Alsdorf : Thema Stadtdach: Für und Wider einer Modeerscheinung
Alsdorf Was gibt es Heimeligeres als ein Dach über dem Kopf?! Bei Bauherren, privaten oder öffentlichen, ist der letzte Nagel im Dachstuhl meist Anlass zur Sause mit allen am Werk Beteiligten. Richtfest! Aber nicht alle, die sich oder anderen ein Dach verschaffen, sind frei von Kritik.
Es kommt schließlich auf die Form an. Walmdach, Satteldach, Pultdach stehen zur Auswahl. Und Alsdorf darf jetzt ein weiteres wählen: das Stadtdach.
Eine bemerkenswerte Konstruktion, allemal. Stadtplaner können damit Akzente setzen, wo sie benötigt werden. „Am Platz” oder in der Peripherie einer Kernlage. Die Nachbarstadt Würselen hat solches getan.
„Der nördliche Abschluss des Marktes soll über ein schwebendes Stadtdach formuliert werden”, hieß es bei der Vorstellung aus Verwaltungsunterlagen. „Diese Überdachung bietet in Verbindung mit einem Kiosk neue Aufenthaltsqualitäten, auch bei schlechter Witterung.” Es ist im vorigen Februar gebaut worden, kostete 66861,69 Euro.
Bei heftigem Schauer kann man dort Schutz suchen. Trockenbleiben hat Vorrang, selbst wenn dazu noch schneidender Wind durch die allseits offene Anlage auf neun Säulen pfeift. Der Kiosk unterm Dach am Würselener Markt bietet in solchem Fall vielleicht noch die Möglichkeit, sich auf Lee, der Wind abgekehrten Seite, in noch mehr Sicherheit zu bringen. Und - dem Ruhrpott sei Dank - ein „Büdchen” hat stets den Aufenthaltscharakter einer Wohnlage gefördert.
Alsdorf soll nun auch so ein Stadtdach bekommen. Sehr markant auf dem Denkmalplatz. Das hat Geschichte, und zwar gute wie schlechte. Ausgangspunkt der guten Entwicklung war der Wunsch, am Alsdorfer Euregio-Schienenbahnhof eine sinnvolle Verknüpfung mit den Bussen herzustellen. Der Busbahnhof ist nun dort entstanden. Auch er sollte ein (gläsernes) Dach bekommen, aber das war zu teuer.
Egal wie: Ziel erreicht, den stadtentwicklungstechnisch einmaligen Denkmalplatz als Aufmarschgebiet einer dröhnenden, qualmenden Busflottille zu vermeiden. Die erste Phase des danach nötigen Umbaus ist erledigt. Im Frühjahr 2009 wird zum nächsten Streich ausgeholt. Mit großer Unterstützung vor allem des Landes Nordrhein-Westfalen will die Stadt Alsdorf ihren Denkmalplatz zu einem wirklichen Platz gestalten.
Da ist es wieder, das Stichwort Aufenthaltsqualität. Gleich gegenüber der prosperierenden Stadthalle soll sich ein Zentrum der, wenn gebraucht, Kurzweil entwickeln. Von Bürgerfesten bis zum Markt ist alles denkbar. Ausgewogenes Ambiente zwischen Baum und Hecke, zwischen Skulpturen und Leuchten. Geht dann endlich auch ein Ruck durch die Eigentümergemeinschaft der halbhohen Ladenzeile am Platz, sich der Modernisierung anzupassen?
Fort ist schon „Peulens Pavillon”, die gedrungene Bierkneipe am Eck der großen Kreuzung; auch eine Art Büdchen. Das hätte ersetzt werden können durch ein Bauwerk, ausgedacht von einem lokalen Gastronomen, von Architekten als fast transparentes weil gläsernes Caf?-Bistro entworfen. Zu viel Gerede ließ dem Projekt keine Zeit zum Reifen; der Investor zog zurück.
Huch, ein Loch! Wie damit umgehen? Im Mai dieses zu Ende gehenden Jahres ließen die „Nachrichten” den Mariadorfer Planer Hans-Willi Mertens (asa-Büro) zu Wort kommen. Seine Idee vom „Stadtdach” formulierte er als „multifunktionale Konstruktion im Stahlprofil mit geneigten Glasflachdächern.”
Die Politik, die Anwohner haben sich auch schon damit befasst. Nicht alle Bewertungen waren kritikfrei. Gedanklich nachgebessert wurde mit einer Holzunterseite fürs Dach und mit viel buntem Licht zum Anstrahlen.
Und was macht man mit dem Ding? Eine untaugliche „Großgarage”, haben Spötter schon einen Spitznamen gefunden. Andere befürchten das tageszeitlich wechselnde Publikum von Hundebesitzern bis zum auswüchsigen Jugendtreff. Tät´s nicht eine hübsche Grünanlage mit einer Sitzbank? Denn vielleicht kommt noch ein Bauinvestor. Dann wäre es mehr als schade um Zehntausende verschleudeter Euro.
Der Stadtmarketing-Verein hat sich inzwischen auch des Themas angenommen und möchte das Projekt Stadtdach mit der Stadtverwaltung und der Politik auf Sinnfälligkeit prüfen. Denn nicht jedes Präsent ist dem Beschenkten willkommen und kann in der ganzen Familie Krach auslösen. Braucht Alsdorf dieses Stadtdach wirklich? Und wenn ja: Kann es - gegen Quittung - umgetauscht werden? Wir lassen uns doch sonst nichts schenken!