbst. 10.000 Euro: Einerseits ist das, gerade in Burkina Faso, viel Geld. Andererseits ist es sehr wenig, wenn man bedenkt, wie grundlegend die Bedürfnisse sind, die nun ein Stückweit besser erfüllt werden können.

Leider haben die Einwohner von Burkina Faso, ohnehin eines der ärmsten Länder der Welt, zurzeit noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, wie Nelles und Wiesemann berichten können. Der islamistische Terror dränge aus Niger und Mali über die Grenzen, zudem habe die Corona-Krise der sowieso schwachen Wirtschaft weiter zugesetzt. Viele Menschen litten nun sogar Hunger.

Die unsichere Gesamtlage wird die Vertreter der Freundschaftsgesellschaft wohl bis auf Weiteres davon abhalten, selbst endlich wieder nach Burkina Faso reisen zu können. Umso mehr ist der Kontakt zu Daniel Bouda von entscheidender Bedeutung. Er ist ein lokaler Techniker aus einer Nachbarstadt. Vor Ort kauft er ein, baut auf, bildet aus – und pflegt stets den kurzen Draht zu den Freunden in Frankreich und Deutschland, schießt Fotos, schickt Updates.

Die Freundschaftsgesellschaft ist entschlossen, das Photovoltaik-Projekt fortzusetzen: Noch drei weitere Schulen – zwei weitere Lycées sowie ein Collège – sollen nach dem nunmehr vorhandenen Vorbild mit Strom und Wasser versorgt werden. An Tatendrang und Kontakten mangelt es nicht, die entscheidende Frage ist die nach der Finanzierung. „Wir können auf der Suche nach Spenden nun eine gute Visitenkarte abgeben“, ist Arno Nelles zuversichtlich, über kurz oder lang eine Antwort im Sinne der Einwohner Réos finden zu können.

So sieht die Schule in Réo in Burkina Faso aus.
So sieht die Schule in Réo in Burkina Faso aus. Foto: privat

Dass die geschaffene Anlage dort Eindruck hinterlässt, stellt eine örtliche Theatergruppe namens Pointoua unter Beweis, zu der die Freundschaftsgesellschaft regen Kontakt pflegt. Die Gruppe unterhält mit ihren Aufführungen nicht nur, sondern leistet vor allen Dingen Aufklärungsarbeit, indem sie den Zuschauern gesellschaftliche Themen wie die Beschneidung von Mädchen oder ungewollte Schwangerschaften näherbringt.

Wie Bernhard Wiesemann erfahren hat, wird in Reihen der Theatergruppe darüber nachgedacht, sich einmal einem ganz anderen Thema zu widmen: der Solarenergie und den Chancen, die sie bietet.