Dogwalking-Service : Wenn die Hunde ausgeglichen nach Hause kommen
Nordkreis/Aachen/Heinsberg Sarah Keischgens sowie Ilona und Patrick Weber haben es zu ihren Berufen gemacht, Runden mit Hunden zu drehen. Im Nordkreis, Aachen und Heinsberg. Eine Veränderung in mehrerlei Hinsicht.
Im unteren Broichbachtal sieht man täglich viele Hunde mit ihren Haltern, aber es ist etwas Besonderes, wenn es gleich sechs, acht oder 14 auf einmal sind. Die Leinen halten Ilona und Patrick Weber, es sind aber nicht ihre Tiere. Morgens in den Feldern bei Oidtweiler das gleiche Bild: Dort dreht Sarah Keischgens mit einer Hundegruppe ihre Runden. Das Spazierengehen mit den Vierbeinern ist der Beruf der Webers und von Sarah Keischgens, Dogwalking heißt das. Das Ehepaar aus Alsdorf und die 33-Jährige aus Baesweiler sind im Nordkreis die einzigen Anbieter dieser Art, sind aber über die Stadtgrenzen hinaus aktiv, bis nach Aachen und Heinsberg.
In Zeitungsinseraten, auf Internetportalen wie Ebay und in der Nachbarschaft gibt es einige Angebote zum Gassigehen und Hunde-Sitten. Ein grundsätzlicher Unterschied zum Dogwalking ist indes, dass die Hunde in Gruppen eine feste Struktur und in den 60- bis 90-minütigen Runden auch „geistige und körperliche“ Übungen bekommen, erklären die drei Dogwalker. Führung annehmen und Akzeptanz sind so Punkte. Alle haben dafür Ausbildungen, Schulungen und Seminare abgelegt. Und der Bedarf ist da: Mit im Schnitt 18 verschiedenen Hunden pro Tag arbeiten die Webers, vor viereinhalb Jahren haben sie damit angefangen.
Sarah Keischgens feiert am 1. Februar ihr Einjähriges. Die junge Frau aus Baesweiler kennt also nur die Corona-Zeit. Eine Zeit, in der sich mehr Menschen als vorher einen Hund angeschafft haben und in der die Halterinnen und Halter wohl so oft wie selten zuvor zu Hause sind, Zeit für die Tiere haben.
Beeinflussen diese „neuen“ Umstände das Geschäft? Anscheinend nicht. „Ich habe viele Junghunde, und die Leute nutzen das Angebot trotz Homeoffice“, sagt Sarah Keischgens. „Sie sind auch froh, wenn der Hund ausgeglichen zurückkommt.“ Und Ilona Weber sagt, ihr seien nur zwei Kunden während der Pandemie abgesprungen – und das Alter der Hunde liege in der Regel unter drei Jahren, oft bei anderthalb. Gerade mittags sei ihr Angebot gefragt.
Wenn Ilona Weber regelmäßig mit den immer gleichen Gruppen unterwegs ist, lautet ein Ziel: die Hunde dazu zu bringen, entweder an der Schleppleine zu laufen oder maximal 20 Meter entfernt frei. Dafür sind geschulte Blicke auf Körpersprache nötig, und die 40-Jährige vergleicht die tierischen Gruppen gern mit einer Schulklasse: „Gerade nach dem Urlaub müssen sich die Hunde an die Struktur erst einmal wieder gewöhnen wie die Kinder nach den Ferien.“
Und wie Kinder (und Erwachsene) habe „auch jeder Hund so seine Themen“, an denen die Dogwalker arbeiten. Besonderheiten des Tages trägt sie in die Kundenkartei beziehungsweise Hundekartei ein.
Jobs gegen mehr Freiheit und Glück getauscht
Ilona und Patrick Weber und Sarah Keischgens hatten auch ein Berufsleben, bevor sie ihre eigenen Kleinunternehmen gegründet haben. Ilona Weber ist gelernte Industriemechanikerin, ihr 38-jähriger Mann hat Touristik studiert, war Bus- und Lkw-Fahrer und hat auch in einer Hundeschule gearbeitet. Die Idee mit dem Dogwalking kam über einen Freund von Patrick Weber zustande, der den Service in den Niederlanden anbietet – und selbst haben sie ja auch zwei Hunde.
„Unsere Arbeit früher war für einen Zweck, aber heute lieben wir, was wir machen“, sagt Ilona Weber, die mit ihrem Mann vor einem halben Jahr aus Alt-Merkstein an den Rand von Alsdorf-Reifeld gezogen ist, unmittelbar ans Broichbachtal. „Früher habe ich oft nach dem Urlaub gedacht: Och nee, bald ist wieder Montag.“ Das sei jetzt anders, kein Schichtdienst mehr, eine viel höhere Lebensqualität, die meiste Zeit an der frischen Luft. „Ich fühle mich fitter, entspannter, gesünder, bin kaum noch krank und auch viel achtsamer für mein Umfeld geworden“, sagt Ilona Weber.
Dennoch: Auch Sarah Keischgens betont, was bei Ilona Weber der Fall ist: „Ich arbeite mehr als vorher.“ Zum Rundum-Service gehört nämlich ein Hol- und Bringdienst. Die Routen der Kunden stimmen die Dogwalker aber bewusst so ab, dass kein Hund länger als eine Stunde im umgebauten Transporter verbringt. Hinzukommen Buchführung, Kundenakquise, Social Media. „Das alles macht mich aber glücklicher, und ich genieße diese Freiheit“, sagt Sarah Keischgens.
Ihre Erwartungen hätten sich erfüllt, nachdem sie nach zwölf Jahren als Industriekauffrau in einer Maschinenbaufirma und parallelem BWL-Studium aufgehört hat, ihr Geld mit Büroarbeit zu verdienen, denn es müsse „ja noch mehr geben als das“. Die Arbeit mit Hunden fand sie immer schon interessant, ihr mittlerweile acht Jahre alter Rhodeisan Ridgeback Louis – der „Boss“ in der Gruppe – war auch in der Hundebetreuung. „Das fand ich spannend, also habe ich hinterfragt, warum mich das Thema reizt“, sagt sie – und hat nach Berufscoachings ihren neuen Traumjob gefunden.
Ihr Unternehmensname „Arcani“ passt zu der Entstehung. Denn arcanus bedeutet geheimnisvoll und cani: Hunde.